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The Audience Interview

...schwitzen, schwitzen, schwitzen

 

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Endlich ist es soweit: Am 27. April erscheint „Celluloid“, das offizielle Debütalbum von The Audience. Rückendeckung kriegt man bei der Veröffentlichung des Lebensabschnittswerks von sympathischen Labels wie Hazelwood und Rewika. Zwei Gründe mehr sich endlich einmal ausführlich mit den fünf Jungs aus dem beschaulichen Hersbruck zu beschäftigen. Hersbruck? Da war doch was. Klar, The Robocop Kraus zum Beispiel stammen auch von dort. Heute haben zwar fast alle ihren Erstwohnsitz ein paar Kilometer weiter nach Nürnberg verlagert, dennoch lassen sich manchmal Parallelen feststellen, aber dazu später mehr.

In den vergangenen Jahren hat man sich immer besser kennen gelernt, was es nur auf den ersten Blick einfacher macht eine Band zu portraitieren. Wir sitzen in der WG-Küche von Sänger Bernd Pflaum und Bassist Michael Arnold. Gitarrist Sebastian Wild ist ebenfalls da. Die Suche nach einem funktionierenden Aufnahmegerät gestaltet sich zunächst problematisch, ist allerdings nicht so schwierig, wie der Versuch die Musik von The Audience in Schubladen oder wenigstens Kategorien zu packen. Fest steht, dass es eine treibende Mischung aus Disco, Punk, Glam und fast schon klassischem Rock’n’Roll der 60er Jahre ist. Konkretisieren kann man das aber nicht. Das Schlagzeug geht in die Beine, die Orgel von Omas Dachboden strahlt unterschwellig eine bedrohliche Atmosphäre aus, während Bass- und Gitarrenspiel Punkattitüde vermitteln. Vor allem die Live-Performance spottet jeder Beschreibung, was sicher auch daran liegt, dass Sänger Bernd eine „mächtige Erscheinung in allen Belangen“ ist (Tobias Helmlinger, Ex-The Robocop Kraus). Benennen können oder wollen sie ihre Spielart allerdings selbst nicht. Auch durch das Ausschlussprinzip wird es nicht viel einfacher: „Wir wollen von vorneherein nichts ausschließen, alles was uns gefällt, kann in unsere Musik einfließen. Das einzige, was wohl niemals in unserem Kosmos stattfinden wird ist Heavy Metal“, grinst Bernd. Das beruhigt. Das Aufnahmegerät funktioniert inzwischen auch.

Eigentlich ein echtes Unding das zu fragen, aber einmal sei es erlaubt: Wie ist euer Bandname entstanden? War es einfach eine Bauchlaune oder der Versuch bereits mit dem Bandnamen den Unterschied zwischen den Leuten vor und auf der Bühne zu eliminieren?
Michael: Die letzte Aussage würde ich auf jeden Fall unterstreichen, allerdings war es wohl doch eher ein Bauchgefühl. Ich glaube wir haben erst im Nachhinein drüber nachgedacht für was der Name alles stehen könnte.

Und für was steht er?
Bernd:
Man kann das direkt mit unseren ersten Songs, die wir geschrieben haben, in Verbindung bringen. Da ging es auch immer um Leute, die irgendwas mit einem Publikum zu tun hatten. Also „John McEnroe“ zum Beispiel oder „Ali” oder... (es entsteht eine lange Denkpause)... wie heißen unsere Songs noch mal? (lacht) „James Bond“ ist auch ein gutes Beispiel, also eben immer Charaktere, die irgendwie in den Medien stattfinden und Zuschauer dabei sein können und dadurch in den... Kreislauf der... multimedialen Konsumgesellschaft eingeführt werden.
Sebastian: Wir sind auch jetzt noch mit dem Namen zufrieden, nicht so wie viele andere Bands, die sich schon nach wenigen Jahren darüber ärgern.

Ihr kommt es dem beschaulichen Nest Hersbruck, wurde dadurch schon die Grundlage gelegt, später mal in einer Band zu spielen oder wahlweise im Fußballverein. War das Musik machen eher Beschäftigungstherapie oder schon immer ein großes Ziel?
Michael:
Das spielt sicher mit rein, aber die Grundlagen für unsere musikalische Begeisterung wurden sicherlich schon viel früher gelegt. Und sei es nur durch den Flötenunterricht im Alter von sieben oder acht Jahren. Später ist es dann in so einer kleinen Stadt aber schon einfacher in diese Richtung zu gehen, weil man um die bereits existierenden Bands fast nicht drum herum kommt. Es gab dann eben The Robocop Kraus und andere Bands, die auch auswärts gespielt haben und das ganze dadurch angestoßen haben.
Bernd: Und wenn man da einmal drin ist, kommt man auch nicht mehr so schnell raus.
Sebastian: Will man auch gar nicht (grinst).
Bernd: Ich hab mich in dieser Szene auch immer ziemlich aufgehoben gefühlt.
Michael: Es ist in der Kleinstadt halt alles viel komprimierter, weswegen du dich dann meistens für eine Sache entscheidest.

