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MISC - sellfish.de Beifang 06/06 | 01

Miscellaneaus: Genrekram*EP*Vinyl*MCD*Sampler*Demos*Soundtrack

Eine neue Heimat bei sellfish.de: Für Sachen, die normalerweise unterzugehen drohen. Oft verdient und von manchen verachtet lassen sich in dieser Rubrik immer wieder auch echte kleine Perlen entdecken...

Aurelia - Our Love Is War CD-EP

Mathildas

Aurelia sind angetreten, um Musik für Herz und Beine zu machen. Das ist nicht neu, soll es aber auch gar nicht sein und ist deshalb aller Ehren wert, vor allem wenn die die EP „Our Love Is War“ gleich mal mit einigen Spitzennummern um die Ecke kommt. Aurelia stammen nicht aus Boston, nicht aus L.A., sondern aus Bielefeld und könnten trotzdem in der Liga der ganz Großen mitspielen. Soundtechnisch kann man die fünfköpfige Band, die sich 2002 gegründet hat, weitestgehend in die Emo-Schublade stecken - aber da ist mehr: hier ein Klavier, da eine kurze Metalcore-Passage, hier ein paar Riffs für’s Stadion und das ganze eingebettet in temporeichen Emocore, der nicht weinerlich, sondern temperamentvoll daherkommt. Wenig Geschrei, vielmehr Gesang und deswegen eigentlich auch genau vorbei an aktuellen Emo-Sternchen, wie zum Beispiel Taking Back Sunday. Man merkt Aurelia an, dass sie nicht irgendwelchen Trends hinterherjagen und dennoch nicht versuchen das Rad neu zu erfinden. Aurelia funktionieren vor allem erst mal mit Bauch und Beinen und das gefällt und funktioniert zuweilen doch ganz gut. „Silhouettes Of Shipwrecks And Doublegraves” beginnt mit ein paar kantigen Riffs und einem Metalschlagzeug, bis plötzlich nach kurzer Zeit eine Klaviermelodie hereinbricht und solche Wendungen und Überraschungsmomente gibt es auf “Our Love Is war” immer wieder zu entdecken, „Nevertheless You Should Belive In These Footprints In The Sand“ ist dafür ein all zu gutes Beispiel. Nachdem man vom Songwriting und von der Produktion schon voll auf der Höhe ist, geht es jetzt eigentlich nur noch darum das Profil zu schärfen, etwas eigenständiger und noch einen Funken mitreißender zu werden.
Bewertung: 6 von 10 Sternen / 27:46 / Emocore / mathildas.net
Sebastian Gloser

Confession, The - What About The Kids? CD

MSM 1279 Records / Broken Silence

Nachdem sich die Bombshell Rocks Stück für Stück in die Belanglosigkeit verabschieden, wird es nun wohl endgültig Zeit für potenten Nachwuchs an der Streetpunk-Front. Der muss natürlich aus Schweden kommen und könnte eigentlich schon gefunden sein. Das Baby hört in diesem Fall auf den schönen Namen The Confession. Und auch wenn die Vier Eigenständigkeit sicherlich nicht als Oberstes auf ihre Fahnen schreiben dürfen: "What About The Kids?" rockt dermaßen straight und eingängig aus den Boxen, dass man sich den zehn Songs ihres MSM.1279-Debüts einfach nicht entziehen kann. Die dauern übrigens gerade einmal 18 Minuten, sind wunderbar roh produziert und mit "Turn it up" hat man zumindest schon einen echten kleinen Klassiker geschrieben. Doch weil nicht nur Sänger Adam Nilsson ans Mirko darf, sondern auch der Rest, entstehen noch ganze neun weitere gröhlkompatible Hymnen. Darunter das wunderbar leidenschaftliche "I saw where it took me" und der programmatische Opener "Us against them". Dass man während "What About The Kids?" durchgehend richtig schön auf's Gaspedal tritt, sorgt schließlich neben den sonnengereiften Melodien (...wie sie das im Norden immer hinbekommen, bleibt mir ein Rätsel) für das Tüpfelchen auf dem i. Also bitte: Bevor ihr Rancid Rip-Offs wie Time Again oder ähnliches unterstützt, wendet euch vertrauensvoll an The Confession. Einziges Manko bleibt wohl, dass die Scheibe mit nur zehn Songs entsprechend kurz ausfällt. Dafür bekommt ihr die CD über das Label auch für einen fairen Zehner. Lohnt sich definitiv!
Bewertung: 8 von 10 Sternen / 18:11 / Streetpunk / msm1279.com
Michael Streitberger

