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MISC - sellfish.de Beifang 04/06 | 01

Miscellaneaus: Genrekram*EP*Vinyl*MCD*Sampler*Demos*Soundtrack

Eine neue Heimat bei sellfish.de: Für Sachen, die normalerweise unterzugehen drohen. Oft verdient und von manchen verachtet lassen sich in dieser Rubrik immer wieder auch echte kleine Perlen entdecken...

B–Stinged–Butterfly - same CD

Freshstyle Music

Es ist etwas schwierig einen Einstieg in dieses unbetitelte Debutalbum von B – Stinged – Butterfly zu finden. Es ist New Metal, ok. Aber gerade diese Musikrichtung hat sich im Lauf der vergangenen Jahre neu orientiert. Das hier zu diskutierende frankogermanische Gemeinschaftsprojekt versucht seinen Weg irgendwo in diesem Genre zu finden. Gut, tiefkrachende Gitarren und mithüpfbare uptempo Beats sind auch hier vertreten. Man kann jetzt aber nicht unbedingt Vergleiche zu Genregrößen wie Korn oder die stilverwandten Adema ziehen, dafür klingen B – Stinged – Butterfly - ich möchte schon fast sagen – zu soft. Sänger Daniel geht dafür zu wenig aus sich heraus. Auch erscheint das Songwriting an manchen Stellen, auffallend vor Allem zu Beginn des Albums, etwas platt, bzw. nicht abwechslungsreich genug. Besserung ist im weiteren Verlauf des Albums allerdings erkennbar, der Wahnsinnshit, der sich im Gehörgang festzementiert, fehlt aber. Und gerade das viel gelobte „Let tha monsta through…“ stellt für mich einen Tiefpunkt auf der Scheibe dar. Man müht sich zwar mit dem trashigen „Love bizarre“ oder auch dem französischsprachigem „Désespoir“ den Karren wieder an Fahrt gewinnen zu lassen, bekommt aber den Sand nie so richtig aus dem Getriebe. Gesamt betrachtet wird hier ein oberflächliches Newcomer – New Metal Album abgeliefert, wobei zukünftig qualitativ nach oben noch einiges geht. Andererseits haben andere Bands dieser Stilrichtung mit ihrem Erstling eben mehr Feuer verbreitet, hier glimmts nur…
Bewertung: 4 von 10 Sternen / 54:00 / New Metal / b-stinged-butterfly.de
Uwe Wollein

Doro - Warrior Soul CD

AFM Records / Soulfood

Tja, wie nur sollte es weiter gehen bei Deutschland's Metal-Queen, nachdem sich das ambitionierte Orchesterprojekt 'Classic Diamonds' wohl kaum ein zweites Mal hätte reproduzieren lassen? Doro ergreift die Flucht nach vorne, lässt ihre an Höhepunkten ohnehin nicht arme Vergangenheit Revue passieren und zieht dabei so einige Trümpfe aus dem Ärmel. Insbesondere die erste Albumhälfte hätte superber nicht ausfallen können und glänzt mit unsterblichen Hymnen wie dem Opener 'You're my family', 'Strangers yesterday' und dem mystisch dunklen Titelsong. Der schnelle Doublebass-Kracher 'Haunted heart' lässt alte Warlock-Tage aufleben und hätte sich auch auf der 'Triumph & Agony' bestens gemacht. Gleiches gilt für das rifflastige 'Thunderspell', was wiederum beweisst, wie zeitlos die Grande Dame bereits vor beinahe zwei Dekaden unterwegs war. Irgendwie hat es Doro geschafft, die ungestüme Ader der damals mit komplett anderer Mannschaft entstandenen Alben anzuzapfen und den Spirit ins Jahr 2006 zu transportieren. So und nicht anders muss unter die Haut gehender, melancholisch gefärbter Melodic Metal klingen! Klar, Doro polarisiert wie kaum eine zweite, weil sie auch textlich ihr innerstes nach aussen kehrt und zu ihren Gefühlen steht; aber gerade deshalb klingt ihr Ouvre seit jeher so authentisch, dass man ganz einfach Respekt zollen muss. Ob man sie nun mag oder nicht, die Frau besitzt genau jenes sprichwörtliche Rückgrat, das den meisten Marionetten in diesem Business fast völlig abgeht. Trotz aller Härte hängt diese typische, Doro zu eigene Emotionalität wie ein Schleier über dem Gros der Songs. Wohl dem, der seiner Mucke einen so unverkennbar individuellen Stempel aufzudrücken vermag und damit selbst die sonst eher der Pflichterfüllung dienenden Balladen wie 'Above the ashes' in rastlose Oasen verwandeln kann. Verzichtbar allerdings das 90 sekündige 'Ungebrochen', das unnötig derb dahingerotzt wurde und in etwa so klingt, als hätte man einer dieser mediokren Hypebands erstmals 'nen ordentlichen Marshall-Amp vor die Nase gesetzt. So oder so, es kann nur ein Fazit geben: Doro ist und bleibt die First Lady of Hard Rock, und mit 'Warrior Soul' liefert sie eines ihrer beeindruckendsten Werke ab. Kein Wunder, dass MTV USA nach Jahren der Funkstille unser Fräuleinwunder mal wieder ins Boot geholt hat...
Bewertung: 9 von 10 Sternen / 54:10 / Melodic Metal / afm-records.de
Stefan Löffler