Gibt es die Szene in Hersbruck immer noch, nachdem die meisten Bands weggezogen sind?
Michael:
Die Frage ist, ob man die Szene überhaupt so benennen kann. Wenn man das aber musikalisch festmacht, glaube ich, dass es diese Szene in der Form dort nicht mehr gibt. Es kommen schon viele Bands nach, aber die gehen alle in andere Richtungen. Musikalisch, aber auch ideell.

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Glaubt ihr, dass sich die neuen Bands dort noch an The Robocop Kraus, euch oder auch an Bands wie Yucca oder The Plane Is On Fire orientieren?
Michael:
Ich glaube nicht, weil sie aus ganz anderen Richtungen kommen. Die haben andere Vorbilder und ganz andere Hintergründe. Vielleicht bewegen sie sich auch ganz bewusst weg von den genannten Bands.
Bernd: Was nicht heißt, dass die neuen Bands alle Müll wären. Manche sind mit ganzem Herzen dabei und machen das, was sie gut finden mit all ihrer Kraft, aber es ist schlichtweg nicht unser Ding.
Michael: Es wird in Hersbruck auch immer schwieriger, weil die Plattform nicht mehr so da ist. Es finden immer weniger Konzerte statt, da hatten wir es noch etwas einfacher.

Was war bisher das Spannendste in der Bandgeschichte? War das die Platte zu machen oder eine bestimmte Tour?
Bernd:
Ich glaube die erste Tour war schon das Aufregendste, weil da auch noch alles selbst organisiert war und wir das Glück hatten zehn Shows am Stück zu spielen und zwar nicht nur in der Region, sondern eigentlich quer durch Deutschland.
Sebastian: Da gab es auch immer völlig verschiedenes Publikum, manchmal haben wir vor leerem Haus gespielt und dann plötzlich vor ganz vielen Zuschauern, wenn man es gar nicht erwartet hatte.
Bernd: Das lag auch an den positiven Rückmeldungen, denn man kann ja nicht erwarten, dass einen die Leute so toll finden, wenn man das erste Mal in einer Großstadt wie Hamburg spielt. Denn die Leute dort haben schon große Bands wie... die Beatles gehört und dass sie sich dann herablassen und sich eine kleine Band aus Hersbruck zu Gemüte führen ist schon eine Besonderheit.
Michael: Die Aufregung von damals habe ich allerdings bis heute noch und ich versuche mir das auch zu erhalten, weil das den Spaß an dem ganzen ausmacht.
Bernd: Richtig, die Aufregung ist eigentlich nicht geringer geworden.

Auf der neuen Platte sind ja alle Titel mehr oder weniger nach Filmen benannt, würdet ihr sie deshalb als Konzeptalbum bezeichnen? Könnt ihr mit dem Begriff was anfangen?
Sebastian:
Das war natürlich nicht von Anfang an geplant, aber uns ist schon aufgefallen, dass die meisten Titel mit dem Thema in irgendeiner Hinsicht spielen und deshalb wollten wir den Faden aufnehmen und das komplett durchziehen, um ein stimmiges Bild abzugeben und ein geschlossenes Konzept zu haben. Aber wir haben uns nicht hingesetzt und gezielt versucht zu bestimmten Themen Songs zu schreiben. Deshalb ist es auch eher kein Konzeptalbum.
Michael: Bevor klar war, dass wir das Album auf Hazelwood veröffentlichen, haben wir uns über solche Sachen eigentlich auch nie Gedanken gemacht. Erst dann wollten wir mal anders an die Sache herangehen und haben uns auch mal auf solche Dinge konzentriert, weil uns vorher gar nicht so bewusst war, wie so was auch nach außen hin wirkt.

Habt ihr die Filme selbst alle gesehen, die dahinter stehen?
Bernd:
Bis auf „Moontrap“ müsste ich eigentlich alle - zumindest ansatzweise - gesehen haben.

Interessant ist, dass man als Hörer ja dann wahrscheinlich sofort an die Filme denkt und die Songs direkt damit assoziiert.
Bernd:
Ich weiß gar nicht, ob man das tut, wenn man die Songs zum ersten Mal hört. Zumal von den elf Titeln wohl lediglich fünf richtig bekannt sind. Bei den anderen, wie zum Beispiel „Mint 400“ muss man schon mehr drüber nachdenken, um da einen Zusammenhang zu finden. Denn jeder kennt vielleicht „Fear And Loathing in Las Vegas“, der Begriff „Mint 400“ ist aber eher unbekannt.
Sebastian: Es ist mehr ein Gimmick. Das soll nicht ganz nach vorne schreien und die Leute anplärren, sondern ist mehr für jemand gedacht, der sich mal zwei Stunden Zeit nimmt und sich dann vielleicht denkt, dass die Band sich wohl damit auseinander gesetzt hat.