Das Oath - same CD-EP

DimMak / Cargo

Das Oath rekrutieren sich zur einen Hälfte aus Niederländern, zur anderen aus New Yorkern und haben sich mit intensiven Shows schon Sonderstatus im Hardcore-Untergrund erspielt. Nun präsentieren die Vier nach ihrem 15-Song Debüt Nachschlag in Form einer EP, die - abgesehen vom letzten Song - keinerlei Pause zum Durchatmen lässt. Für ungeübte Ohren mögen die neun Tracks der abermals selbstbetitelten Veröffentlichung deshalb nicht mehr als purer Lärm sein. Die hyperenergetische Scheibe bietet dabei aber einiges an Referenzen an die Frühphase des heftigen Punkrock, Crust- bzw. Hardcore. Auf den ersten Blick straight geknüppelt, bei genauerem (schmerzhaftem) Hinhören jedoch durchaus versponnen und in seiner Konsequenz immer überzeugend werden Erinnerungen an Helden wie Void, Germs oder die jüngere Generation a la The Locust reanimiert. Vom Opener "You will never never know me" bis zum finalen Zehnminüter "Mouldering" (totale Stille, siehe oben) dauert es gerade einmal zwanzig Minuten. Der DC-artige Hardcore geht zwischenzeitlich nahtlos in experimentellere Gefilde über, was abermals Namen wie Void oder sogar Siege ins Spiel bringen lässt. Fazit: Auch wenn Das Oath seine Opfer ziemlich platt hinterlässt und ich bis zum nächsten Hördurchgang sicher noch eine längere Verdauungspause brauche: Das Konzept, für welches auch das interessante Artwork relevant ist, funktioniert hervorragend. Eine verdammt abgedrehte Sensation!
Bewertung: 8 von 10 Sternen / 20:00 / Hardcore / dasoathdasoath.com
Michael Streitberger

Dear Henry Bliss - Long Way Round CD

Eigenvertrieb

Dear Henry Bliss kommen aus München. Drei Jungs, eine Sängerin. Bleiben wir mal bei den Fakten. Früher hießen sie einfach nur Bliss. Mit dem Namen waren sie jedoch nicht allein. Also wurde er einfach ein wenig aufgemotzt. Das macht man im Süden gern. Klappte schließlich auch schon bei (Sportfreunde) Stiller und Nova (International). Was hier ein wenig berechnend rüberkommt, ist sicherlich das genaue Gegenteil. Was soll man auch tun, wenn deine Indiepopband heißt, wie viele andere auch. Der Promozettel sagt: “Natürlich machen sie IHR Ding, endlich mal wieder ein eigenständiges Band-Klangbild. Und Nein, Sie singt nicht deutsch.“ Ein Diss, den das Quartett gar nicht nötig hätte. So bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Reaktanz, wie man sie von der Indiegemeinde gewohnt ist. Dear Henry Bliss haben vor ihrem Debütalbum bereits eine Live-CD, eine 5-Track-EP und eine 3-Track-Single veröffentlicht. Nun also das Debüt. Und es ist gelungen. Ein angenehmes Popalbum ist draus geworden. Eines, das man problemlos im Formatradio spielen könnte, und das trotzdem das Zeug hat, all jene zu begeistern, die König Britpop bevorzugen. UND: sich nicht von einer starken Stimme abschrecken lassen. Hannah Stadlers Organ passt wirklich hervorragend ins Gesamtbild. Nur manchmal, da ist es eben ein wenig zu viel. Spätestens bei der nächsten Oasis-Gitarre ist der Gedanke jedoch wieder verflogen. Die Stärken der Münchner liegen im kraftvollen Powerpop. Wenn sich gegen Schluss die balladesken Stücke häufen, geht viel verloren. Doch davor, wenn sie den flotteren Belle & Sebastian oder gar Jet huldigen, dann macht „Long Way Round“ richtig Spaß. Leider nicht immer, aber fast immer. Für ein Debüt auf jeden Fall erstaunlich stimmig, erstaunlich viele Ohrwürmer und erstaunlich gut produziert. Kein Wunder, denn die Finger an den Reglern gehörten u.a. Alaska Winter (Anajo).
Bewertung: 6 von 10 Sternen / 40:44 / Indie-Pop / dearhenrybliss.com
Sebastian Zapf