Dove Yellow Swans – Live During War Crimes CD

Release The Bats

Der Mensch ist ein sehr visuell geprägtes Lebewesen. Aus diesem Grund sehen wir, wenn wir träumen, Bilder. Jeder von uns weiß, wie ein Alptraum aussehen kann. Aber hat sich schon mal jemand ernsthaft Gedanken darüber gemacht, wie ein Alptraum klingen kann? Zwei Typen aus Portland haben das wohl und präsentieren seit 2001 der Öffentlichkeit unter dem Namen Yellow Swans (das voranstehende Wort wechselt ständig, beginnt aber immer mit einem D) ihre Entwürfe. Auf dem hier vorliegenden Tonträger fängt der Gegenentwurf zu dem, was man gemeinhin unter dem Begriff „Musik“ versteht schon bei der Präsentation an: Die Songs haben keine Titel und teilweise ist der Klang sowieso nur ein Fluss, in dem lediglich der CD Player eine Markierung hinterlässt (wiederum visuell, nicht hörbar). Auch der Terminus „Voice“, der in der Instrumentierung aufgeführt wird ist genau das und nichts anderes. Es ist kein Wort auszumachen, geschweige denn Gesang. Die Stimme ist ein Mosaikstein im Gesamtklangbild. Hysterische Schreie irgendwo weit hinter dieser Wall of Sound. Hinter diesem Meer aus Feedback. Hinter den elektronischen Störgeräuschen, dem Blubbern, Flirren, Sirren und Rauschen. Um sich diesem Album zu nähern, muss man alle bisherigen Hörgewohnheiten ablegen. Selbst die üblichen Noise Referenzen wie Melt Banana, Arab on Radar oder die neue kanadische Hoffnung AIDS Wolf, wirken im Vergleich zu Yellow Swans konventionell und handzahm, denn diese Band hebt Noise auf einen neuen Level. Darin besteht ihre Leistung.
Bewertung: 6 von 10 Sternen / 46:45 / Noise / jyrk.com
Steffen Kern

