Wegweiser durch sellfish.de

independent online music  |  info@sellfish.de

Malajube Interview

Reif für die Insel

 

malajube02.jpg

Es ist Mitte September und ich betrete den Backstageraum des Nürnberger MUZ-Clubs auf der Suche nach einem Interviewpartner. Im besten Fall einem Mitglied der kanadischen Rockband Malajube. Vor mir sitzt ein fünfköpfiges Knäuel aus amtlichen Bärten, noch längeren Haaren, verschlafenen Gesichtern und das alles eingepackt in farblose Kapuzenpullis. So sehen Menschen aus, die seit fast zwei Jahren permanent um die Welt reisen, um ihr Album der Weltöffentlichkeit vorzustellen. „Trompe-l’œil“ heißt dieses und ist eine ziemlich fantastische Mischung aus verschachteltem Indierock, experimentellen Pop, ein wenig Posthardcore, einer Prise Glam und jeder Menge Irrsinn. Das ist fordernd und manchmal anstrengend – im positiven Sinne. Für den Hörer, offensichtlich aber auch für die Band.

„Das hier ist Sebastian. Wer möchte das Interview machen?“, fragt Christian, der Tourmanager, in die Runde. Aus dem Knäuel kommt keine Antwort. Lediglich ein kleines Stöhnen ist zu vernehmen. Schon mal eine gute Vorraussetzung für eine angenehme Befragung. Das schreit förmlich nach aufgeschlossenen Interviewpartnern. „C’mon guys!“, schiebt Christian fordernd hinterher. Zwei weitere Überzeugungsversuche später, legt Bassist Mathieu Cournoyer murrend den Laptop beiseite und deutet sogar eine Bewegung an, als würde er aufstehen. Tut er dann sogar auch, nur um dann noch einmal zurück auf die Couch zu fallen.

Kurze Zeit später befinden wir uns dann aber doch im hauseigenen Tonstudio des MUZ-Clubs. Nicht gerade der schlechteste Ort für eine passable Aufnahmequalität beim Interview. Dann beginnt ein knapp zwölfminütiger Marathon, bestehend aus schlechtem Englisch und vielen fragenden Blicken auf beiden Seiten, bevor wir uns zum Schluss doch noch etwas gelockert über ...But Alive, das kanadische Label G7 Welcoming Committee Records und die neue Weakerthans-Platte unterhalten. Zu dem Zeitpunkt ist das Aufnahmegerät natürlich längst ausgeschalten. Übrig bleibt ein kompakter Rückblick auf das aktuelle Album und die letzten zwei Jahre, sowie ein kleiner Ausblick auf das, was kommen könnte.

Jeder spricht euch darauf an, dass ihr auf französisch singt. In England oder Deutschland wirkt das natürlich erst einmal sehr exotisch, aber wie ist das eigentlich bei euch in der Gegend aus der ihr kommt, seid ihr dort ebenfalls eine Ausnahme?
Nein, eigentlich nicht. Dort singen viele Bands auf Französisch, die machen nur alle... keine gute Musik (lacht). Nein, so meine ich das natürlich nicht. Die meisten machen eben keine Musik, die international erfolgreich sein könnte oder beziehen sich nur auf Musik, die genau so schon mal da war. Wir haben sogar auf Englisch begonnen, dachten uns dann aber, dass es witziger wäre es mal auf Französisch zu probieren. Das ist auch eine größere Herausforderung.

Selbst wenn man in der Schule Französisch gelernt hat, ist es nicht ganz einfach eure Texte zu verstehen. Worum geht es auf dem Album, gibt es ein spezielles Thema?
Nein, nicht wirklich. Es geht um viele verschiedene Dinge. Allerdings hat jeder Song irgendwie mit Krankheiten zu tun, was aber eher ein Zufall ist und damit zu tun hat, dass als wir mit den Aufnahmen des Albums begonnen haben viele Menschen aus unserem Umfeld plötzlich krank wurden oder sogar gestorben sind. Es gibt also doch in gewisser Weise ein übergeordnetes Thema, fast wie ein Konzept.

malajube03.jpg

Du würdest es aber nicht als Konzeptalbum bezeichnen?
Nein, weil es nicht darauf ausgelegt war, sondern uns eher erst im Nachhinein aufgefallen ist.

Wäre das vielleicht mal eine Idee für die Zukunft, ein Konzeptalbum zu machen?

Puh, keine Ahnung. Ich besitze selbst nicht besonders viele Konzeptalben, aber es wäre sicher eine interessante Sache. Mal sehen.

Eure Musik klingt sehr bombastisch, ist es euer Ziel viele Songs mit möglichst vielen Instrumenten voll zu packen?

Nein, ich glaube das lag einfach daran, dass wir bei unserem zweiten Album mehr Zeit im Studio hatten und einfach was Neues ausprobieren wollten.

Welchen Effekt wollt ihr mit diesem Sound erzielen?

Weiß ich nicht genau. Wenn wir das Studio verlassen, wollen wir einfach selbst damit zufrieden sein, bevor irgendwer anderes dazu eine Meinung entwickelt. Wir machen die Musik nur für uns selbst und erst dann für alle anderen. Ich persönlich mag es, wenn die Songs so richtig schön in-your-face sind und Überraschungen beinhalten. Manchmal hört man Songs und weiß nach fünf Sekunden genau, in welche Richtung sie gehen werden.

