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MISC - sellfish.de Beifang 07/06 | 02

Miscellaneaus: Genrekram*EP*Vinyl*MCD*Sampler*Demos*Soundtrack

Eine neue Heimat bei sellfish.de: Für Sachen, die normalerweise unterzugehen drohen. Oft verdient und von manchen verachtet lassen sich in dieser Rubrik immer wieder auch echte kleine Perlen entdecken...

The Bordells – III CD

Finest Noise / Radar

Es ist schon fast vermessen, wenn man sich selbst als die fünf vergessenen Söhne von Elvis, Keith Richards, Ace Frehley, Lemmy und Animal bezeichnet. Aber lässt man diesen Anspruch außer Acht und betrachtet The Bordells genauer, dann bekommt man genau zu sehen was „III“ bietet: Dreckigen, energiegeladenen Rock´n´Roll, der dermaßen nach abgefackelten Live – Bühnen und verrauchten Stripteasebar – Hinterzimmern stinkt, dass man es kaum glauben mag, dass er in Deutschland geschmiedet wurde. Zwar nicht unbedingt für jedermann anspruchsvoll wie auch nachvollziehbar, wird hier über eine gute halbe Stunde in elf Tracks purer Rock zelebriert, dass Größen wie AC/DC, Motörhead oder Rose Tattoo ihre wahre Freude daran hätten. Ohne Verschnaufspause knallt einem „III“ um die Ohren, ohne unterwegs einen merklichen Tiefpunkt zu erreichen – nichts also für Kinder und Weicheier. Ob der Stil allerdings dauerhaft Gefallen findet, muss abgewartet werden und wird mit einem hoffentlichen Nachfolgealbum neu zu bewerten sein. Für den Moment allerdings zeigen für The Bordells alle Daumen, bzw. Daumen, Zeigefinger plus kleine Finger gestreckt nach oben!
Bewertung: 7 von 10 Sternen / 33:20 / Rock / thebordells.de
Uwe Wollein

Bullet For My Valentine - Tears Don't Fall SINGLE

Sony

Laut Amazon bietet die "Tears Don't Fall" Single neben dem Titeltrack noch eine B-Seite, ein Metallica-Cover und zwei Live-Tracks. Die hier vorliegende Version bietet allerdings lediglich den Titeltrack in der Albumversion und den Chris Loro-Alge Radio Mix. Das macht es dem Autor also schon mal schwer etwas über die Single zu sagen, wenn die entscheidenden Stücke fehlen. Dass sich die beiden Versionen von "Tears Don't Fall" kaum entscheiden, macht die Sache nicht einfacher. Ansonsten bewegt sich aber generell nicht viel im Kosmos der Poser-Metalcore-Bande. Die Mischung aus Aggressivität und eingängigen Pop-Refrains kommen beim Publikum sicherlich immer noch super an, ob sich Metallica bei der Coverversion von Bullet For My Valentine im - noch nicht präsenten - Grabe umgedreht hätten, lässt sich aus oben genannten Gründen nicht beantworten. Nichts neues jedenfalls an der Post-Hardcore-Front. Abgenutzte Metalriffs, ein wenig Geschrei und das immer nach dem gleichen Strickmuster. Klar "Tears Don't Fall" lässt sich ganz gut hören. Fünf Mal, dann wird es schnell langweilig. Dass gerade wieder in so eine Band ohne Ende Marketing-Kohle gepumpt wird ist traurig, aber eben nur der übliche Gang der Dinge. Da doch lieber die Originale...
Bewertung: 3 von 10 Sternen / 9:16 / Rock / bulletformyvalentine.de
Sebastian Gloser

