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MISC - sellfish.de Beifang 12/06 | 01

Miscellaneaus: Genrekram*EP*Vinyl*MCD*Sampler*Demos*Soundtrack

Eine neue Heimat bei sellfish.de: Für Sachen, die normalerweise unterzugehen drohen. Oft verdient und von manchen verachtet lassen sich in dieser Rubrik immer wieder auch echte kleine Perlen entdecken...

Von Wolken und Wänden, Emorock und Elektropop

mit: Wolke | Capsized

Von der Bühne direkt ins heimische Wohnzimmer: Wolke waren auf Tour und hatten ein schickes Schnäppchen im Gepäck. Die Single-Auskopplung „Second Hand Gefühl“ (Tapete Records) gibt es für geschenkte drei Euro und ist das perfekte Mitbringsel für alle Daheimgebliebenen. Zurecht können sie sich jetzt ärgern, was sie da verpasst haben. Das Trostpflaster ist aber auch kein schlechtes. Neben der Albumversion gibt es den Song in vier verschiedenen Variationen. Vom Simon Werle Remix bis zum PortaSound Remix. Das ist nicht immer hörbar und auch nicht immer spannend, lohnt sich aber trotzdem für alle Fans, Sammler und Remixfetischisten. Sehr elektronisch und modern alles, ganz im Gegensatz zum Video der Single. Da gibt es einen mittelalterlichen Kostümball und sicherlich breites Grinsen beim Zuschauer. Höhepunkt des Tonträgers ist aber mit Sicherheit „Ich geh jetzt tauchen“; im Original von den Labelkollegen Samba und hier wunderhübsch transformiert in den markanten Wolke-Stil. Superb.

Capsized haben ihr Debütalbum draußen. „Against Your Walls“ (Badland Records / Radar) heißt es und wird wohl leider keinen tiefen Eindruck hinterlassen. Das liegt wohl vor allem daran, dass die elf Songs alle Stärken, aber vor allem auch Schwächen vereinen, die man mit einem Debüt so bieten kann. Für Capsized spricht die offene Herangehensweise an die Musik, die man selbst über die Jahre liebgewonnen hat. Das ist in dem Fall Emorock, der gerne hymnenhaft nach oben schaut und vor allem Tempowechsel als Stilmittel beinhaltet. Mangelnden Mut kann man Capsized ebenfalls nicht vorwerfen: es gibt Ausflüge in akustische Gefilde und ins balladenhafte. Das hilft aber leider alles wenig, wenn das Songwriting ziemlich schwach ausfällt. Hat man alles schon mal und auch besser gehört. Emo kommt nun mal von Emotion und von denen gibt es auf „Against Your Walls“ zwar viele, aber keine von der Sorte, die mich ehrlich berühren würden. Zwischen Stadionmetal, vorsichtigen Hardcoreansätzen und beliebigen Rocksongs passt immer noch eine triefende Spur Pathos, die auch hier zu viel des Guten ist. Interessant wird das eigentlich erst, wenn der Bonustrack „Keep Myself Alive“ Marke Homerecording räudig aus den Boxen schallt. So würde man sich die Band auf Albumlänge wünschen. Nicht lange nachgedacht, schlichter Gesang, Hintergrundgekreische und einfach drauflospoltern. Geht doch.

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Heute: Wie ich sie liebe, diese Weihnachtszeit...

mit: Apoptygma Berzerk | Guano Apes | Intronaut

Langjährige Kenner der Darkwave-Institution könnten bei diesen Zeilen sicherlich ins Schmunzeln kommen. Denn um ganz ehrlich zu sein, sind die 13 Songs hier meine allererste Begegnung mit Apoptygma Berzerk. Von daher, werde ich es auch vermeiden, viele Worte über die Entwicklung der Band zu verlieren. Braucht man eigentlich wohl auch nicht, denn bei "Sonic Diary" (Gun/SonyBMG) handelt es sich um ein - jetzt 'mal bitte versuchen nicht zu Gähnen - Album voller Coverversionen. Ob der Zeitpunkt der Veröffentlichung rein zufällig ins Weihnachtsgeschäft fällt, bleibt natürlich Spekulation... Fakt ist allein, dass die Tracks trotz ihrer (übrigens recht netten) Synthie-Programmierung allesamt extrem poppig ausfallen. Gleich nach dem bestenfalls netten Opener bzw. der Single-Auskopplung in Personalunion, "Cambodia" (Kim Wilde), beispielsweise folgt mit "Bend and break" eine wenig spektakuläre Keane-Coverversion. Und auch sonst halten sich die Überraschungsmomente in Grenzen: OMD, Velvet Underground, Visage oder - aufgemerkt - Metallica. Naja. Kurzweilig sind derartige Veröffentlichungen ja beinahe immer; die Langzeitwirkung bleibt in diesem Fall jedoch besonders ernüchternd. Zumal es die Beteiligten verpassen, bei der Umsetzung eigene Akzente zu setzen... oder auch nur ein paar extravagante Vorlagen zu wählen. So muss an dieser Stelle wohl oder übel das Prädikat "überflüssig" vergeben werden...

Machen wir es kurz diesmal: Eine schlechte Band veröffentlicht ihre noch schlechtere Frühphase in schlechtem Artwork samt einemTitel, dessen Wortspielerei im besten Falle ebenso als schlecht zu bezeichnen ist. Darum geht es: Guano Apes - "Lost (T)apes" (Gun / SonyBMG). Also: Wer "Open your eyes" schon immer einmal in Proberaum-Qualität hören wollte, der schlägt am besten gleich zu. Na, wer schreit da "Jaaaa!"? Warum kann ich euch nicht hören? Hmm, haben wir es hier am Ende doch nur mit einer hundert Prozent überflüssigen Weihnachts-Veröffentlichung zu tun? Sowas aber auch...

Die vorweihnachtliche Besinnlichtkeit macht Euch nervös? Die rot-weiße-Dekoration in den Straßen wirkt nicht beruhigend, sondern löst in Kombination mit "Last Christmas"-Beschallung aus dem Radio dezente Aggression aus? Euch dürstet nach einem Ersatzprogramm? Vielleicht hilft folgender Selbstversuch: Ladet das Debüt von Intronaut - natürlich nur von Original-CD... - auf eueren MP3-Player. Und nach dem "Play"-Drücken sowie dem Hochdrehen der Lautstärke geht es dann direkt in die Stadt. Weihnachtseinkäufe erledigen. Mal sehen, wie weit ihr kommt. Denn die acht Tracks auf "Void" (Lifeforce Records/Soulfood) verderben einem derart die Laune, dass selbst positivst gestimmte Menschen binnen der ersten Sekunden des Openers "A monolithic vulgarity" zu echten Misanthropen werden. Trotz ihrer Labelheimat beackern Intronaut übrigens keinesfalls bekanntes Metalcore-Terrain, sondern stehen eher in der Tradition von Kolossen wie Converge, Neurosis oder Burst. Zwar positioniert man sich klar mit einem Fuß im Metal, orientiert sich aber darüber hinaus mit enormer Experimentierfreude erfolgreich in Richtung Jazz, Sample-Arbeit sowie sphärische Sounds. Um mit den üblichen Metaphern zu sprechen: "Void" bietet 50 Minuten lang Schmerz - welcher in der Form vielleicht speziell in dieser Zeit sehr heilsam sein könnte...

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