Farmer's Boulevard - Red Carpet CD/LP

PCS Records / Vinyl Junkies / SM Musik

"Raise your fist for the revolution but don't forget to smile" fordern Farmer's Boulevard auf ihrer Homepage. Das dürfte mit dem neuen Album der Leipziger auch ganz gut funktionieren. Schließlich rockt man voll motiviert in Hochgeschwindigkeit und immer leicht metallisch durch die elf Songs. Dabei ist "Red Carpet" weder "old" noch "new school" und hat auch mit der ganzen Metalcore-Szene nichts am Hut. Irgendwo habe ich einmal etwas von einem Strife-Vergleich gehört und das beschreibt den recht eigenständigen Sound vielleicht am ehesten. Im neunten Jahr ihres Bestehens gehören Farmer's Boulevard jedenfalls nicht nur zu den dienstältesten Hardcore-Bands des Landes, sie sind auch nach wie vor komplett dem Untergrund verpflichtet und eng mit Bands wie Adjugdement oder den Bubonix verbandelt. Was mir persönlich an diesem Album nicht so zusagt, sind jedoch die arg keifenden Vocals, die das Material etwas gleichförmig wirken lassen. Dafür kommen die Texte mit politischen Engagement und ohne szenetypische Platitüden aus: Farmers Boulevard haben verstanden, worum es im Hardcore geht und genau dank Bands wie diesen kann ich mich mit der sogenannten, ähem, Szene eben doch noch identifizieren. Hört euch das finale "Hardcore is fucking dead" an und gebt diesen sympathischen Jungs eine Chance. "Red Carpet" kommt übrigens im schicken Digipak mit fettem Booklet.
Bewertung: 7 von 10 Sternen / 42:29 / Hardcore / farmers-boulevard.de
Michael Streitberger

Hard-Ons, The - Most People Are A Waste Of Time CD

Bad Taste Records / Soulfood

Die Hard-Ons sind seit mittlerweile 20 Jahren im Geschäft und konnten mit großartigen Alben wie "Dickcheese" (damals auf dem kultigen Taaang-Label) sogar ein paar Genreklassiker für sich verbuchen. Nach einer EP kehrte man 2003 mit dem Album "Very Exciting" nach längerer Pause und mit leicht korrigiertem Sound zurück in die Öffentlichkeit. Auf der neuen Scheibe sind die in der Vergangenheit ohnehin stark reduzierten Metal- und Hardcore-Einflüsse früherer Alben endgültig kaum mehr auszumachen. Denn bei "Most People Are A Waste Of Time " regiert beinahe ausschließlich der zurückgelehnte Punkrock. Und denkt man beim Opener "What would Stiv Bators do" mit seinen im Grandaddy-Stil gehauchten Vocals noch, es handele sich hier um eine Ausnahme... Nein! Auf ihre alten Tage haben die Hard-Ons ihren Sound nämlich noch einmal generalüberholt. Man könnte fast meinen, das Trio wäre mit dem Alter einfach zahm geworden. Damit würde man dem neuen Material aber unrecht tun. Denn auf der Suche nach eingängigen PowerPop-Hymnen geht man mittlerweile einfach keine Kompromisse mehr ein. Und so finden sich unter den neuen Stücken mehr Perlen, als die Band in den letzten Jahren vorher auf Band gebracht hatte. Damit ändert sich sogar meine bisherige Einstellung, dass die Hard-Ons immer dann am stärksten sind, wenn sie etwas deftiger zu Werke gehen. Nein, heute funktionieren sie als Pop-Band besser denn je. Mit der Einschränkung, dass die Brillanz der Anfangstage als Vergleich ausscheidet. "Most People Are A Waste Of Time" jedenfalls ist eine waschechte Überraschung geworden - Was man auch daran merkt, dass die Hard-Ons für dieses gute Dutzend Songs tatsächlich eine ganze dreiviertel Stunde Zeit benötigen.
Bewertung: 6 von 10 Sternen / 43:57 / PowerPop / badtasterecords.se
Michael Streitberger

