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MISC - sellfish.de Beifang 03/06 | 02

Miscellaneaus: Genrekram*EP*Vinyl*MCD*Sampler*Demos*Soundtrack

Eine neue Heimat bei sellfish.de: Für Sachen, die normalerweise unterzugehen drohen. Oft verdient und von manchen verachtet lassen sich in dieser Rubrik immer wieder auch echte kleine Perlen entdecken...

A Hundred Times Beloved – Same CD-EP

Alison – Records

Mit dezenten Tönen beginnt der erste Track „The last habit grew on them“ und erinnert von seiner Art her an stilistische Bereiche, die von Bands wie Sigúr Ros oder Mogwai geschaffen werden. Die einzige Person, die hinter A hundred times beloved steht, ist Felix Neumann, der für seine 21 Jahre doch recht entwickelt scheint, was Kompositionen, Instrumente und die restliche Umsetzung betrifft; macht er doch bis einschließlich des Artworks alles selbst. Und so erschafft er in den vier Stücken der EP seines Soloprojekts eine verträumt, harmonische Atmosphäre, die mal mit entrücktem Gesang, mal mit Shoegazer – Gitarre bis hin zu leisem, experimentellem Post – Rock aufwartet. „Melting sun, burning down“ ist vielleicht das beste Beispiel, um die eben beschriebene Klangwelt in ihrer Gesamtheit zu erklären – allerdings ohne den Gesang, denn dieses Lied ist, ebenso wie „Sheet lightning“ rein instrumental. Ob allerdings die große Masse darauf aufmerksam wird, ist die Frage – zum Nebenbeihören, während man nervös im Wartezimmer auf die Arzthelferin wartet aber allemal angenehm.
Bewertung: 4 von 10 Sternen / 17:14 / Indie / ahundretimesbeloved.de
Uwe Wollein

Astral Doors - Astralism CD

Locomotive Music

Viel ist nicht passiert bei den Astral Doors, seitdem sich die junge schwedische Formation mit den beiden in Rock-Kreisen hoch gehandelten Vorgängern in die Liga von Dio und Black Sabbath katapultiert hatte. Vor allem im Detail muss wohl gar nicht erst gesucht werden, so basal und minimalistisch wie "Astralism" kling. Im Zentrum stehen einmal mehr die Ausnahmevocals von Patrik Johansson, der nach den Expeditionen mit Space Odyssee und Wuthering Heights seine bisher ausgereifteste Gesangsleistung vorlegt. Die charismatische Stimme markiert jedenfalls wieder das I-Tüpfelchen auf den 13 Songs, welche sich nach einem etwas schwachen Start mit dem großartigen, siebenminütigen Finale "Apocalypse revealed" stetig auf ihren Höhepunkt zubewegen. Das Fundament dazu liefern simple Riffs plus Organ-Sounds zwischen Hardrock und Heavy Metal, die auf Anhieb zünden und von Drummer Johan Lindstedt ordentlich Druck bekommen. Eine einfache Rezeptur zwar, aber mehr braucht es heute wohl auch nicht, um ein klasse Genrealbum vorzulegen. 2006 drücken die Astrals Doors auf ihrem dritten Longplayer jedoch nach wie vor nicht nur auf's Gaspedal, sondern gefallen insbesondere mit ihren groovigen Midtempo-Nummern. Textlich erübrigen sich Titel wie "From satan with love" zwar von selbst - Doch sonst ist das hier klassischer Heavy Metal wie er sein sollte. Böse Zungen könnten sagen: Hausmannskost. Das Sextett klingt dabei charmant altbacken, ohne die allzu argen Klischees auszubuddeln. Zusammen mit Hellfueled bleiben Astral Doors dank "Astralism" die legitimen Skandinavien-Erben von Sabbath, Deep Purple und Konsorten.
Bewertung: 7 von 10 Sternen / 54:58 / Metal / locomotivemusic.com
Michael Streitberger