Hellmotel - Hang Us Young CD

Exutoire Records / Radar Swarm

Hellmotel aus Frankreich sind die direkte Nachfolgeband zu den Hardcore-Recken von Judoboy... Das Material des aktuellen Albums "Hang Us Young" stammt dennoch schon aus dem Jahre 2004 - und war ursprünglich sogar für Judoboy geplant. Der Ausstieg des Sängers wirbelte damals aber alles durcheinander und so sieht die Situation nun heute aus: Das Album erscheint unter dem Namen Hellmotel, die Vocals stammen von einem gewissen Mush a.k.a. "Mister Motel", soundtechnisch machte man sich von früheren Limitierungen frei. Zum Beispiel haben sich die Hoteliers auf die Hilfe von Mush allein nicht verlassen. Zusätzliche Mikrofonbeiträge kommen aus den Reihen von Right For Life, Kubota und No Compromise. Zudem fand sich ein zweiter Gitarrist, was natürlich die eigenen Möglichkeiten enorm erweiterte sowie dem teils recht komplexen Material gut zu Gesicht steht. Durchaus eine Leistung angesichts der Tatsache, dass man sich stilistisch zwar nach wie vor in typischen Metalcore-Gefilden bewegt, dort die Grenzen jedoch in der Tradition der frühen Converge oder Kiss It Goodbye auslotet. Stilecht gemastert wurde das gute Stück von Pelle Henricsson in den Tonteknik Studios und ist ein echter Anspieltipp für das "open minded"-Publikum im Metalcore-Zirkus.
Bewertung: 6 von 10 Sternen / 50:21 / Metalcore / hellmotel.com
Michael Streitberger

If Hope Dies - Life In Ruin CD

Metal Blade / Spv

Metalblade und Metalcore - Na, da haben sich ja zwei gefunden. Mit Neaera und jetzt If Hope Dies gibt es allein in dieser Woche gleich zwei neue Genreveröffentlichungen. Letztere spielen relativ tumben "auf-die-zwöf-Metalcore", der mir etwas zu unentschlossen zwischen metallischer Instrumental-Feinarbeit und aggressivem Hardcore-Gebolze pendelt. So vermisse ich die Intensität, die Bands wie A Perfect Murder mit ähnlicher Rezeptur entfachen können. Worüber auch die Kombination aus schweren Grooves und filigranen Gitarrenharmonien ("Anthem For The Unemployable") nicht hinwegtäuscht. Wenn sich aber doch einmal ein Track aus der Masse abhebt, dann hat der es aber auch in sich. Beispielsweise das kickende "Some skynard" oder das Albumhighlight "The ultimate nullifier". Doch schnell richtet sich mein Negativblick - den werde ich bei diesem Genre zur Zeit leider nur schwer los - auf den viel zu monoton shoutenden Brüllwürfel Alan French. Etwas mehr Variabilität hätte nicht geschadet... und dass da mehr drin ist, zeigt der Gute auch an mehreren Stellen. Potential erkennt man hinter den megafett produzierten Fasaden dieses Zweitwerkes jedenfalls in jedem Fall. Hoffentlich gelingt es dem Fünfer aus dem Bundesstaat New York, dieses noch vor dem Ende des Booms voll zu entfalten. Denn die Konkurrenz kommt längst aus dem eigenen Labellager. Und in diesem Vergleich ziehen If Hope Dies gegen Genremeister wie Unearth (in Punkto ausarrangiertem Metalcore) bzw. Born From Pain (auf der stumpfen Hardcore-Seite) klar den Kürzeren...
Bewertung: 4 von 10 Sternen / 36:43 / Metalcore / ifhopedies.com
Michael Streitberger

Kleinhenz, Björn - Trans Pony CD

Mi Amante / Cargo

Mit Björn Kleinhenz verabreicht das kleine aber feine Magdeburger Label Mi Amante Records schon zum zweiten Mal in diesen Wochen Balsam für die Seele seiner Hörer. Im Gegensatz zu seinen Labelkollegen Palestar widmet sich der nach Schweden emigrierte Stuttgarter (wenn er nicht gerade bei Laakso oder Boy Omega aushilft) aber der klassischen Singer-Songwriter-Kunst. Und hat damit wohl im richtigen Teil Europas Obhut gefunden: Die minimalistisch instrumentierten Stücke auf "Trans Pony" stehen ohne Frage in der Tradition von Kristofer Aström oder Christian Kjellvander. Fast scheint es, als würde Kleinhenz nicht den Hauch an Motivation verspüren, sich von seinen Landsmännern abzuheben. Aber warum auch? Lieder wie "Out of style" oder "Starlit queen" sind melancholische Glückskekse, die jedes Manko an Innovation mit ehrlichen, charmanten Gefühlen wett machen. Mehr muss wohl nicht gesagt werden - außer vielleicht, dass sich all jene, deren Interesse geweckt wurde, auf der Homepage des 25-jährigen genau die erwähnten beiden Songs herunterladen können. Werdet ihr nicht bereuhen!
Bewertung: 7 von 10 Sternen / 36:40 / Singer-Songwriter / kleinhenz.se
Michael Streitberger