Mono - You Are There CD

Temporary / Cargo Records

Mogwai, Ostinato, Godspeed You Black Emperor... Alles ohne Frage hervorragende Bands. Doch es strömen immer wieder neue Varianten dieser vermeintlich einzigartigen Musik ans Tageslicht. Zum Beispiel Mono, die eigentlich gar nicht so neu sind, sondern mit "You Are There" bereits ihr viertes Album vorlegen; welches bei uns schlicht erstmals problemlos zu bekommen ist. Worin unterscheiden sich Mono nun von all diesen Formationen? Nun, zum einen erstmal in gar nicht so vielen Punkten. Denn sieht man von der Tatsache ab, dass die Herren Japaner sind, liegen die besonderen Momente eher in den Details. "You Are There" klingt nicht ganz so elegisch wie viele Kollegen. Songs wie "A heart has asked for the pleasure" verhallt beispielsweise beinahe ungehört. Dem gegenüber stehen Lärmwände und vertrackte Songstrukturen, welche aber gar nicht aus dem Rahmen fallen - werden sie doch so perfekt in den Songfluss und die flirrenden Melodiebögen integriert, dass jeder einzelne Moment Sinn macht. Und natürlich erklingt die Musik von Mono im raumfüllenden Stereosound, der übrigens von niemand geringerem als Produzentenlegende Steve Albini kreiert wurde.Doch vor allen Dingen - und genau hieran erkennt man die Besten dieses Faches: Die fehlenden Vocals werden nicht vermisst. Also: Wer mit dieser Art von Musik frisch anbandeln will, der liegt hier genau richtig... und darf gerne Höchstpunktzahl vergeben. Weil selbiges in diesem Gerne aufgrund seiner Eigenwilligkeit aber ohnehin immer so verlockend ist, werde ich mich vor einer Bewertung diesmal drücken. Vielleicht bringt es in diesem Fall tatsächlich das Promoinfo am besten auf den Punkt: "Mono are not heavy like Black Sabbath - they're heavy like Beethoven."
-- / 60:03 / Postrock / temporaryresidence.com
Michael Streitberger

Others, The AKA 22PP - Monochrome Set CD

Bone Voyage / BB Island

Aus dem Grand Prix Gewinnerland Finnland stammt mit 22-Pistepirkko eine Rockband, die seit fast einem viertel Jahrhundert Popsongs verschiedenster Facetten spielt. Eben diese Band, welche sich zunehmend gleichermaßen elektronischen Spielereien als auch den Gründerjahren des Blues widmete, brachte schließlich - es dürfte etwa eine Dekade her sein - ein Nebenprojekt names The Others an den Start. Unter diesem Pseudonym spielen die Beteiligten seitdem keine Eigenkompositionen, sondern huldigen ihre Vorbilder in Form von Coverversionen. Mit "Monochrome Set" erscheint nun erstmals ein regulärer Longplayer der Others. Enthalten sind darauf unter anderem fünf schrullige Interpretationen von Link Wray Songs. Aber auch The Kinks, Buddy Holly oder die Everly Brothers ("Love hurts") kommen zu neuen Ehren und werden in den eigenwilligen Adaptionen dieses Trios teils recht skurril interpretiert. Das Ergebnis klingt wie ein Best Of der Rock'n'Roll Anfangstage, als diese Bewegung noch vom Soul dominiert und Surf-Sounds neu und aufregend waren. Eingespielt mit minimalstem Equipment und maximaler Motivation. Übrigens ging "Monochrome Set" vor einigen Wochen eine ebenfalls empfehlenswerte Split-EP (naheliegender Weise mit 22-Pistepirkko) via Bad Afro Records voraus, deren drei Tracks von The Others aber auch hier vertreten sind. P-K, Espe und Asko dürften mit vorliegenden 13 Songs ihren Status als authentische Retro-Reanimateure nachdrücklich untermauern.
-- / 34:51 / Rock'n'Roll / bbisland.de
Michael Streitberger