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Songtexte haben ja generell verschiedenste Bedeutungen: manche sollen zu etwas aufrufen, andere sind Selbsttherapie für Künstler und wieder andere wollen einfach nur Geschichten erzählen. Wo würdet ihr eure einordnen?
Bernd:
Es sind auf jeden Fall eher Geschichten, weniger ein Aufruf und auch keine Anstachelung zur Revolution. Es gibt einen kleinen therapeutischen Anteil, aber der ist im Gegensatz zu anderen Songtexten auch zu vernachlässigen.
Sebastian: Ich würde unsere Texte eher wie Gedichte angehen. Es geht weniger um Informationsvermittlung, sondern vielmehr um die künstlerische Seite und die Verwendung von Sprache. Da gilt es auch alles zwischen den Zeilen mit einzubeziehen.
Bernd: Ich habe da den Anspruch Kleinigkeiten einzufangen und sie in den Blickwinkel des Betrachters zu ziehen.
Michael: Bei Sprache geht es ja nicht nur um den Inhalt, sondern auch um die Tatsache, wie sie klingt, was man für Metaphern malt und was dabei für Bilder entstehen. Deswegen ist es oft auch gar nicht gut, wenn man von dem Satz wie er auf dem Papier steht ausgeht. Wichtiger ist es, wie sich ein Satz anhört, wie er sich in die Musik einfügt, ob er hart oder weich klingt, deswegen ist der Inhalt auch nur eine Komponente.
Sebastian: Oft scheint es nur um Informationsvermittlung zu gehen, aber da könnte man ja auch gleich ein Buch schreiben.

Habt ihr im Kopf, wo die Band in zwei Jahren stehen soll?
Bernd:
Von uns hat keiner einen festgesteckten Plan, was passieren muss. Natürlich denkt man daran vielleicht in zwei Jahren wieder ein Album aufzunehmen, aber bis dahin, wollen wir einfach nur so viel spielen wie möglich. Viele Touren zu kriegen und so viele Menschen wie möglich zu begeistern. Das ist ja auch Schönste an Musik und wovon gerade unsere Musik lebt. Die Kommunikation von der Bühne zum Publikum.
Michael: Die einzigen zwei Ziele sind eigentlich spielen, spielen, spielen und...
Bernd: ...schwitzen, schwitzen, schwitzen.

Welche Schlagzeile würdet ihr in drei Jahren gerne über euch lesen?
Bernd: „Legendäre Band verliert Sänger durch Drogeneskapaden“ (lacht)

Die ist doch alt.
Sebastian:
Aber immer wieder gut.
Michael: Ich glaube es wäre schon toll, wenn in drei Jahren überhaupt eine Schlagzeile über uns stattfinden würde. Das würde mir jetzt schon reichen, egal ob die dann positiv oder negativ ist. Das würde nämlich bedeuten, dass es uns dann immer noch gibt.

Im Ernst: Gibt es irgendwas, was ihr gerne über euch lesen würdet, bei dem dann auch merken würdet, dass sich jemand intensiv mit euch beschäftigt hat.
Bernd:
Ich glaube das einzige, was uns wichtig ist, wäre die Tatsache, dass mehr Musiker weniger ihre ganze Kraft in die Produktion einer Platte stecken würden, sondern mehr Kreativität in die Songs, um alles energetischer und schöner zu gestalten, anstatt alles mit Aufnahmetechnik zu kompensieren. Wenn jemand so was bei uns erkennt, würde uns das sehr schmeicheln.
Sebastian: Du sprichst hauptsächlich von der Musik auf Antenne Bayern?
Bernd: Nein, auch was die ganze Indie-Sache betrifft. Da gibt es so viele Platten, die auf dem selben Level produziert sind. Es traut sich keiner mehr eine schlechte Aufnahme abzuliefern, die aber vom musikalischen her total gut ist und wo die schlechte Aufnahme auch zur Musik passt. Wo nicht darauf geschaut wird, dass es möglichst radiotauglich ist oder von möglichst vielen Indie-Discos gespielt wird, weil darauf die Leute tanzen, weil es einfach so fett produziert ist, sondern mal wieder die Qualität der Musik an erster Stelle steht und nicht die Technik, die die Musik auf den Ton verebnet. Das wäre vielleicht mal eine Sache, die... revolutionär wäre (alle lachen).

Interview und Text: Sebastian Gloser
Fotos: Pressefreigaben


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