Mint - Unwiderstehtlich

„Mint finden immer mehr Menschen, die ihre Musik begeistert. Kann es sein, dass du einer davon bist?“, schreibt die Band in der Biographie und seit langem konnte ich keine Frage mehr so eindeutig beantworten: Nein! Mint, das sind fünf Regensburger, die mit der sechs Songs umfassenden CD „Unwiderstehlich“ ein Debüt hingelegt haben, dem ich durchaus widerstehen kann. Das ist natürlich ein absolut subjektiver Eindruck und daher versuche ich im Folgenden absolut objektiv zu bleiben: Die CD ist kurz, aber mit einigem Bonusmaterial wie Bildern und so weiter versehen, was schon mal ein Plus ist falls man Fan ist. Die Lieder sind eingängig und rein musikalisch kann man den Fünf offensichtlich nicht viel vormachen, leider scheint es bei allen Songs so, als wären sie am Reißbrett entworfen und von Vorne bis Hinten „durchgestylt“ worden. Die weibliche Stimme steht nicht zur Diskussion, ist vielleicht sogar als professionell zu bezeichnen. Die Art und Weise wie die Sängerin Marina Bielenberg sie einsetzt ist aber stark gewöhnungsbedürftig. Tatsächlich lohnt es sich schon allein dafür die CD anzuhören. Mein absolut größter Kritikpunkt sind die Texte. „Denn Ich weiß jeder steht auf mich, denn ich bin unwiderstehlich“ wird da im Titelsong zum Besten gegeben, oder weiter: „Ich hab kein Job, die Zeit ist rar, dafür sind schließlich Männer da!“ In ein eher sarkastisches Licht wird da die Aussage der Band gerückt, „dass deutsche Texte die lustigen und auch tiefgründigen Botschaften von Marina einfach besser transportieren.“ Ob es reiner Zufall ist, dass die Band 2004, im Jahr Erfolgsjahr der Helden, von Englisch auf Deutsch wechselte sei mal dahingestellt.
Bewertung: 3 von 10 Sternen / 22:31 / Pop-Rock / mint-rockt.de

Philip Bogdahn

Palestar - ?Mind The Landscapes! CD

Mi Amante / Cargo

Beginnen wir mit einem Superlativ: Der instrumentale Opener und dessen Fusion in das unendlich tiefe, gut sechsminütige "#1069" gehören mit zum intensivsten, was die deutsche Independent-Szene in den letzten Jahren auf Band gebracht hat. Großartig, wie inspiriert das klingt. Famos, wie die Gitarrenarbeit einen in den Bann zieht. Ein leichtes Absacken im weiteren Verlauf der zwölf Tracks muss und kann man Palestar dann auch zugestehen. Schließlich machen die Leipziger auf ihrem Debütlongplayer quasi keine Fehler. Patrick Sudarski beispielsweise gelingt es, mit seinen Vocals mühelos an große britische Acts a lá Coldplay anzuknüpfen, ohne - und hier liegt der feine Unterschied - wie viele andere heimische Kollegen dabei verkrampft zu klingen. Und auch die restlichen drei Musiker ziehen gleich, stehen in ihrer niemals aufdringlichen, getragenen Spielweise und Dynamik Formationen wie Savoy Grand oder Slowdive näher als deutschen Mitstreitern. "?Mind The Landscapes!", und das ist mit der Grund warum ich diese fünfzig Minuten so in mein Herz geschlossen habe, klingt von Anfang bis Ende natürlich gewachsen. Auch deswegen, weil sich die Band stilistisch trotz der erwähnten zahlreichen Parallelen niemals als ein Klon festklopfen lässt. Vor allem, weil man gerade in den etwas ausufernden Songs jenseits Airplay-Tauglichkeit diese ganz eigentümliche Faszination atmet ("Berlin is for heroes"). Abgerundet wird das wunderbare Kleinod von einer atmosphärischen Produktion, welche das internationale Potential von Palestar nachdrücklich unterstreicht. Sehr empfehlenswert.
Bewertung: 8 von 10 Sternen / 52:28 / Independent / palestar.de
Michael Streitberger

