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Jeniferever

Choose A Bright Morning

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Einatmen. Ausatmen. Klappt nicht, diese Platte nimmt einem dem Atem. Selbst hat sie einen sehr langen und ausdauernden Atem. Weiße Schafswölkchen ziehen vorbei und dennoch bringen die dunklen Schatten etwas Bedrohliches mit sich.
Jeniferever ist das schwedische Wort für Karate. Warum die Band diesen Namen gewählt hat, weiß man nicht. Mit Handkantenschlägen hat „Choose A Bright Morning” jedenfalls nichts zu tun, viel mehr schon mit der Ruhe, die es gerade für die asiatischen Kampfsportarten braucht. Vor allem innere Ruhe, wobei Jeniferever hier den Spagat schaffen, den Hörer zu besänftigen und ihn andererseits innerlich aufzuwühlen. Bei dem Quartett aus Schweden ist alles im Fluss. Eine Stunde Musik, wie aus einem Guss, die an einem vorbeizieht und einen abschweifen lässt. Raus aus dem Gedankenalltag, hin zu den ganz großen Themen, die einen bewegen. Bei Jeniferever denkt man nicht darüber nach, was gerade im Kühlschrank fehlt oder wann man wieder Wäsche waschen muss. Man macht sich Gedanken über das was falsch lief oder über eine ungewisse Zukunft. Jeniferever haben dafür vielleicht keine Antworten parat, aber sie haben den Soundtrack zu diesen Überlegungen. Mit neun Songs schaffen sie ein atmosphärisches Meisterwerk, das an frühe The Appleseed Cast-Alben erinnert oder an die ruhigen Momente bei Sometree. Besonders, wenn behutsam Streicher oder Bläser zum Einsatz kommen, fühlt man sich geborgen in diesem perfekt konstruierten Soundgerüst. Oft instrumentaler Shoegazepop, der sich nicht zu schade ist, auch mal den einfachen Weg zu nehmen und so noch beeindruckender ans Ziel zu kommen. Sanfte Gitarrenwände prallen auf großes Gitarrenpicking und erzeugen ein Gefühl von Geborgenheit. Gerade kann man sich noch zurückhalten zu applaudieren, während man alleine vor der Anlage sitzt. Das wäre dann doch ein Stück zu schizophren, aber wenigstens leicht verneigen kann man sich vor Kompositionen wie „A Ghost In The Corner Of Your Eye“ oder dem forschen Auftakt „From Across The Sea“. Eine Gänsehaut überkommt einem bei der Kombination aus vorsichtigem Sprechgesang und soviel melancholischen Leisemalereien. Da erschrickt man fast ein wenig, wenn bei „The Sound Of Beating Wings“ noch einmal das laute scheppernde Schlagzeug ausgepackt wird und spontan der Wunsch aufkommt, dass sich jetzt sofort oben genannte Bands zusammen mit Gregor Samsa und eben Jeniferever auf einer Bühne einfinden, um das Klangerlebnis des Jahres zu zaubern. Ein Wunschtraum. „Choose A Bright Morning“ ist dagegen kein Traum. Dieses Album ist Wirklichkeit. Dabei aber so schön, dass man sich doch noch ein weiteres Mal zwicken muss, um es zu glauben.

Bewertung: 8 von 10 Sternen / Spielzeit: 60:26 / Indiepop

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