Cannibal Corpse - Kill CD

Metal Blade / Spv

Stagnation auf hohem Niveau - So könnte man die aktuelle Bestandsaufnahme der Knüppel-Altväter Cannibal Corpse auf den Punkt bringen. Nach ihrer "15 Year Killing Spree"-Selbsthuldigung markiert "Kill", der - puh - x-te reguläre Studiolongplayer, den gegenwärtigen State-of-the-Art. Selbiger ist eigentlich wie gehabt: Technisch höchst ausgefeilter Deathmetal mit einem gehörigen Maß an Killerriffs, welche den 13 ultrabrutalen Songs einen gehörigen Wiedererkennungswert verpassen. Zwar braucht es einige Zeit, um die teils verfrickelten, breakdurchsetzten und mit kuriosen Soli versehenen Songs zu durchschauen, dann aber kann man den Kannibalen zu ihrem neuerlichen Meisterstück nur gratulieren. Schließlich gehören die Amis zu den - in diesem Genre raren - Bands, die mit zunehmendem Alter tatsächlich immer wertvoller werden. Wer's nicht glaubt, hört Tracks wie das unglaublich gewiefte "The Disciple of Revenge". Fazit: Exzellent produziert von ex-Morbid Angel bzw. Hate Eternal-Instrumentalzauberer Eric Rutan beweisen Cannibal Corpse einmal mehr, dass sie (trotz oder wegen ihres Alters) niemandem mehr den Status in der Szene beweisen müssen. Diese Band spielt längst in ihrer eigenen Liga.
Bewertung: 7 von 10 Sternen / 42:19 / Deathmetal / metalblade.de
Michael Streitberger

Division Kent - Monsterproof CD

Epic Records / SonyBMG

Synthetische Popmusik bewegt sich oft auf dem schmalen Grat zwischen Kitsch und, bei entsprechend niveauvoller Programmierung, Anspruch. Division Kent kennen beide Seiten: Zwischen Moby, New Order und etwas Schwulst a lá Covenant ist auf ihrem Debüt alles möglich. Hinter dem Namen verbirgt sich ein Duo: Produzent Sky Antinori (ehemals Swandive) und Sängerin Andrea B. Gemeinsam arbeitet man an gefällige Elektrosounds: Mal poppig, mal New Wave-infiziert, mal im Stile renommierter Elektroclash-Verfechter (allen voran im deutsch gesungenen Nichts-Cover "Tango 2000"). Das ganze zwar unspektakulär, aber unterhaltsam. Im Falle straighter Dance-Nummern wie "All you fantasized" beinahe schon etwas zu eingängig. Doch "Monsterproof" überzeug am ehesten, wenn die Protagonisten nicht "in-your-face" steuern, sondern ihr Potential in subtilere Kompositionen fließen lassen (z. B. in "Chemical Moon Baby - Plein Sud" oder dem sechsminütigen "Brooklyn Dub"). Was zum Glück in etwa der Hälfte der zwölf Songs der Fall ist. Wem die Single "Faraday cage" zusagte, der macht mit dem Album jedenfalls sicher nichts falsch. Zumal mit dem finalen Elektro-Punk-Ska-Hit "Bordello Affair" ein feines Highlight zum Ende steht. Interessant dürfte es auch werden, wenn den Tracks auf der Bühne - von aller Software entblättert - durch eine fünfköpfige Band Leben eingehaucht werden...
Bewertung: 6 von 10 Sternen / 48:58 / Synthiepop / division-kent.com
Michael Streitberger

Haemorrhage - Apology For Pathology CD

Morbid Records / Soulfood

Na, was sagt denn da blos die Chirurgie dazu? Um die von Haemorrhage besungenen, breits müffelnden Kadaver kreisen nämlich fette Fliegen und auch sonst klingt die Musik des Fünfers reichlich unsteril. Was ihnen in ihrer über fünfzehnjährigen Karriere, wie sich das gehört, schon ordentlich Verrisse von der Musikpresse eingebracht hat. Dabei klingt man gar nicht so verheerend, wie viele andere monoton vor sich hin rülpsenden Genrekollegen. Die Spanier kloppen ihren "Pathological Grind" heute nämlich gerne auch mal im Midtempo, was bei den 14 Songs für prima Abwechslung sorgt und zudem so manches groovende Riff mit Wiedererkennungswert ausmachen lässt ("Surgical extravaganza" erinnert glatt an Six Feet Under). Zudem kommt Album Nummer sechs oberfett und amtlich produziert daher. Weshalb ihr Splattercore auch im Jahre 18 nach Carcass' "Reek of Putrefaction" noch recht gut funktioniert. Vorausgesetzt, man schafft es seine Gehirnzellen abzuschalten und den blutbesabberten Lärm auf "Apology For Pathology" als Kunstform zu betrachten. Dann nämlich wird das ganze zum - ja! - Heidenspaß. Von dem sich trotzdem all jene fernhalten sollten, die bei Songtiteln wie "Frenzied genital corbonization" oder "Intravenous molestation of the obstuctionist arteries (O-pus V)" besorgt die Stirn runzeln.
Bewertung: 6 von 10 Sternen / 33:00 / Grindcore / morbidrecords.de
morbidrecords.de