Pansy Division - The Essential Pansy Division CD/DVD

Alternative Tentacles / Cargo

"The Essential Pansy Division" ist die definitive Kollektion für all jene, die - wie ich - das langjährige Schaffen der amerianischen Queerpunks nur am Rande mitverfolgt haben. Denn auf dieser CD fehlt wirklich kaum etwas Relevantes aus der 15-jährigen Bandgeschichte. Vom Ohrwurm-Opener "Who treats you right" bis hin zu trivial Ramones'kem wie "Goovy underwear" - Alle Pop-Punks mit Hang zum Rosanen kommen hier auf ihre Kosten. Dank Country-Punk-Exkursen wie dem auch in lyrischer Hinsicht extra-ordinärem "He whipped my ass in tennis (then i fucked his ass in bed)" oder superschwuchteligem a lá "Luv luv luv" ist trotz der überlangen Spielzeit dieser Compilation für Kurzweile gesorgt. Dazu kommt ein umfassenden Booklet mit ausführlichen Linernotes und Song-by-Song-Kommentaren von Gitarist bzw. Sänger John Ginoli. Die Bonus-DVD enthält 15 Clips (etwas die Hälfte davon live), welche natürlich ebenfalls sehr unterhaltsam ausfallen und dem "parental advisory"-Sticker auf der Hülle nachvollziehbar machen...
-- / 78:40 / Punkrock / pansydivison.com
Michael Streitberger

Roimungstrupp – Anders! CD

Sunny Bastards

Mir zu plakativ und musikalisch zu banal. Ich denk daran, wie wütend man mit 15 war und eben nicht „Anders“. Die Zeit, in der man seine Ansichten nur platt rüberbringen kann, weil man zwar weiß, dass etwas faul ist im Staate Deutschland, es aber nur schafft, sich Extremen zuzuordnen. Und Systeme, in die man sich einmal eingeklinkt hat, bis aufs Blut und ins Detail verteidigt, ohne sich immer wieder selbst zu hinterfragen. Gleich sein in der Gruppe. Brachial und grenzwertig. Schlagersänger verarschen, meine Herrn, wie spaßig. Aggro-(Drauf-)Schlager, egal aus welcher Ecke, sind auch nicht das gelbe vom Ei, find ich. Und dass der Junge mit dem Haareabschneiden und Stiefeltragen zum Mann wird, ist ebenso Krampf von der Sorte moderne Märchen, leider ohne ironischen Einschlag, unglücklich erzählt noch dazu. Fällt mir weiter nix zu ein, Polit-Attitüde hin oder her.
Bewertung: 1 von 10 Sternen / 41:26/ Streetcore / sunnybastards.de
Verena Bäumler

Rookie Jam - ...sucks! CD

Libson Entertainment / Eigenvertrieb

Zur groben Orientierung: Hängen geblieben sind Rookie Jam auf irgendeinem Mitt-Neunziger Funpunk-Melodycore-Film, der allerdings auch für Leute wie mich noch gelegentlich seinen Reiz hat. Die Tatsache, dass die sechs Herren meinen persönlichen Lieblingen von der Axel Schultz Fight Night bei einem lokalen Bandcontest dank mitreißender Show gefährlich nahe gekommen sind, weckte mein Interesse an diesem Debüt zusätzlich. Die musikalischen Einflüsse sind jedenfalls ganz klar: "Tex mex chameleon" beispielsweise ist klassische NOFX-Kost, ohne dabei aber je gegen deren besonderen Witz anstinken zu können. Dann wieder sorgen Ska-Hoppeleine a lá frühe Millencolin und rockiger Core-Stoff a lá Venerea für Kurzweile. Das ganze passiert ganz klassisch binnen einer guten halben Stunde, ist manchmal etwas zu gewollt auf witzig getrimmt, überzeugt letzten endes aber dann doch. Warum? "... sucks" macht dank mitreißender Refrains gewaltig Spaß, ist für ein Debüt einer Band im Demostatus fein produziert und wirkliche Durchhänger sind auf den elf Songs die absolute Ausnahme. Stattdessen gefallen die Stimmen der beiden Sänger und das Gespür für zündende Hooklines. Am Ende des Tages bleiben Rookie Jam so zumindest das beste, was Franken seit Rank Miasm für diese Musikrichtung passiert ist.
Bewertung: 6 von 10 Sternen / 31:33 / Punkrock / rookiejam.de
Michael Streitberger