Capones - Mistico Capital CD

Soulfire Artists / Rough Trade

Rythm is it! Passend dazu stammen die acht Capones aus dem Süden. Zwar "nur" aus dem Süden Deutschlands; nichtsdestotrotz spielen sie auf ihrem Debütalbum mühelos südländisch inspirierte Multi-Kulti-Songs im Grenzbereich von Latin, Ska, Reggae und HipHop. Eher tanzbar als authentisch sticht bei "Mistico Capital" zu allererst die sehr fitte Bläsersektion in's Auge ("Dona ramona y su pajarilla") - und auch sonst lässt die Instrumentalfraktion nichts anbrennen. Sympathisch kommt vor allem die überdrehte Verspieltheit der Songs, wobei der Groove dennoch klar im Mittelpunkt steht. Im Power-Reggae von "All Frills Guerilla" lassen sich die Münchner dann sogar hinreißen, ein paar Takte auf deutsch zu singen - mehr davon bitte, ich find's super. Subjektives Fazit: Dafür, dass mir die hier verquirlten Musikrichtungen größtenteils eigentlich gar nicht zusagen, läuft mir "Mistico Capital" ziemlich gut 'rein. Als Genrefan oder live bei praller Sonne darf man außerdem gerne nochmal zwei Punkte auf die Bewertung aufschlagen...
Bewertung: 6 von 10 Sternen / 63:01 / Latin-Tex-Mex / soulfire-records.de
Michael Streitberger

Carbonix Acyd – Audiomatisms CD

Finest Noise / Radar

Es beginnt ja zumindest witzig, wenn man den Titel des ersten Liedes auf der CD betrachtet: „You Are Not The Only One Turning The Hamster Wheel“. Doch das ist dann auch erstmal das einzig auffällige, was dieses Stück so auszeichnet, vom unverkennbaren deutschen Akzent des Sängers mal abgesehen. Weiter geht’s mit „Animal Instinct“, welches sich nicht so ganz entscheiden kann, ob es nach Red Hot Chili Peppers klingen soll, oder doch einen durch Carbonix Acyd hausgemachten Weg einschlägt. Wohl eher sogar letzteres, denn stimmbruchartig kieksen hab ich Anthony Kiedis noch nie gehört. Energiegeladenes, mit unvergleichlichem Groove liegt, so sehr man sich auch bemüht zu suchen, auf „Audiomatisms“ wirklich nicht vor. Die Produktion klingt, als wäre sämtliche „Energie“, um das Wort noch mal aufzunehmen, aus dem Aufnahmestudio schon von vornherein ausgesperrt worden. So erscheinen die neun Tracks dann auch allesamt wahnsinnig blass und lassen alles vermissen, was den Rock´n´Roll, den sich die vier Herren aus Leipzig aufs Banner schreiben, angeht. Nur fließendes Gitarrenspiel mit dem entsprechendem Drumsound gepaart, macht eben noch lange nicht aus Eisen Gold und aus unqulifiziertem Gedöns eben den entsprechenden ansprechenden Rock! Ein Glück, dass alles nach etwa 35 Minuten vorbei ist, denn länger erträgt man „Audiomatisms“ und vor allem die dazugehörigen Vocals nicht!
Bewertung: 1 von 10 Sternen / 35:08 / -- / carbonixacyd.de
Uwe Wollein

Eidolon – The Parallel Otherworld CD

Escapi / Edel

The Parallel Otherworld beginnt gleich mit dem gleichnamigen Titeltrack – einer elfeinhalb Minuten dauernden Hymne, die unwillkürlich den Weg des Quartetts aufzeigt. Einen Tick härter klingen Eidolon, zudem progressiver und auch dunkler. Das folgende „Arcturus#9“ gibt ein weiteres gutes Beispiel ab, dass sich auf dem siebten Studioalbum das eine oder andere geändert hat. Mit dem neuen Sänger Nils K. Rue wollen die Herren Drover, ihres Zeichens Bandbegründer an vergangene Zeiten anknüpfen, nachdem sie ihr Projekt einige Zeit haben brach liegen lassen, um Dave Mustaine´s Megadeth wieder auf die Beine zu helfen. Stilistisch unterscheiden sie sich allerdings vollkommen, werden hier doch sehr oft double- bass drums aus progressiven Gefilden, aber auch tieftönende Riffs aus düstereren Stilrichtungen bemüht. Stimmlich bewegt sich Vocalist Rue jedoch doch wieder in erstgenannter Richtung, was einen unbestimmten Stilmischmasch hervorruft und dem Album nicht gerade zu einer klaren Linie verhilft. So wartet man über die zehn Tracks hinweg vergeblich auf einen Reißer, der einem das Album im Gedächtnis behalten lässt. „Ghost World“ wäre zwar noch am ehesten in der Lage, wird aber schnell vom Einheitsgetöns dem Erdboden gleich gemacht. Was soll eigentlich immer dieses growlige Monstergeflüster in den Songs? Ob es so wohl in der Parallel Otherworld klingt? Einziges Schmankerl für Fans könnte das Mercyful Fate – Cover „The Oath“ zum Abschluss des Albums sein, hilft aber jetzt auch nix mehr. Vielleicht liegts ja wie in der Ehe am verflixten siebten Studioalbum der Band, aber so braucht man nicht unbedingt nach einem achten zu lechzen.
Bewertung: 2 von 10 Sternen / Metal / 68:21 / eidolon-nightmareworld.com
Uwe Wollein

