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Ane Brun Interview

Sportskanone

 

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Ane Brun sitzt vor einem fest installierten Computer in der Lobby ihres Hotels und macht Gott weiß was. „Ich bin gleich fertig!“ sagt sie mit einem freundlichen Kopfnicken in meine Richtung und keine zehn Sekunden später sitze ich mit einer der interessantesten Songwriterinnen an einem der vielen Tische. Ane Brun sieht ein wenig verschnupft aus; der Jogginganzug macht das ganze auch nicht förmlicher. Wozu auch. Was sie zu erzählen hat ist viel wichtiger. Grund unseres Treffens ist ihr Album „Duets“, das in Skandinavien zwar schon letztes Jahr, bei uns allerdings erst letzten Monat erschienen ist. Darauf enthalten ihr bisher durchschlagenster Erfolg. „Lift Me“, ein Duett zusammen mit Madrugada. So erfolgreich, dass „ich inzwischen ständig Anrufe und E-Mails von Freunden bekomme die mich bitten, dieses schönen Song nicht mehr Radio spielen zu lassen, weil das alles kaputt mache.“

„Duets“, der Titel legt es nahe, ist ein ganzes Album durchweg mit Kooperationen. Mal ihre eigenen, mal die anderer. Immer aber die befreundeter Künstler. Es ist ihr drittes nach „Spending Time with Morgan“ (2003) und „A Temporary Dive“ (2005). Einst von Norwegen nach Schweden gezogen, dauerte es lange, bis Ane Brun zur Musik fand. „Erst im Alter von 20 Jahren habe ich mich dafür interessiert, selbst Musik zu machen. Davor war ich eher eine Sportskanone, da kannte ich nichts anderes.“

Was war der bisher wichtigste Augenblick in deiner musikalischen Laufbahn?
Es gibt eigentlich keinen wirklich einschneidenden Moment. Alles ging konstant nach oben. Wenn ich wirklich einen Moment benennen muss, dann denke ich, dass das zweite Album sehr wichtig für mich war. Als ich es veröffentlichte, sind so viele wundervolle Sachen passiert. Der Erfolg setzte ein und damit kam auch Geld, das wir dringend brauchten, um mit dem Label weiterzumachen und neue, interessante Dinge zu schaffen.

Fällt es dir inzwischen leichter oder schwerer Musik zu schreiben als noch beim Debüt?
Es ist definitiv leichter geworden! Im Moment schreibe ich so viel wie noch nie in meinem Leben. Ich habe keinen Druck, dieses Jahr ein Album veröffentlichen zu müssen, weil letztes Jahr immerhin zwei erschienen sind. Ich kann mich ganz auf das Schreiben zurückziehen. Es ist sehr interessant für mich jetzt neue Dinge zu entdecken.

Das Tourleben stelle ich mir nicht besonders inspirierend vor ...
Es ist gerade der Alltag, der mich zum schreiben veranlasst. Man führt so viele Gespräche, tauscht so viele Gedanken aus – da kann man viel mitnehmen und verwerten.

Wann ist dir die Idee zu einem Duett-Album gekommen?
Das war im Juni 2005. Da war ich gerade in Paris und nahm ein Duett mit Syd Matters auf. Und als ich nach Schweden zurückkehrte stellten mein Manager und ich fest, dass ich mittlerweile sechs Duette bereits aufgenommen hatte. Und da wurde uns klar, dass man das noch ein wenig ausbauen und veröffentlichen könnte. Die restlichen Songs haben wir dann im August aufgenommen und es dann ziemlich schnell veröffentlicht. Eigentlich wollte ich mir nach dem ganzen Tourstress eine Auszeit gönnen, ein wenig Urlaub machen. Aber da war diese Idee und plötzlich wurden der August und der September zu den stressvollsten Monaten des ganzen Jahres.