Sirens - Calling MCD

Let It Burn Records

Das von mir nicht sonderlich geliebte Mini-CD-Format kann richtig Spaß machen, wenn die Umstände stimmen. Und das tun sie im Falle Sirens sowohl äußerlich als auch innerlich. Ganz abgesehen davon, dass old school Hardcore mit EP-Spielzeit oftmals mehr begeistern kann, als wenn das ganze künstlich in die Länge gezogen wird. "Calling" jedenfalls kommt in einem Digipak samt Booklet und wurde von Leuten eingespielt, die sich bereits in Bands wie Bleed Into One, Teamkiller und No Lesson Learned erste Sporen verdienten. Die sechs Songs bringen es auf 15 Minuten Spielzeit und decken darin das Spektrum von Formationen wie den frühen Reach The Sky über Klassiker Marke Unity ab. Melodische Hooks und energetisches Songwriting sorgen dabei für enorme Kurzweile, genau wie die gelegentlichen Mid-Tempo-Exkurse ("All beauty must die"). Der Vierer aus Wanne-Eickel besorgt es seinen Zuhörern zudem mit gehöriger Intensität. Let It Burn Records haben sich da jedenfalls ein sauberes Signing an Land gezogen, bei welchem ich auf den Debütlongplayer dann eben doch richtig gespannt bin... Ach so: Selbst wenn "Calling" ganz schön retro klingt - Mit den Detroiter Glam-Trash-Ladies gleichen Namens hat das hier natürlich gar nichts zu tun.
Bewertung: 6 von 10 Sternen / 15:14 / Hardcore / letitburnrecords.com
Michael Streitberger

Straight Corner - Bad Heroes CD

Horror Business Records

Okay, über die Namensgebung lässt sich streiten. Aber das war es dann auch schon fast, was man den Jungs von der „geraden Ecke“ aus Koblenz ankreiden kann. „Bad Heroes“ nennt sich der erste Longplayer der vier Jungens von Straight Corner, der mit erstaunlich ausgereiftem Sound und arschtretendem Melodic-Punk aufwarten kann. Und eins merkt man auch ganz deutlich: Dass Straight Corner vor gut sechs Jahren nämlich noch mit Hardcore-Attitüden gestartet sind, die sich glücklicherweise noch heute im Sound wieder finden. Sicher, in erster Linie schneller Punkrock mit Chorus-Lastigkeit und Backvocals - aber dennoch mit genügend Aggressivität um nicht in die Bedeutungslosigkeit des Highschool-Fun-Punkrocks abzugleiten. Die neun Tracks des Debütalbums schaffen den Zieleinlauf in weniger als 25 Minuten und überzeugen dabei durch ihre melodiöse Aggressivität, harte Gitarrenriffs und ausgefeilte Vocal-Parts. Stilsicher geht es auch bei den Lyrics zu: Gesellschaftskritik, Faschismus und Alltags-Idiotie. Insgesamt ist Straight Corner mit „Bad Heroes“ also ein mehr starkes Debüt gelungen, das für so manch überrascht-erfreute Gesichter in der deutschen Punkrock-Szene sorgen wird. Uneingeschränkt zu empfehlen - und das sicherlich trotz des unnötig stilmittelbeladenen Bandnamens.
Bewertung: 7 von 10 Sternen / 23:46 / Punkrock / straightcorner.de
Bastian Streitberger

