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The Cooper Temple Clause Interview

England sucht den Superstar

 

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Ruhig war es in den letzten Jahren um The Cooper Temple Clause geworden. Nach zwei gefeierten Alben „gönnte“ sich das Britrock-Kollektiv aus dem verschlafenen Reading eine Zwangspause. Bassist Didz Hammond verließ die Band Richtung Dirty Pretty Things und ein neues Label musste auch gesucht werden. Anfang 2007 dann die Rückkehr als letzte Veröffentlichung von Sanctuary Records Deutschland: Mit deutlich offenerem und vielseitigerem Sound sollte „Make This Your Own“ die Tanzflächen in den Clubs und die Herzen der Fans zurückerobern. Und auch wenn das Quintett mit dem neuen Album in Sachen Airplay deutlich hinter den früheren Werken zurückgeblieben ist und ein wenig an Charakter eingebüßt hat: Die Faszination für diese außergewöhnliche Band ist immer noch da. Nach wie vor treffen harte Gitarren auf eingängige Refrains, tanzbare Strophen auf experimentelle Elektronikeskapaden und liebliche Melodien auf fiesen Lärm. Wir treffen in Schorndorf auf Gitarrist - und seit kurzem auch Sänger - Daniel Fisher, um den Status Quo einer Band in Bewegung zu erforschen, um herauszufinden, ob die dritte Platte schon unter dem Begriff ‚Pop’ einzuordnen ist und ob sich The Cooper Temple Clause in der englischen Musikszene immer noch als Außenseiter betrachten.

Eine Frage, die man normalerweise meidet, die in diesem Fall aber doch Sinn macht: Worauf bezieht sich der Albumtitel?
Wir waren eine ganze Weile weg vom Fenster und es waren unsere Fans, die uns vor allem über die Website angetrieben haben neue Songs zu schreiben und trotz aller Schwierigkeiten weiterzumachen. Als das Album dann fertig war, hatten wir einfach dieses Gefühl, es den Fans „schenken“ zu wollen und das haben wir dann mit der Widmung im Titel ausgedrückt.

In der Zeit zwischen euren Alben hat es ganz neue Entwicklungen gegeben, was die Kommunikation zwischen Bands und Fans betrifft. Ist so eine Plattform wie MySpace für euch wichtig?
Auf jeden Fall. Ich glaube zwar, dass MySpace vor allem neuen Bands nutzt, weil man so Musik auch ohne Plattenvertrag leichter bekannt machen kann, aber natürlich kann es auch etablierten Bands helfen besser in Kontakt mit den Fans zu bleiben.

Ihr habt eure ersten beiden Alben fast im Alleingang aufgenommen, diesmal hattet ihr zum ersten Mal einen richtigen Produzenten, was habt ihr euch davon versprochen?
Wir kannten Chris Hughes schon bevor er unser Produzent wurde und er sagte uns gleich zu Beginn, dass er uns herausfordern will. Wir hatten uns überlegt, was wir auf dem neuen Album anders machen konnten und er nannte ein paar Dinge, die er herausgearbeitet hatte. Dabei ging es vor allem um das Songwriting und den Gesang. Er war der Meinung, dass wir noch bessere Songs schreiben könnten. Wir waren gut im Herumtüfteln und experimentieren, aber er wollte, dass wir noch mehr an den Songs arbeiten. Er wollte, dass die Lieder auch lediglich mit Akustikgitarre und Gesang oder Klavier und Gesang funktionieren und erst als das der Fall war, haben wir die Stücke ausgearbeitet und dabei viel Wert auf die Gesangsmelodien gelegt. Diese Herangehensweise hat uns sehr gefallen.

Der Sound und die Atmosphäre ist auf dem neuen Album deutlich anders im Vergleich zu den Vorgängern. Alles wirkt nicht mehr so düster oder täuscht der Eindruck?
Ich bin mir da nicht so sicher. Jedes Album dokumentiert den Zustand einer Band und was die einzelnen Mitglieder für eine Zeit durchleben. Bei unserem Debüt waren wir einfach noch viel jünger, aggressiver, more snotty und hatten keine Ahnung von irgendwas. Beim zweiten Album hatten wir zuvor zwei Jahre auf Tour verbracht, weshalb sich diese klaustrophobische Stimmung auch in der Musik niedergeschlagen hat. Als wir uns an das dritte Album gemacht haben, waren wir alle nicht nur älter, wir haben auch vielmehr unser Leben reflektiert. Man blickt auf viele Dinge mit mehr Ruhe zurück, macht sich mehr Gedanken über die Zukunft und das spiegelt sich auch in den Texten wieder. Es geht mehr um persönliche Beziehungen, während sich beim Vorgänger viel mehr um die Band drehte, da wir sehr angespannt waren.

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Du hast gesagt, dass es diesmal mehr um das Songwriting und weniger um Experimente ging. Habt ihr auch versucht eingängigere Songs zu schreiben, vielleicht sogar reine Popsongs?

