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Madrugada

The Deep End

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Immer wieder unbegreiflich welche Höhen und Tiefen eine Band im Laufe ihres Schaffens durchlebt. Im Fall von Madrugada kam nach einem Tief wieder einmal eine dieser unerwarteten, aber erhofften Wendungen: Bereits mit ihrem Erstling „Industrial Silence“ hatten Madrugada ihre ganz eigenen Musikstil aus Rock und Schwermütigkeit bereits treffend betitelt und auch auf Anhieb jenseits ihres Heimatlandes Norwegen für Gänsehaut gesorgt. Mit „The Nightly Disease“ folgte ein pechschwarzer Nachfolger, der über die Gänsehaut hinaus ernsthafte Angstzustände mit gleichzeitiger balladesk-depressiver Anrührung geschaffen hat. Fast schon entschuldbar oder zumindest nachvollziehbar, dass die Band um ihren Mastermind Sivert Hoeyem danach in ein kreatives Loch fiel und das letzte Album, noch dazu unter bandinternen Spannungen erstmals im Ausland (Berlin) eingespielt, deutlich unausgeglichener und fast schon nach einem unverdienten Ende der Bandgeschichte klang. Mehr Rock und mehr Roll war damals die Marschroute, die Madrugada zwar zweifelsohne beherrscht, aber mit ihren ureigenen und genialen Mischung aus Rock und opulenten Balladen hat das Trio aus dem hohen Norden wohl ihre Berufung gefunden. Allein die Stimme von Hoeyem garantiert dem Hörer eine Gänsehaut, die sich kombiniert mit der schwerfälligen Instrumentierung und den vielen spielerischen Anleihen aus Rock, Folk oder gar Salsa zu einer bedrohlich-schönen Ursuppe aus Hochstimmung und Melancholie vermengt. Und diese Jahr haben sie wieder auf den rechten Weg zurückgefunden: „The Deep End“ nannte sich passenderweise das neue Album, das wieder an alte Zeiten anknüpfen konnte - und noch mehr: Schon der Opener empfängt mit einem umwerfenden Refrain in dem gewohnt üppigen Gitarrenbett, so dass man spätestens zum großartig sentimentalen Finale in die kalte Welt da draußen mitschreien muss: „I can´t even wait to get away from you“. Auch die nachfolgenden Songs reißen mit Geschick und Leichtigkeit emotionale Wunden, nehmen an die Hand um dich mit dem nächsten Tempo-Wechsel wieder vor den Kopf zu stoßen. Madrugada geht endlich wieder unter die Haut! So schrecklich schön, dass dieses Spektakel fast schon zur Unterhaltung wird. Bedenklich gewiss, aber unendlich befreiend. Obwohl der letzte Track (als Limited Edition mit Bonus-Tracks) sogar noch einmal in seinem neurotisch bis schizophrenen Opening überrascht und sich hin zu einem tragischen Schlussakt steigert, werden hauptsächlich wieder alte und lieb gewonnene Madrugada-Gewohnheiten zelebriert. Die meisten der Tracks leben nämlich von den eingeworfenenen Wortfetzen, Stöhnen, Ächzen und Schreien, welche in ihrer Einfachheit bestechend auch den letzten befindlichkeitsresistenten Hörer mitreißen dürfte. Ebenfalls gern gesehen und in seinem Effekt umwerfend sind die spanischen (Back-)Chorus-Parts bei „Hard To Come Back“. Der Über-Song des Albums bleibt aber „Running Out Of Time“, der aus einem gemächlichen Summen zum Ende einen dramatisch-mitreißenden Gefühlsausbruch gebärt, der beim Hören für Schmerz und Erlösung gleichermaßen sorgen wird. „One more time“ schreit Sivert dabei in das Dunkle des Refrains - und so perfide es auch klingen mag: Ich möchte wieder dabei sein, denn so schmerzhaft-schön können anscheinend nur Norweger Leid und Leidenschaft zelebrieren.  
 
 -- / Spielzeit: 66:43 / Industrial Rock

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