NOFX - Never Trust A Hippy CD-EP

Fatwreck

Ist es nicht wunderbar echte Feindbilder zu haben? Nahezu inspirativ scheint das zu wirken - das demonstrieren zumindest NOFX mit ihrer neuen EP, die als Vorhut zu ihrem nächsten regulären Studioalbum „Wolves In Wolves' Clothing“ erscheint. War es vor zwei Jahren noch George W. Bush („War On Errorism“), geben die fünf Gottväter des Spaß-Punkrocks-mit-unterschwellig-lustiger-Aussage in einem erneuten Rundschlag ihren Senf auch zur Gretchenfrage. Oder hassen sie einfach nur Hippies? Oder will uns Fat Mike jenseits jeglicher Aussage einfach nur wissen lassen, dass der Vater aller Hippies der Typ namens Jesus war? Oder...? Wie auch immer: Auf der mit „Never Trust A Hippy“ dementsprechend aussagekräftig titulierten EP finden sich als Appetizer zwei Songs, die bereits vom neuen Album stammen (Release: 17.04.2006). Dazu gibt es vier weitere bisher unveröffentlichte Non-Album-Tracks, die einmal mehr NOFX als d i e Institution in Sachen "sophisticated Punkrock" unter Beweis stellen. Spaßige Lyrics, hinterhältig-albern und mit der ernsten Absicht, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten und sich dabei selbst nicht allzu ernst zu nehmen. So kennen und lieben wir NOFX, die aber auch immer wieder überraschen können: Zum Beispiel mit dem fast schon akustisch gehaltenen „You´re Wrong“. Insgesamt also sechs neue Tracks, die Spaß machen und die Wartezeit bis zum x-ten Studioalbum der fünf Punkrock-Messias versüßen dürften.
Bewertung: 7 von 10 Sternen / 13:10 / Punkrock / nofx.org
Bastian Streitberger

I Love You But I've Chosen Darkness - Fear Is On Our Side CD

Secretly Canadian / Cargo

"I think about how I miss you" singen I Love You But I've Chosen Darkness schon im Opener ihres Debütalbums. Da stecken offenbar ziemlich viele Emotionen nicht nur im Bandnamen, sondern auch in Plattentitel oder eben den Lyrics. Vor allem angesichts der Tatsache, dass die Fünf aus Austin, Texas, reichlich unterkühlte, beinahe distanzierte Musik spielen. ILYBICD picken sich für ihre Indiepop-Variation nämlich ein paar Zutaten aus Postrock und Wave heraus, ohne sich allzu eindeutig auf einen Stil festzulegen. Vielleicht liegt es aber auch an der Produktion von Ministrys Paul Barker, der "Fear Is On Our Side" ein etwas nüchternes aber durchaus stimmiges Soundgerüst baute. Auf diesem setzen dann hauptsächlich die Gitarren Akzente: Beinahe lärmig verpassen sich dem Album einen eigentümlichen Schliff. Dazu kommen seltsam unscheinbare Vocals, die in Tracks wie "At last lasts all" beinahe etwas hilflos wirken. So wie ich es nach diesen 50 Minuten auch irgendwie bin. Zu vielen interessanten, teils auch instrumentalen Passagen fügen sich nämlich leider auch einige gänzlich belanglose Songs; darunter das auf zynische Weise gesichtslose "We chose faces". So entsteht Musik, die zwar so minimalistisch und stilvoll wie das Artwork ist, dabei jedoch leider weder so einprägsam noch markant herüber kommt.
Bewertung: 5 von 10 Sternen / 51:40 / Independent / secretlycanadian.com
Michael Streitberger