Stuff, The – Pick it up, Pig Boy CD

Illwind Records

Eine Band, ein Image. Oder? Eine Vermarktungsstrategie ist ziemlich unerlässlich geworden, egal wie sie letzten Endes aussieht. Es gibt auch nichts, was es vom Prinzip her noch nie gab: Eine Selbstoffenbarung bis zum Blinddarmansatz a la blonde-chicks-deren-namen-diesen-platz-nicht-optisch-verhässlichen-sollen. Kryptische Symbolik, Namensänderungen oder chirurgische Eingriffe an Körper und Geist von Mensch und Musik. Es existiert auch die Mysterium-Strategie, die hier erwählt wurde. The Stuff kommen irgendwo aus Europa und tragen ganz wahrscheinlich auch Namen. Gesichter wohl auch, aber nicht zur Schau in der Öffentlichkeit. Da grinsen Rattenkopfmasken über Jeans und Turnschuhen mit unauffälliger Statur. Mich verleitet derlei Maskerade eher zum Gähnen, weil in der Musik einfach völlig egal IST, wer dahinter steckt. Man muss das nicht extra betonen mit Plastik, unter dem man fürchterlich schwitzt, der Tatsache, dass die guten Schulen umsonst waren und der Ausbruch aus dem Bürgertum so notwendig. Wichtiger: Blecherne Vintage-Vocals, schnarrende Gitarren tauschen Plätze mit düsterem Schlagzeug und tiefem Bass, nur, um sich im nächsten Stück wild zu paaren. Manches Mal höre ich Iggy Pop raus. Angenehm dezent unperfekt, die leichte Schnoddrigkeit macht The Stuffs wavigen Rock umso sympathischer. Meine Mutter schneit herein und findet, ich hätte ja endlich mal „a weng a flotte Musik“ am Start, was ausschließlich bedeuten kann, so was fand sie auch mal geil – oder so. Ein Ausflug durch viele Stilelemente und Jahrzehnte des Rock `n´ Roll also (´tschuldigung Mutti, für die Jahrzehnte). Ja, und doch rät man ein bisschen, aus wem sich The Stuff zusammensetzen. Abgehalfterte Rockstars? Die schwedische Königsfamilie? Wer auch immer managen es locker, Rock auf einer Platte vielgestaltiger zu machen, als ich ihn sonst kenne.
Bewertung: 6 von 10 Sternen / 33:24 / Rock / thestuffweb.com
Verena Bäumler

Think-Box DEMO

Dieses Demo hat ihre eigene Geschichte. Eines Morgens lag sie einfach so im Briefkasten, direkt aus Göteborg, ohne Umwege über ein deutsches Label, ohne einen Vertrieb oder eine Promotion Firma. Schade nur, dass auf dem selbstgebrannten Rohling von Think-Box nicht die drei angekündigten Songs vorhanden waren, sondern schlichtweg nichts. Nicht mal Stille. Nachgefragt bei der Band, wurde das Rätsel schnell aufgeklärt und so hieß es in der Antwort-Email: „We made a huge mistake!! We sent out 30 discs with nothing on them!!!! WE ARE STUPID.” Süß oder? Da hauen die mal ordentlich Rohlinge und Porto raus und vergessen dann die CDs zu bespielen. Auch eine Art Marketing-Idee, denn so bleiben sie nicht als irgendeine Band mit Demo in Erinnerung. In der zweiten Fassung heißt es dann: „Think-Box - die Band, die leere CD-Rohlinge als Promo verschickt. Ja, wir mögen es Geld wie Dreck zu behandeln.“ Spitzen-Aussage! Und nun zur Musik: Indierock trifft Postpunk und kommt durchaus tanzbar und etwas ausgeflippt daher. Nicht übermäßig eigenständig, aber zumindest passt der Gesamteindruck auch nicht in jede beliebige Schublade. Ein netter erster Eindruck, dem gerne mehr folgen darf. Viel mehr lässt sich nach den drei kurzen Hörproben einfach nicht sagen.
-- / 9:11 / Postpunk / think-box.org
Sebastian Gloser

