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Blindside

The Great Depression

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Mein Weg zu diesem Album war ein seltsamer: hatte ich bisher über die seit mittlerweile seit zehn Jahren als Band aktiven Schweden nur bruchstückhaft Informationen wahrgenommen, traf mich der erste richtige Kontakt mit Blindside wie ein Blitz. Hingen mir doch aus irgendeinem Grund Assoziationen in Richtung Nu-Metal und ähnlich grausigen Angelegenheiten im Kopf. Doch was dann zu Ohren kam, war mir an Intensität, Dynamik und songwriterischer Raffinesse in diesem Jahr noch nicht untergekommen. Musikalisch haut mich "The Great Depression" nach wie vor mit jedem neuen Hördurchgang mehr von den Socken - und kann es mittlerweile beinahe mit dem Refused-Überwerk "The Shape Of Punk To Come" aufnehmen. Was zunächst auch nicht überrascht: haben Blindside ihre Wurzeln doch ebenfalls im Punk und Hardcore, veröffentlichten beispielsweise in den Staaten via "Tooth & Nail". Christian Lindskog dürfte zudem mit der beste Sänger des Genres sein und deckt mühelos ein Spektrum zwischen Muse-Dramatik, kraftvollem Shouting und verzweifelten Screams ab. Derbste Rocktracks mischen sich auf "The Great Depression" mit komplexen Breaks und großen Refrains ("Ask me now"), man experimentiert gelungen mit elektronischen Elementen und anderen genrefremden Zutaten. Das von einem Kontrabass dominierte und von einem ungewöhnlichen Refrain getoppte "This Time" beispielsweise fügt sich perfekt in das höchst abwechslungsreiche Werk ein. Von allen Vorurteilen befreit sollte es an diesen 14 Songs also nichts, aber auch gar nichts auszusetzen geben... und Blindside hätten konsequenter Weise das Etikett "sellfish.de Platte der Woche" abstauben können! Die Sache hat allerdings einen Hacken. Denn Blindside sind Christen durch und durch - was an sich in meinen Augen ja nicht verwerflich ist. Übel wird mir aber, wenn das ganze missionarische Züge annimmt. Leider ist genau das auf diesem Album ganz vehement der Fall. Zum Beispiel, wenn die Thematik in dem erwähnten Song "This Time" in einer Zeile wie "I see Jesus in your eye now kiss the sky" gipfelt. Dazu eine Credits-Liste, in der kaum jemand der Vier seine ausführliche Huldigung an den heiligen Vater bzw. seinen Sohn vergisst. So also schweren Herzens mein Fazit: Musikalisch stehen Blindside kurz von der Zehn-Punkte-Vollbedienung. Leider kann zumindest ich über den textlichen Inhalt nicht hinweg blicken. Eine sehr subjektive Angelegenheit, sicher. Ich habe mich also im Versuch größtmöglicher Objektivität schließlich für neun (sehr diskussionswürdige) Punkte entschieden.

Bewertung: 9 von 10 Sternen / Spielzeit: 53:29 / Emocore

Michael Streitberger


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