Parry, Ian – Visions CD

Frontiers

„Was lange währt, wird endlich gut” – lautet ein Sprichwort. So auch die Hoffnung von Ian Parry und seinen Mitstreitern. Zwei lange Jahre dauerte die Arbeit an seinem aktuellen Soloalbum „Visions“, das vierte in seiner lang dauernden Karriere. Um alles perfekt zu machen, wurden einige Gastmusiker eingeladen, unter anderem von Bands wie Vanden Plas und Within Temptation. Somit ist der Weg klar: „Visions“ soll ein Album darstellen mit zwei Eckpfeilern, nämlich den des Progressive Rock und den des Symphonic Metal. Genau dazwischen bewegen sich die einzelnen Stücke, die hervorragend eingespielt erscheinen. Getragen von eingängigen, vielleicht etwas kommerziellen Melodien, thront über allem der beherrschende Gesang von Ian Parry, oftmals mit einer weiblichen Gaststimme gepaart, so zum Beispiel in „Innocent minds“. In „The angels“ erscheint die ganze Leidenschaft Parrys, die bereits seit zwei Dekaden währt und auch im neuen Werk nicht kleiner geworden zu sein scheint. Kraft und Energie, gepaart mit Chören, rockenden Gitarren und aussagekräftigen Songs, die vor allem zum Ende hin immer mehr an Klasse gewinnen und in dem rockenden Titeltrack gipfeln, führen das Album letzten Endes zu seinem Ziel und – so hofft auch Parry – direkt in die Herzen der Fans. Potential dazu hat es und beweist ein weiteres mal, dass der Hardrock im Jahr 2006 unverbrauchter denn je klingen kann – siehe auch „Slip away“ – Geheimtipp auf der Scheibe.
Bewertung: 6 von 10 Sternen / 41:10 / Symphonic Metal / ianparry.com
Uwe Wollein

Why? - Rubber Traits EP

Anticon / Southern

Nachdem Why? mit einem famosen EP- bzw. Album-Doppelschlag im letzten Jahr von der Indiepresse zu recht ordentlich abgefeiert wurden, folgt nun das Dessert in Form einer 4-Track Single. Los geht es mit dem herrlich verqueren "Rubber Trails". Richtig, dem Song mit den "Dum-di-di-ding-ding-bum"-Backingvocals, der schon von "Elephant Eyelash" bekannt ist. Dazu kommen drei neue, unveröffentlichte Tracks. Wobei "Dumb hummer" in ähnlich schräger Tradition wie der Titelsong steht, sich auf Umwegen im Gehörgang einnistet und dort auch nicht mehr so schnell 'raus will. Die beiden anderen Tracks kommen deutlich ruhiger, dunkler und zeigen eine interessante andere Facette von Protagonist Yoni Wolf: Mit Keyboards, Soundeffekten und gesprochenen Vocals bleiben die Songs spartanische, ungewohnt direkte Skizzen, die neugierig auf mehr machen. Im Enhanced-Part des Albums findet sich zudem ein im Copy-And-Paste-Stil der Artworks gehaltener Videoclip. Im Single-Packaging inklusive gibt es außerdem noch alle Texte... Eine vorbildliche Sache zu einem korrekten Preis.
Bewertung: 7 von 10 Sternen / 10:48 / Indiepop / anticon.com
Michael Streitberger

Smoking Popes - At Metro DVD/CD

Victory / Soulfood

Nach siebenjähriger Bühnenabstinenz geben sich die alten Herren des Indie- bzw. Punkrocks noch einmal die Ehre. Und erst jetzt fällt mir auf, wie sehr die Smoking Popes ihrerzeit den Grundstein für eine Szene namens Emorock legen sollten - welche heute bekanntermaßen den kommerziellen Höhepunkt knapp hinter sich weiß. Nun, davon bekamen die Smoking Popes zu ihren aktiven Zeiten nicht recht viel mit. Sie spielten einfach ihre Pop-infizierten Hymnen über gebrochene Herzen. Genau das tun sie seit letztem Jahr wieder. Bei der hier aufgezeichneten Reunion-Vorstellung müssen sich die Beteiligten sogar noch (auf durchaus sympathische Weise) ziemlich auf ihre Instrumente konzenterieren. Ansagen sind ebenfalls Mangelware. Dafür überzeugen Bandklassiker wie "Paula", "Need you around" oder "Pretty pathetic" heute nicht weniger als Anfang der Neunziger. Zumal man recht deutlich hört, wie hier Spuren bei - neben vielen anderen - Alkaline Trio hinterlassen wurden. Was deren Sänger Matt Skiba auch freimütig zugibt. Die besagte, sehr professionell gefilmte Show wurde bei einem Charity-Festivals vor euphorischem Publikum aufgeführt. Zwar gibt es auf der DVD neben der (im Gegensatz zur CD noch um einige Zugaben ergänzten) Show keinerlei Bonusmaterial. Angesichts des fairen Preises dieses Packages kann man darüber aber gnädig hinwegsehen. Und sich vor allem freuen, dass - gerade durch das neue Plattenlabel der Popes - die gar nicht mal so bekannten Urväter eines Genres mit 23 ihrer besten Songs zu neuen Ehren kommen.
-- / ca. 75 min. (DVD) / 60 min. (CD) / Indiepop / smokingpopes.net
Michael Streitberger


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