Du hast in einem Interview mal gesagt, dass der Touralltag bei dir zu selbstzerstörerischen Phasen führt, weil der Focus ständig auf dir allein liegt. War Duetts so etwas wie eine Heilung?
Ja, auf gewisse Art und Weise. Wir haben das Album letztes Jahr November veröffentlicht. Das ist jetzt einige Monate her. Und wenn ich jetzt darüber nachdenke und im Zuge der Veröffentlichung hier in Deutschland wieder darüber spreche, da wird mir bewusst, dass „Duets“ wirklich aufgeräumt hat in meinem Kopf.

War es schwierig für dich als Songwriterin, nicht deine eigenen Songs zu singen und einzuspielen?
Nein, nicht bei „Duets“. Denn das war ja schließlich das Konzept dahinter. Auf meinen eigenen Alben würde ich das allerdings nicht machen.

Du siehst „Duets“ also nicht als dein eigenes Album an?
Doch, schließlich sind auch Stücke von mir darauf. Aber es fühlt sich eher an wie ein Projekt. Mit guten Freunden.

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Spielst du die Duettstücke auch Live?
Ja, einige, so wie „Rubber and Soul“. Und dann hatte ich auch das Glück, auf der letzten Tour einige meiner Duettpartner, wie Teitur, dabeizuhaben. Das hat für sehr viel Abwechslung während der Konzerte gesorgt. Außerdem werden wir, auch wenn ich das noch gar nicht sagen darf, im Sommer ein Festival spielen, zusammen mit allen Duettpartnern.

Was sind deine Zukunftspläne, insbesondere was dein eigenes Label angeht?
Dieses Jahr werde ich zum ersten mal in den Staaten und England veröffentlichen. Darauf konzentrieren wir uns mit dem Label dieses Jahr hauptsächlich. Und nebenbei versuche ich natürlich, so viel wie möglich zu schreiben. Und sobald ich das Gefühl habe, zehn der besten Songs der ganzen Welt geschrieben zu haben, dann werde ich sie aufnehmen und veröffentlichen! Andere Künstler werden wir wohl nicht aufs Label nehmen. Denn wenn du einen Künstler auf ein Independent-Label nimmst, das du selbst geschaffen hast, um unabhängig sein zu können, dann brauchst du Strukturen, um dir diese Unabhängigkeit zu erhalten und sie auch dem anderen Künstler bieten zu können. Solange das nicht der Fall ist, werden wir keine anderen Künstler veröffentlichen.

Führt die Selbstvermarktung über das eigene Label nicht zu einer gewissen Schizophrenie?
Wir haben gute Kooperationen, deshalb ist das nicht besonders schwierig. Für fast ganz Europa ist V2 zuständig, was uns die Arbeit sehr erleichtert! Außerdem habe ich einen hervorragenden Manager. Im Moment könnte ich mich eigentlich ganz auf die Musik konzentrieren. Aber ich kann es nicht lassen, mich überall einzumischen! (lacht)

Warum machst du dir dann überhaupt noch den Stress mit einem eigenen Label?
Weil man das in Skandinavien, vorrausgesetzt man hat die richtigen Menschen um sich herum, relativ einfach kann! Außerdem kenne ich mich mit dem Musikmarkt in Skandinavien aus. Vom Rest Europas hingegen habe ich keine Ahnung. Alles was ich in Skandinavien über mein eigenes Label veröffentliche, gehört mir! Für immer! Das wäre nicht so, wenn ich auf irgendeinem Label wäre. Außerdem wäre ein Album wie „Duets“ auf einem Major niemals möglich gewesen. Und trotzdem hat es Platin erreicht. Mit meinem eigenen Label kann ich all die Dinge tun, für die ich mich normalerweise rechtfertigen müsste.

Hast du auch die Schattenseiten dieser Unabhängigkeit kennen lernen müssen?
Ja. Nach meinem ersten Album bin ich zusammengebrochen und konnte einfach nicht mehr. Das schlimmste war gar nicht so sehr die praktische Arbeit als vielmehr die Entscheidungen, die du ständig treffen musst. Ich habe in den letzten Jahren aber gelernt, damit umzugehen!

Interview + Text: Robert Heldner
Photos: Offizielle Pressephotos anebrun.com


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