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Architecture In Helsinki

In Case We Die

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Auch wenn es uns der Bandname noch so gerne vermitteln würde: Architecture In Helsinki kommen weder aus Finnland noch haben sie etwas mit grandioser Baukunst zu schaffen. Zwar ebenso filigran im Detail, aber schon in der Umsetzung eher das Gegenteil: Acht Weirdos (hier als positive Eigenschaft zu verstehen), und mal wieder aus Down Under. „Woher sonst?“ fragt man sich langsam, und denkt bei „In Case We Die“ an Arcade Fire. AIH pflegen allerdings noch vielmehr als die ebenfalls achtköpfige Formation aus Montreal die spielerische Auseinandersetzung mit den Klangpirouetten, die sich mit allerhand Instrumenten und Genialität so naiv-schön aufs Parkett legen lassen. Weniger emphatisch aber mindestens genauso kreativ-verrückt und dazu infantil-begeisternd. So nennt die Formation um Cameron Bird ihr Studio auch „Super Melody World“ - und genau danach klingt auch „In Case We Die“. Bird spricht dabei von sich selbst passenderweise als Projektkoordinator und versucht erst gar nicht die hierarchische Mystik um einen echten Bandleader aufkommen zu lassen. Dieses Selbstverständnis seiner selbst und ihrer Musik nach der „Wer will noch mal? Wer hat noch nicht?“-Mentalität erlaubt auf dem zweiten Album der Melbourner Combo dieses aberwitzige Drunter-und-Drüber-Sammelsurium verschiedenster Stilblüten: Rock, Pop, Hip-Hop, Blues, Jazz, Folk und Elektro mit seltsamen Wave-Schmierereien arrangiert die Big Band des Wahnsinns zwischen Dada und Gaga zu einer australischen Disney-World-Außenstelle der Pop-Kreativität. Mindestens so sympathisch wie durchgeknallt zugleich sind die acht Chaoten auf der scharfen Kante zwischen Genie und Wahnsinn also allesamt in die richtige Richtung gestolpert. Ob sie sich selber darüber bewusst waren sei mal dahin gestellt - aber in den meisten Fällen ist das sowieso ein Vorteil. Denn „In Case We Die“ überrascht von der ersten Minute an mit wilden Tempi-Wechsel, abgefahrenen Bläsereinsätzen, merkwürdigen Sampels, grenzwertig-schizophrenen aber dennoch stimmigen Vocals verschiedenster Couleur und Geschlechterprägung - gerne in Stakkato über den Soundteppich gestreut - und kindlich wirkender Sorglosigkeit bei Einsatz und Umsetzung von friedenstiftenden Choreinsätzen. Ein Dickicht aus mächtiger Instrumentenaufbietung und geschickter Sprachmalerei. Im Nachdurst wie ein großer Selbstbedienungsladen aller nur denkbaren Klangquellen, der einen erschöpft und glücklich zugleich mit einem Grinsen im Gesicht in die Plastikbälle des Kinderparadieses zurücksinken lässt. Ach ja: Die nächsten Arcade Fire? Nun, wenn einem nichts anderes einfällt: Ja! Für alle anderen sind Architecture In Helsinki einfach nur das logische Ergebnis eines ungezwungenen und im positiven Sinne missbräuchlichen Musikverständnisses.

Bewertung: 9 von 10 Sternen / Spielzeit: 41:46 / Weirdo-Pop-Artistik

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