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SDNMT Interview

...and the elephants lose their frown

 

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Postrock. Ein Begriff, der sich in den letzten Jahren herausgebildet hat und bei dem heute eigentlich schon keiner mehr weiß, wie und warum er geboren wurde und vor allem was er aussagen soll. Vielleicht nur eine weitere stilistische Schublade, aber immerhin eine, die überquillt von Ideen. Bezeichnet werden damit nämlich zumeist Bands, die in erster Linie instrumental agieren, die sich selten auf den Song an sich fixieren, sondern vielmehr auf Stimmungen, Flächen und eine dichte Atmosphäre. Wunderbares Kopfkino versteckt sich da oft hinter Titeln, die meistens irgendetwas mit Formen oder Natur zu tun haben. Seidenmatt bilden da zunächst mal keine Ausnahme.

2003 erschien ihr Debütalbum „Wasserluft“ auf dem Berliner Label Sinnbus Records und offenbarte wunderschöne Songs, die einen träumen ließen oder öde Zugfahrten zu einem echten Ereignis gestalten konnten. Gesang gab es keinen, dafür Songtitel, die weit gefasst waren und einen ins Grübeln brachten. „Ziel verfehlt“ oder „Alles behalten“ hießen die zum Beispiel und bildeten die Brücke zur bereits deutlich ausgefeilteren zweiten Platte „If You Use This Software Often – Buy It“. Nun hatten die Stücke Namen wie „Kontinental“ oder „Weiß, blickdicht“, waren immer noch undurchdringbar auf den ersten Blick und entpuppten sich erst nach und nach als kleine Meisterwerke. Der Gesamtsound war dichter, elektronische Elemente wurden verstärkt eingesetzt und dennoch war es wieder das perfekte Zusammenspiel aus Schlagzeug, Gitarre(n) und Bass, das alles zusammenhielt.

Vier Jahre nach dem Erstling erscheint nun Album Nummer drei mit dem verwirrenden Titel „The Goal Is To Make The Animals Happy“ und es hat sich wieder mal einiges getan. Mit Sebastian Cleeman (auch Kate Mosh, Petula) hat man einen langjährigen Freund und Helfer fest integriert und ist damit um einige Facetten reicher geworden. Den eigenen Stil hat man weiter perfektioniert, den Bandnamen auf SDNMT verkürzt und damit fast ein eigenes Trademark geschaffen. Veröffentlicht wurde wie immer über das Label Sinnbus Records, welches die Gruppe vielleicht wie keine andere mitgeprägt hat. Und das in doppelter Hinsicht, denn erstens ist das Berliner Kollektiv musikalisch - abgesehen von elektrolastigen Acts wie Ampl:tude und Bodi Bill - immer noch auf feinsten Postrock spezialisiert und zweitens gibt es zwischen Sinnbus und SDNMT Personalüberschneidungen. Bleibt da überhaupt noch genug Distanz zur eigenen Kunst übrig? Das Ergebnis gibt ihnen jedenfalls recht, denn auch das dritte Werk ist ausgezeichnet gelungen und damit gleichzeitig die kompletteste Veröffentlichung bisher. Das wollten wir natürlich genauer wissen und was das mit dem merkwürdigen Albumtitel auf sich hat sowieso. Fragen, die wir der Band vorgelegt haben und die zunächst basisdemokratisch in regem Email-Kontakt untereinander beantwortet wurden, bevor sie von Matthias zusammengefasst hat.

Was war das Ziel mit der neuen Platte? Einfach neue Songs aufzunehmen oder gab es etwas ganz Konkretes, was man erreichen wollte?
Ziel jeder neuen Platte ist ja irgendwie, die Entwicklung der Band an einem bestimmten Punkt festzuhalten und zu dokumentieren. Natürlich will man auch bestimmte Sachen ausprobieren und besser machen als bei den Platten vorher. Angefangen bei den Stücken selbst und ihrem Entstehungsprozess bis zu dem Aufwand, den man mit den Aufnahmen betreibt. Wir haben zu Beginn ernsthaft überlegt, wesentlich mehr Geld für die Produktion auszugeben und auch vielleicht einen etwas namhafteren Produzenten mit ins Boot zu holen, uns dann aber dafür entschieden, es wieder mit unserem kleinen Kreis zu versuchen. Im Nachhinein war das auf jeden Fall die richtige Entscheidung und wir sind sehr glücklich damit. Wir haben uns diesmal insgesamt mehr Zeit genommen, sind vorher zusammen weggefahren um an den Stücken zu arbeiten und Probeaufnahmen zu machen, und haben uns dann auch zusammen mit unserem Freund Robert Steiger viel Mühe bei den Aufnahmen gegeben. Ganz konkret wollten wir also gute neue Songs besser aufnehmen.

Es gibt zum ersten Mal richtig Gesang auf dem Album, wie kam es dazu?

Nicht zuletzt durch die Erweiterung der Band und die neuen Möglichkeiten, die das rein musikalisch mit sich bringt. Einen genauen Plan gibt es dahinter eigentlich nicht, Sebastian hat einfach schöne Melodien und Worte für die Stellen gefunden, an denen wir dachten, das Gesang genau das Richtige wäre.