The Very Job Agency - s/t CD

GoKart Records - Soulfood Music

Das ist schön! The Very Job Agency bieten auf ihrem selbstbetitelten Debütalbum Punk ohne Stylegekaspere und Trendverfolgungswahn. Die zehn Songs der Jungs aus Braunschweig überzeugen dabei in erster Linie durch die ausdrucksstarken und einfallsreichen Vocals, die perfekt mit den druckvollen Tempo-Parts harmonieren. Insbesondere bei den deutschsprachigen Tracks klingt das Ganze manchmal arg nach Fehlfarben - aber das muss ja nichts schlechtes sein. Eben auch weil Aussage mit Anspruch konform geht und so die Grube einer Sommer-Gute-Laune-Punkrock-Scheibe erst gar nicht geschaufelt werden kann. Gesellschaft und Politik werden nicht ausgeklammert, aber dafür herzallerliebst verpackt, während man bei den Lyrics wie in „zuckergebäck“ nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Daumen hoch! Dazu bietet die gute halbe Stunde dann auch alles was das moderne Punkrock-Herz sich wünschen kann: Mal tanzbar, dann hinterfotzig, nachdenklich und schadenfroh zugleich. Wobei das Quartett mit Hauptsitz in Leipzig besonders bei den deutschsprachigen Songs gefällt, während die englischen Tracks eher dem allgemeinen Einheitsbrei („are you the dolf“) folgen. Inspirierter Punkrock aus Deutschland also, der auch ohne den Weltverbesserungsknüppel auskommt. Wahrscheinlich jetzt schon eine der besten deutschen Punk-Scheibe des Jahres. Mehr davon - gerne auch in live.
Bewertung: 8 von 10 Sternen / 36:18 / Punkrock / theveryjobagency.de
Bastian Streitberger

Totalt Jävla Mörker - same CD

Regain Records / Soulfood

Tatsächlich, da ist er wieder. Ein gewisser Tompa alias Tomas Lindberg, nimmersatter ex-At The Gates, ex-The Crown und ex-Was-Weiß-Ich-Noch, scheint in Totalt Jävla Mörker ja zumindest vorübergehend eine feste Heimat als Shouter gefunden zu haben. Neben den parallel laufenden Projekten The Great Deceiver, Nightrage und Lock Up gibt es nämlich wirklich Nachschub in Form eines regulären Folgealbums... Das hört - wie die Band - auf den Namen Totalt Jävla Mörker, zu Deutsch etwa "völlig beschissene Dunkelheit". Und diese Tatsache lässt wohl auf einen abgeschlossenen Selbstfindungsprozess schließen. Doch auch im zehnten Jahr des Bestehens erfährt der Hörer gerade einmal die Vornamen der beteiligten Mitstreiter. Entgegen der Vorgängerwerke auf Distortion Records findet sich unter den Aufnahmen nach dem Ausstieg von Gründungsmitglied und (International) Noise Conspiracy-Teilhaber Inge aber etwas mehr als der erwartete massive Crustpunk-Schlag in die Fresse. Während der 15 Songs (bei 30 Minuten Spielzeit) zockt man nämlich eine derbe Mischung aus Wolfpack, dezenter Hardcore-Schlagseite sowie vorsichtigen Postcore-Anleihen. Zu der etwas verwirrenden Mixtur kommen wieder ausschließlich schwedische Lyrics gegen Medien, die USA und natürlich die Gesellschaft. Das ganze verliert in dieser Konstellation zwar etwas an Punch, lebt aber immer noch ganz prima von seiner Energie, Spontaneität, rauhen Produktion sowie dem neu gefundenen Abwechslungsreichtum.
Bewertung: 7 von 10 Sternen / 30:50 / Crustcore / totaltjavlamorker.com
Michael Streitberger

Victory At Sea - All Your Things Are Gone CD

Gern Blandsten / Alive

So unscheinbar wie Cover und Booklet ausfallen, so wunderbar mutet die Musik von Victory At Sea an. Die Band existiert seit über zehn Jahren, ohne dass man davon hierzulande groß Notiz genommen hatte. Was zumindest teilweise ein Fehler war. Denn die Kompositionen nisten sich trotz einiger Ecken und Kanten charmant und ziemlich direkt im Gehör ein, fallen jedoch stets sympathisch und stilvoll aus. Sicher ein besonderer Verdienst von Sängerin Mona Elliots: Die verfasste nicht nur das Artwork und die Lyrics zu allen zehn Stücken, sondern verleiht ihnen mit ihrer charakteristischen Stimme auch einen ganz besonderen Schliff. Das Info spricht dabei von Referenzen an Bright Eyes oder die Black Heart Procession; auch und besonders durch die Vocals sowie das omnipräsente Piano fühle ich mich aber an die unterschätzte Songwriterin Carina Round erinnert. Letzten Endes enthält "All Your Things Are Gone" schlichtweg schönen Indie-Pop, dessen teilweise zweitsimmiger Gesang das Zeug hat, der Band ein größeres Publikum zu bescheren. Hervorheben möchte ich in dem Zusammenhang "To you and me", wo Victory At Sea plötzlich richtig ekstatisch zu Werke gehen. Ungewöhnlich. Denn trotz ihres martialischen Namens werden die oft etwas finsteren Stücke nämlich normalerweise mit Bedacht vorgetragen. Also: Obwohl schon letztes Jahr erschienen, sollte Freunden erwähnter Interpreten das ab sofort auch bei uns verfügbare sechste Album der Band aus Boston einen Anspieltipp wert sein.
Bewertung: 7 von 10 Sternen / 37:49 / Postrock / victoryatsea.net
Michael Streitberger