Ist es schwierig für euch beim Aufnehmen einen Song zu beenden, ihn für fertig zu erklären?
Ja, das ist unser Hauptproblem. Wir konnten nie mit einem Song abschließen. Eine Woche nachdem wir etwas aufgenommen hatten, sagten wir wieder: "Los, lass uns das noch mal machen!" Zum Glück gab es irgendwann einen Abgabetermin, bei dem wir dann endlich sagen konnten: "Schluss jetzt!" Ich glaube beim nächsten Album setzen wir uns gleich einen Stichtag.

Humor und Spaß sind bei euch zentrale Themen. Sowohl bei der Bandgründung als auch beim Songwriting. Ist Humor auch etwas, dass ihr mit euren Liedern vermitteln wollt?
Nicht generell, aber in einigen Stücken auf jeden Fall. Aber natürlich gibt es tolle Musik zu der man weinen kann, insofern... Nein, es geht nicht grundsätzlich um Spaß, wir sind ja auch nicht gerade eine Partyband. Naja manchmal schon (lacht).

In wiefern unterscheidet sich ein Malajube-Konzert vom Album?
Unsere Auftritte sind rockiger, aggressiver, lauter, direkter. Auf dem Album ist alles etwas sanfter.

Ist das schwierig die Konzerte aggressiver zu gestalten, wenn man so müde und kaputt ist?
Ja, inzwischen auf jeden Fall, weil wir mit diesem Album einfach schon so lange auf Tour sind. Es macht immer noch viel Spaß, aber wir sind schlichtweg müde. Wir müssen mal neue Songs schreiben, die alten haben wir schon zu lange im Gepäck. Bis jetzt langweilen sie uns aber auch noch nicht.

malajube01.jpg

Ihr habt einige Support-Shows für Arcade Fire gespielt, seid ihr in der kanadischen Musikszene verwurzelt oder betrachtet ihr euch eher etwas als Außenstehende?
Das ist eigentlich eine recht kleine Szene in Montréal. Deswegen ist es auch recht einfach Kontakte zu knüpfen. Arcade Fire, Broken Social Scene oder Wolf Parade - das sind alles Bands mit denen wir schon spielen konnten oder auch einfach mal nur ein Bier trinken gehen.

In euren Musikvideos gibt es kaum Bandperformances von euch zu sehen, wollt ihr euch nicht beim Spielen zusehen müssen?
Nein, das ist es nicht. Es ist einfach viel unterhaltsamer ein Video zu sehen, in dem die Band nicht einfach nur den Song spielt. Vielleicht sollte es in einem Musikvideo ja genau darum gehen, aber für uns ist das nichts.

In den Videos kommen auch andere Kunstformen zum Ausdruck. Inspirieren diese euch auch beim Songwriting oder holt ihr euch da vor allem durch andere Musik Anregungen?
Meistens durch Musik oder durch das Zusammenspiel untereinander. Bei dem aktuellen Album hingen vier Monate aufeinander rum und waren dementsprechend sehr auf uns fokussiert, beim nächsten Album wird das vielleicht anders, weil durch unsere Reisen viel mehr Eindrücke aufgenommen haben. Meine Güte, zwei Jahre bin ich jetzt mit diesen Typen unterwegs. Ich habe sie öfter gesehen, als meine Freundin...

Wie sieht es mit dem nächsten Album oder überhaupt neuen Songs aus?

Wir haben so vier oder fünf Entwürfe, aber noch nicht viel mehr. Ich denke aber, dass wir den Winter dazu nutzen werden, um produktiv zu sein und wir werden dann auch ins Studio gehen. Keine Ahnung, wie lange das dauern wird.

Habt ihr schon eine Ahnung in welche Richtung es gehen wird?

Nein, kein Stück, denn die vier Songs sind alle so unterschiedlich. Und im Studio werden wir dann eh wieder alles auf den Kopf stellen, insofern hängt es wohl vor allem davon ab, in welcher Stimmung wir sind, wenn wir ins Studio gehen. It could be more metal or more mellow.

Was hörst du denn zu Hause für Musik: Hardcore, Punk, Pop, Electro?

Electro ist wahrscheinlich das einzige, was ich nicht mag. Ansonsten mag ich viel Hardcore-Kram, aber auch Johnny Cash oder Bright Eyes zum Beispiel.

Letzte Frage: Vor einiger Zeit hattet ihr auf eurer MySpace-Seite bei den Einflüssen "pluie de sang à helisinki" (Blutregen in Helsinki) stehen, was hat es damit auf sich?
Was stand da??? Ich habe keine Ahnung (lacht). Blutregen in Helsinki... was zur... Das wüsste ich jetzt dann doch gerne.

Du solltest mal besser bei deinen Kollegen nachfragen...
Ja, das werde ich tun. (überlegt) Ich meine wir waren in Helsinki, aber dort war definitiv kein Blutregen (lacht). Vielleicht werden wir das ja nach der nächsten Platte wissen...

Interview und Text: Sebastian Gloser
Fragen: Verena Kurz und Sebastian Gloser
Fotos: Pressefreigaben


Zum Seitenanfang

ERROR!