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In der Info zum Album heißt es, dass eine „hörbare Körperlichkeit“ erzeugt werden sollte. Waren euch die bisherigen Alben zu mechanisch, zu wenig „menschlich“?

Wir finden die alten Alben auch nicht gerade unmenschlich, aber das neue Album ist auf jeden Fall insofern menschlicher, als dass diesmal die meisten anderen Instrumente neben Gitarre, Bass und Schlagzeug nicht vom Rechner simuliert, sondern in echt und von echten Menschen gespielt und aufgenommen wurden. Das hört man irgendwie auch und es tut der gesamten Atmosphäre der Platte sehr gut. 'Hörbare Körperlichkeit' ist aber auch ein Superbegriff und drückt in ungefähr das aus, was wir mit unserer Musik vermitteln wollen. Wie schon gesagt versuchen wir mit jeder Platte ein Stück näher an das zu kommen, was wir uns unter unserer Musik vorstellen, und wenn die neue Platte homogener und wärmer klingt als die Alben vorher, dann ist das gut so.

Der Albumtitel „The Goal Is To Make The Animals Happy“ klingt zunächst sehr abstrakt, was war der Hintergrund? Und warum wird das in den einzelnen Songs nicht weitervertieft bzw. vielleicht sogar mal in Texten thematisiert?
Wie viele andere Textzeilen ist uns auch diese irgendwann begegnet, und wir konnten uns am Ende leicht darauf einigen, auch wenn jeder mit dem Titel etwas anderes verbindet. Eigentlich stammt diese Handlungsanweisung aus einem Computerspiel, aber so aus dem Bezug gelöst ist es ein schöner Satz, den man auch in seiner einfachen Lesart ruhig so stehen lassen kann. Er ist in seiner Schlichtheit und auch Naivität irgendwie sehr beruhigend und passt einfach gut zur Musik und der Stimmung auf der Platte. Wenn man etwas kritischer an die Sache rangeht, kann man allerdings auch viele Fragen stellen: Ist das wirklich das Ziel? Was genau ist dann Glück? Können Tiere überhaupt glücklich sein? Sind Menschen auch Tiere? Es gibt bestimmt verschiedenste Interpretationen, wie der Titel denn nun genau zu verstehen sei, aber letzten Endes überlassen wir das gerne dem Hörer.

Das Bandgefüge scheint bei euch recht offen zu sein, welche Vor- und Nachteile bringt das mit sich?
Der Kern der Band ist mit Jan, Martin, Florian und Matthias schon immer der gleiche, und Anne hat mit ihrem Cello auch einen festen Platz im Team. Wir hatten nach der letzten Platte live öfter mal Leute dabei, die uns an der zweiten Gitarre unterstützt haben, und bei dieser Platte war Sebastian schon bei der Entstehung der Stücke mit dabei. Wir hatten also diesmal mehr Möglichkeiten, bestimmte Ideen direkt umzusetzen und auszuprobieren, was definitiv ein Vorteil ist. Auch hat man noch eine Meinung mehr dazu, wie dies oder jenes klingen sollte, was mitunter anstrengend sein kann, aber den Stücken auch sehr gut getan hat, da sich jeder ein Stück zurücknehmen musste, um Raum zu lassen für ein zusätzliches Instrument. Wir wollten ja nicht einfach noch was obendrauf packen, sondern zusammen und miteinander spielen. Der Nachteil an einer ständig wechselnden Besetzung ist ganz klar, das man relativ viel Zeit damit verbringt, alte Stücke mit neuen Leuten zu proben, sowie die hohe Telefonrechnung. Wir suchen da gerade noch nach einer praktikablen Lösung.

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Kate Mosh haben ihre letzte Platte bei Nois-o-lution veröffentlicht, weil sie unter anderem Organisatorisches abgeben wollten. War das bei euch als eine Band, die ebenfalls direkt bei Sinnbus involviert ist, nie ein Thema?
Sdnmt ist Sinnbus, wir sind von Anfang an dabei und der gemeinsame Weg war und ist ein guter. Es ist uns eine Ehre auf dem selben Label wie Bodi Bill, Audrey, Beach usw. zu sein. Und auch wenn manchmal die Aufgabenverteilung nicht so klar verteilt und abgegrenzt ist, wie sie es in einem anderen Zusammenhang vielleicht sein könnte, können wir uns kein besseres und sympathischeres Label in Deutschland vorstellen. Es ist ein gemeinsames Wachstum, das allen Beteiligten zu gute kommt, und es ist schön ein Teil davon zu sein.

Ihr habt relativ überraschend einen Headlinerposten beim diesjährigen Immergut Festival übernommen, was war das für ein Gefühl?
Das Immergut ist mit Sicherheit unser Lieblingsfestival und war es auch schon vor der Anfrage. Natürlich ist es ziemlich aufregend, so spontan um diese Uhrzeit auf so eine große Bühne zu gehen, während die Leute davor zum Großteil noch auf Namen warten, die sie von Zeitschriftencovern kennen. Dann war es aber nur noch eine überwältigende und sehr geehrt gefühlte Geilerei. Danke dafür.

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