Welch Boys, The - same CD

I Scream / Cargo

Neues aus dem Umfeld der Blue Bloods: The Welch Boys heißt diese Formation, welche sich aus diversen Mitgliedern anderer Bands rekrutiert und ihre 15 Tracks von Jim Siegel in den Outpost-Studios fett produzieren hat lassen. Auf ihrem selbstbetitelten Debüt spielt man direkt in einer Liga mit den Dropkick Murphys, den Bruisers oder natürlich den Blue Bloods. Denn deren T.J. Welch ist nicht nur Namensgeber, sondern auch Frontmann der Welch Boys. Und weil ein paar Mitglieder von Slapshot ebenfalls mit am Start sind, kommen ein paar Hardcore-Referenzen in den Hymnen-gespickten Oi!- bzw. Punkrock-Sound dazu. Genau jene Merkmale, beispielsweise in "United", sind es dann auch, die mir mit am besten gefallen. Hier hebt man sich vom üblichen Midtempo-Gegröhle, welches mittlerweile ohnehin sattsam bekannt ist, zumindest ansatzweise ab. Wer auf den typischen Boston Singalong-Style steht, macht mit den Welch Boys sicher nichts falsch. Vorausgesetzt, er stört sich nicht daran, dass im Booklet den US Armed Forces gedankt wird... Gute Nacht.
Bewertung: 5 von 10 Sternen / 35:05 / Punkrock / thewelchboys.com
Michael Streitberger

V/A - Edgar Allan Poe Projekt - Visionen 2-CD

Gun / SonyBMG

Zugegebenermaßen etwas untypisch für sellfish.de, wollen wir an dieser Stelle doch kurz auf dieses Projekt hinweisen: Hinter "Visionen" verbirgt sich ein Hörspiel, in welchem eine ganze Reihe von deutschen Schauspielern und Musikern Erzählungen von Edgar Allan Poe vortragen. Untermalt wird das ganze vom Berliner Filmorchester mit cineastischen, teils Horrorfilm-artigen Passagen. So erzeugt man eine zu den makabren Texten passende Atmosphäre, welche trotz der vielen unterschiedlichen Beteiligten immer stimmig bleibt. Zu hören sind unter anderem Schauspielerin Iris Berben, Gurdrun Landgrebe, Kai Wiesinger oder der unsägliche Jan Josef Liefers. Auch Christopher Lee, in letzter Zeit desöfteren in derartige Projekte involviert, steuert mit "The Raven" (auf "Visionen" übrigens noch in zwei weiteren Interpretationen enthalten) sowie "Elenore" Beiträge dazu. Auf der zweiten CD stehen dann die musikalischen Elemente stärker im Vordergrund: L'ame Immortelle, Die Jungen Tenöre, Secret Discovery, Subway To Sally oder FM Einheit hüllen die Texte beinahe durchgehend sehr gelungen in entsprechende Songs. Und auch wenn die Macher wohl das Labelraster von Gun/SonyBMG stark im Hinterkopf hatten: Die Stimmung wird auch Gothic-kritische Geschmäcker überzeugen. Vorausgesetzt sie sind bereit, sich auf das Material einzulassen. Schließlich: Die Werke des Schriftstellers aus Boston, Massachusetts, beeindrucken auch 150 Jahre nach ihrem Entstehen noch. Und mit "Visionen" stellt sich eine ebenso angenehm-gruselige wie aufwendig inszenierte Möglichkeit dar, sich mit ihnen etwas tiefer vertraut zu machen.
-- / ca. 110 Minuten / Hörspiel / gunrecords.de
Michael Streitberger


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