Nein, nicht wirklich. Natürlich war Pop schon immer irgendwie ein Teil von uns, allerdings haben wir diesen Aspekt vor allem bei unseren B-Seiten ausgelebt. Wir wollten uns einfach nicht wiederholen, denn die Leute wären sicherlich enttäuscht gewesen, wenn wir noch mal unser zweites Album aufgenommen hätten, deswegen wollten wir etwas radikal Neues versuchen. Ich würde aber nicht so weit gehen und es ‚Pop’ nennen, auch wenn viele Leute das vielleicht tun. Ich würde es einfach als mehr melodisch bezeichnen. Wir wollen uns einfach nie wiederholen. Vielleicht machen wir ja auf dem nächsten Album etwas mit Reggae oder nur noch belgischen Techno (grinst).

Bei den Songs, die du singst (u.a. „Waiting Game“, „What Have You Gone And Done?“), ist immer wieder der Begriff ‚Emo’ gefallen...
Keine Ahnung woher das kommt (lacht und schüttelt den Kopf). Für mich hat das nichts mit dieser Musikart zu tun und emotionale Texte gibt es ja auch nicht erst seit gestern. Aber wenn die Leute es so nennen wollen, sollen sie es machen, jedem das seine.

Euer Bassist Didz Hammond ist in der Phase zwischen den Alben ausgestiegen, habt ihr nie daran gedacht ihn zu ersetzen?
Doch auf jeden Fall. Vor allem wie wir die alten Songs umsetzen sollten, hat uns lange beschäftigt. Wir haben dann eine kleine Tour in Italien, Österreich und der Schweiz gespielt und es zu fünft ausprobiert und es hat weitaus besser funktioniert, als wir gedacht hatten. Wir klangen deutlich tighter, less sloppy und haben weniger Fehler gemacht, weil fünf Leute nun mal weniger Fehler fabrizieren, als sechs.

Ihr seid die letzte Band, die Sanctuary in Deutschland unter Vertrag genommen hat, anschließend wurden so ziemlich alle Mitarbeiter entlassen, ist das nicht ein wenig komisch für euch?
Schon. Natürlich gibt es noch jemand, der sich um die aktuelle Promotion kümmert, aber beim nächsten Album müssen wir uns wohl etwas Neues einfallen lassen.

Schwer vorzustellen, wie Sanctuary das in Zukunft von England aus auf die Reihe kriegen will.
Ja, ich glaube das wissen sie auch nicht (lacht).

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Wenn man die britische Musikszene betrachtet und all der Hype, der damit einhergeht, hat man das Gefühl, dass ihr niemals ein Teil davon wart.

Ja, wir sind schon immer außerhalb dieser ganzen Szene gestanden. Wir fühlen uns nicht als Teil dieses ganzen schnelllebigen Prozesses. Jedes Jahr kommen da Bands auf, die anscheinend zu den besten der Welt gehören. Natürlich ist es gut, dass einfach jede Menge neue Musik entsteht, aber wir versuchen trotzdem uns davon fernzuhalten, was schon ganz gut klappt, wenn man nicht aus London kommt und nichts mit der Szene dort zu tun hat.

Woher kommt diese Entwicklung, diese Hysterie, die es in dieser Form anscheinend nur in England gibt?

Ich weiß es nicht, der NME hat sicherlich viel dazu beigetragen. Es geht nur noch um neue Bands, das zweite Album interessiert dann fast niemand mehr. Die Musikindustrie befindet sich gerade in einem völligen Umbruch. Durch eine Plattform wie MySpace wird die Fanbase von Anfang an aufgebaut und so kommt es dann, dass Bands, die noch nicht mal einen Plattenvertrag haben, Titelgeschichten kriegen und Headliner von riesigen Festivals werden.

Wo wird dieser Prozess enden?
God knows. Ich denke es wird wie mit jeder großen Entwicklung verlaufen, dass sie irgendwann einfach abebbt. Und auch an Gitarrenmusik, die gerade wieder mehr im Fokus steht, werden die Leute irgendwann wieder das Interesse verlieren. So wie es mit jedem Genre verläuft, egal ob das nun Grunge, Britpop oder Garagerock war.

Hast du einen Wunsch, wohin die Entwicklung gehen könnte?
Naja, wenn man sich diese ganzen Sendungen wie ‚Fame Academy’ oder 'Pop Idol' ansieht, weiß man, dass das die Rettung für Gitarrenmusik ist, weil die Leute jetzt wirklich realisieren, wie so eine Boyband entsteht. Jeder weiß jetzt, dass solche Bands und deren Mitglieder immer durch so einen Auswahlprozess gehen. Weil das im Fernsehen gezeigt wird, haben die Leute das Interesse an den ganz „gewöhnlichen“ Boybands verloren, es geht wenn dann nur noch um die in den Shows gecasteten Bands. Unter Popmusik versteht man in Großbritannien deshalb inzwischen Gitarrenmusik, weil der Großteil von den künstlichen Bands gelangweilt ist. Zur Popmusik gehören bei uns deshalb die The Fratellis, Arctic Monkeys oder The Kooks. Und auch wenn mir diese Bands persönlich nichts geben, ist es weitaus besser, dass Bands, wie die Kaiser Chiefs, die ihre Songs selbst schreiben, zu Popmusik zählen, als wenn es bei dem Begriff um Westlife geht. Thank heaven for 'Pop Idol'!

Interview: Verena Kurz und Sebastian Gloser
Text: Sebastian Gloser
Fotos: Sanctuary Records


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