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Hot Chip - Live

Übel & Gefährlich / Hamburg

20.09.2006

Caps mit Comicaugen

Hot Chip laden ein. Ins "Uebel & Gefährlich" in Hamburg, genau einen Tag vor dem Reeperbahfestival und an diesem Abend in (in-)direkter Konkurrenz zu Billy Talent, Campsite und noch irgendeiner ganz hippen Band. Die Wahl fiel ohne großes Zögern auf die Londoner, die im Mai das niedlichste, wärmste Electro-Pop-Album veröffentlicht haben, was man sich im Prä-WM-Sommer in Deutschland wünschen konnte. Kuschelige Beats, seichte Synthies und ein paar exquisite Songs zwischen Tanz und Easy Listening.

Die Pforten öffnen sich spät: "Geht doch eh erst um elf los!" höre ich da jemanden rufen und mir wird ein wenig mulmig. Arbeit und so. Mitten in der Woche! Kurz nach zehn betritt der Support Lo-Fi-Fnk die Bühne und begeistert durch die Bank mit einer naiven Electro-PopPunk Euphorie der zwei Minderjährigen Leo Drougge und August Hellsing. Quietschbunt angezogen, Caps mit Comicaugen auf dem Kopf und Beats aus der Konserve, die so knatterig und verspielt sind wie eine Achterbahn für Dreijährige. Während die meisten Besucher noch rätseln, wie man "Fnk" denn nun aussprechen soll ("Funk!" "Nee, Quatsch, Fink!" "Ach was, Fhnuk!") hat man bereits den Synthesizer zerlegt und nahezu das komplette Debüt "Boylife" abgerissen. Inklusive dem Hit "City". Verwirrtes Kopfkratzen: wie schaffen es zwei 15-jährige bloß, dermaßen perfekte Electro-Pop-Referenzen an den Mann zu bringen? Rechts sagt einer: "Die hatten doch irgendeinen Bastard, der ihnen die Songs geschrieben hat!" Selbst wenn: performen können sie jedenfalls.

Eine Eigenschaft, die Hot Chip nicht zu eigen ist. Dröge vor das Publikum gestellt, eine Armada an Synthies und Keyboards. Und im Hintergrund: schwachsinnige Videos, die aus sich kreuzenden Neonstrichen bestehen. Grottenlangweilig. Die Musik allerdings fesselt. Weitaus interessanter, kräftiger, ja sogar noch tanzbarer als ihr aktuelles Album "The Warning" präsentieren sich die Londoner da. Verspielt, exotisch und beatlastig sind sie. Und beweisen, dass sie drei wesentliche Bestandteile beherrschen: Funk, Electro, Rock. Das eigens für sie geschaffene Genre "Slapcore" wird an diesem Abend mit Bedeutung gefüllt: es slapt gewaltigt. Das nicht ganz ausverkaufte "Uebel & Gefährlich" hüpft, tanzt, ist betrunken und freut sich über eine der besten elektronischen Live-Bands, die momentan von der Insel kommen. Und als "And I Was A Boy From School", "Colours" und besonders "Over And Over" zum Schluss als Highlights durch die Boxen toben, dürfte jedem minderbemittelten Tanzmuffel die Hose geplatzt sein. Hot Chip rulen Hamburg. Dagegen dürften auch Billy Talent und Co. nicht angekommen sein. Schon allein Alexis Taylors Brille hat an diesem Abend Leben gerettet. Und für einen verschlurften nächsten Arbeitstag gesorgt!

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