Jetlegs, The DEMO

DIY

Hellacopters-Ripoff, anyone? Oder zumindest Schweinerock’n’roll, manchmal recht modern, manchmal staubtrocken, anyone? Dann hier hören. The Jetlegs sind drei junge Herren aus Nürnberg. Gibt es jetzt seit etwa sieben Monaten. Und mit dem selbstbetitelten Demo wagen sie den Sprung an die Öffentlichkeit. Kommt auf ner CD-R daher und mit Flugzeug im Bandlogo. Kann sich hören - und mit Abstrichen auch sehen - lassen. Nichts atemberaubend neues, though. Aber was sie machen, das machen sie gut. Lassen die Gitarren sprechen und röhren schön rockermäßig hinterher. Mehr noch als die Hellacopters, schauen - vor allem wenn man mal deutlicher auf den Gesang hört – die Kings of Rock namens Gluecifer ums Eck. Wenn wir also so eine Art lokalen wöchentlich erscheinenden NME-Verschnitt hier hätten, wir würden die Jetlegs spontan zum heißen Scheiß erklären. So bleibt es aber beim gutgemeinten Ratschlag da mal reinzuhören, wenn man auf Captain Poons und Co. steht. Enttäuscht wird sicher keiner. Die Hausaufgaben wurden gemacht. Gute Songs können sie auch schreiben. Die Produktion ist wie man das auf einem Demo eben erwartet. Wenn demnächst in der Nürnberger Gegend ein paar Supportkonzerte anstehen, dann überzeugen wir uns live davon wie viel mehr noch geht. Klingt schließlich alles nach großem Rock’n’Roll-Spaß. Wohin der Weg wirklich führt, das sehen wir erst, wenn die Band auf ein paar eigenständigeren Füßen steht …
Bewertung: 5 von 10 Sternen / 12:40 / Retrorock
Sebastian Zapf

Phonodrive – Music CD

Modern Noise / Cargo Records

Ich geb ja zu, es ist schwer sich in den Tagen des absoluten Fußball – Wahns auf etwas anderes zu konzentrieren – die Musik zum Beispiel. Aber richten wir unser Augenmerk doch einmal weg vom grünen Rasen und hin zu einer Band namens Phonodrive, einer Band, die wirklich einer großen Aufmerksamkeit bedarf. Klingen zwar die ersten Töne von Sängerin Christina Lieb ca. zehn Sekunden lang noch etwas gewöhnungsbedürftig, so bricht sie schon kurz darauf, spätestens jedoch ab dem harmonisch – verträumten „Shining Stars“ sämtliche Mauern und katapultiert sich in unsere Herzen. Unbekümmert und unverkrampft wird hier zu Werke gegangen, man genießt ganz wie der Albumtitel verspricht die Musik, lässt diese auf sich einströmen und schwebt beim Zuhören in luftigen Höhen, wie man es sonst nur bei Jack Johnson oder Muse erlebt. Hier und da klingen vielleicht Anleihen an die Cardigans heraus, wohl auch Christinas Stimme wegen. Zu poppig werden Phonodrive jedoch nie. Immer schön im Untergrund verweilend präsentieren sie auf ihrem zweiten Longplayer Emotion pur, gepaart mit rockig – punkigen Elementen, um sich im nächsten Track aber wieder voll in der Melancholie zu verlieren. Wundervoll!
Bewertung: 8 von 10 Sternen / 40:24 / Pop / phonodrive.de
Uwe Wollein