Umphrey's McGee - Safety In Numbers CD

Inside Out / Spv

"Safety In Numbers" - Einen unpassenderen Titel konnte es für die Musik von Umphrey's McGee kaum geben. Suchen die Amis in ihrem Songwriting doch eben gerade nicht nach Sicherheit in statischen Zahlen bzw. Noten. Stattdessen vereint die sechs Herren aus Chicago seit jeher vielmehr ihre Improvisationsfreude. Die gipfelt zwar nicht immer in spektakulären, dafür überraschend zugänglichen bzw. eingängigen Stücken. Auf dem mittlerweile sechsten Album mehr denn je. Denn die Band mit dem ungünstigen Namen steuert ihren Jamrock neuerdings in deutlich straightere Sphären: Der Wiedererkennungswert unter den elf Songs ist enorm, manches scheint gar ein wenig zu einfach gestrickt. "Scheint", wohlgemerkt. Wären da nämlich nicht die feinen Nuancen in der Instrumentalarbeit, wo man hinter der manchmal etwas matten Fasade jede Menge brillante solistische Exkurse versteckt. Und das in einem Rahmen, der mit Rock, Pop, Folk, Songwriter (!) und Bluegrass ohnehin breit gefächert ausfällt. Wobei man die progressiven Elemente der Vergangenheit diesmal gekonnt zugunsten amerikanischer Rootsmusik (!!) zurücknimmt. Ein selbstbewusster Schritt, der sicher nicht überall auf Gegenliebe stoßen wird - den eigenwilligen Status von Umphrey's McGee jedoch noch untermauert. Ungewöhnlicher Anspieltipp ist der instrumentale, akustische Gitarrensong "End of the road".
Bewertung: 6 von 10 Sternen / 55:00 / Jamrock / umphreys.com
Michael Streitberger

Zoo Army – 507 CD

RNM / SPV

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Frontmann von Zoo Army ist der wohl weithin bekannte Gil Ofarim. Richtig. Die Hardliner unter den Rockern werden wohl jetzt nicht mehr weiterlesen. Wer aber bereits in dieser Zeile angekommen ist, der sollte sein aufmerksames Hardrock – Ohr vielleicht doch mal auf die Debutscheibe der Band Zoo Army um Gil Ofarim und dessen Bruder richten, hat sie doch gemeinhin sehr wenig mit gecastetem Teenie – Konservendosenpop zu tun. Und um ehrlich zu sein, einen gewissen rockenden Groove konnte man Gil´s Songs ja nicht abschreiben, soweit man das über die hiesigen Radiostationen verfolgen konnte. Hier auf „507“ scheint er und seine Band – Kollegen der jugendlichen Popzeit vollends entwachsen und so präsentieren sie richtig eingängigen, unverbrauchten Rock á la Pearl Jam bis Nickelback. „Change“ besticht durch tiefgestimmte, krachende Gitarren, „I´m alive“ erscheint mit radiotauglichem Refrain und individuellem Text. Mit „Feel“ und „Fading“ sind zwei sehr persönliche und ruhige Stücke vertreten, die etwas eher an vergangene Solozeiten erinnern und den entscheidenden Sofa – Kuschelfaktor mit sich führen. Aber so etwas braucht man ja auch auf so einer Scheibe. Im folgenden „Take me away“ wird man wieder aus der verträumten Stimmung herausgerissen, um im anschließenden „Never“ abermals etwas zur Ruhe zu kommen. Gerade die letzteren Stücke zeichnen sich durch wechselhafte Tempo- und Lautstärkepassagen aus, in denen mal krachende Riffs, mal rhythmische Bass – Akkorde im Vordergrund stehen. Betrachtet man Zoo Army im Ganzen und vergisst frühere Teeniepop – Zeiten, so stellt die Band eine reife Hardrockgruppe auf spielerisch hohem Niveau dar, die mit relativ einfach gestrickten Songs live sicher das Zeug hat kräftig zu rocken. Ob „507“ allerdings – wie angekündigt – ein Fluchtweg aus dem Schubladendenken des routinierten Musikbusiness ist, bleibt zu bezweifeln. Aber ein wenig Kommerz steckt ja heutzutage überall…
Bewertung: 5 von 10 Sternen / 56:00 / Rock / zooarmy.de
Uwe Wollein


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