Presence Of Mind - To Set Out On The Light CD

STF Records

Die Überraschung dieses Sommers aus der Newcomer-Ecke sind für mich Presence Of Mind aus dem norddeutschen (?) Bassum, welche mit "To Set Out On The Light" nach einigen Demos und Samplerbeiträgen bereits ihr zweites Album veröffentlichen. Und warum zumindest ich von den vier Damen erst jetzt etwas mitbekomme, scheint mir schleierhaft. Denn die junge "All-Girl-Band" hat genau jenes Prädikat absolut nicht nötig, weil: Hier geht es nicht um Geschlechterrollen etc., sondern schlicht um ergreifende, mitreißende Rocksongs. Jedoch im großen Format: Mit Gefühl, ohne Pathos. Dabei erinnert vor allem die ergreifende, leidenschaftliche Stimme von Sängerin Sarah stark an Wick von den Bambix. Und das, obwohl Presence Of Mind was Label und Touraktivitäten angeht, wohl eher gen Metal orientiert sind. Komisch eigentlich. Denn musikalisch hat man seine Vorbilder beispielsweise in Boysetsfire oder Dredg; wobei die Stücke hier zwar dunkel, doch immer songorientiert und wenig aggressiv funktionieren. Bestes Beispiels dafür scheint mir das brillant intensive, getragene "Stupified". Doch auch die etwas aufbrausenderen Stücke können voll überzeugen, wozu neben der feinen Gitarrenarbeit auch die backing vocals der restlichen Bandmitglieder beitragen. Durchhänger wie "Dirge" jedenfalls sind die absolute Ausnahmen, denn dieses Album packt mich beinahe über die ganze Spielzeit. Klares Fazit: Ein wirklich dringender Tipp für all jene, die sich für melancholische, treibende Rocksongs mit großen Melodien begeistern können.
Bewertung: 8 von 10 Sternen / 51:12 / Emorock / presenceofmind.de
Michael Streitberger

Sinking Ships - Disconnecting CD

Revelation / Cargo

Als passionierter Gelegenheits-Hardcore-Fan geschieht es bei gleichbleibender Tendenz zumindest alle paar Wochen, dass mich ein Album dieses Genres richtig mitreißen kann. Wirkliche Ausnahmen mit bleibendem Eindruck allerdings gibt es nur noch selten. Und dann meist von Bands, welche in die recht enge musikalische Schublade gar nicht mehr ganz hineinpassen. Eine davon war vor Jahren By The Grace Of God, welche den klassischen Hardcore-Sound in eine eher "sophisticated" Richtung schoben - doch bei aller relevanter Message niemals aus den Augen verloren, anständig zu rocken. Zumindest musikalisch fallen mir zwischen dem By The Grace Of God-Klassiker "Perspective" und "Disconnecting" echte Parallelen auf. Was mich dazu veranlasste, hier etwas genauer hinzuhören. Das Debüt der Sinking Ships bringt es zwar wieder auf die typische halbe Stunde Spielzeit. Einige Songs knacken jedoch sogar die Drei-Minuten-Grenze, ohne auch nur ansatzweise an Energie oder Intensität einzubüsen. Ganz im Gegenteil: Die Power hinter Kompositionen wie "The Days You've Come To Fear" lässt eher an Bane oder die alte Straight Edge Schule denken; trotz allem Melodieverständnis finden sich unter den zwölf Tracks schließlich sogar noch jede Menge Ecke und Kanten. Letzten Endes entsteht so ein relativ eigenständiges Album, welches mich immer wieder in seinen Bann zieht und damit endlich das aktuelle Comeback Kid Album aus meiner Hardcore-Playlist verdrängt hat. Fazit ohne viele Worte: Die Sinking Ships liefern das bis dato beste Hardcore-Album des Sommers ab, welches gleichermaßen absolutes Pflichtprogramm für old school Anhänger wie für die open minded-Fraktion ist!
Bewertung: 9 von 10 Sternen / 29:28 / Hardcore / revelationrecords.com
Michael Streitberger


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