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Shout Out Louds Interview

Pop Is Always Good

 

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Adam Olenius

Adam Olenius sitzt mit verschränkten Beinen im Nieselregen unter einer Plane und lässt die Fragen eines Journalistenpärchens geduldig über sich ergehen. Zusammen mit Carl von Arbin, dem Gitarristen der Band, gibt sich der Frontmann und Sänger Olenius alle Mühe, fröhlich und aufgeweckt auszusehen. Überhaupt macht er einen aufgeräumteren Eindruck als noch beim Interview vor 1 1/2 Jahren. Und als wir schließlich in den Bauwagen des Immergut-Festivals klettern und uns in die weich gepolsterte Garnitur der Sofas fallen lassen, kommt sogar eine fast familiäre Stimmung auf. In der Ecke sitzt Eric Adman, daneben Adam, mir gegenüber Carl. Gemütliche Plauderrunde. Essen kommt. Im Hintergrund wummert die befremdliche Klangwelt des Tied & Tickled Trio.

Lange mussten Fans auf ein neues Shout out louds Album warten. Drei Jahre ist es jetzt her, dass "How Howl Gaff Gaff" erschien. Ein so lockeres Hitalbum hatte selbst Skandinavien seit einiger Zeit nicht mehr gehört. The Cure, Smiths - die Band vergriffs sich an bewährten Songstrukturen und polierte sie auf. Dazu Olenius unverkennbar von Robert Smith inspirierter Gesang, eine geheimnisvolle Blondine hinter dem Keyboard und der Ohrwurm "Please Please Please" - fertig war eine skandinavische Erfolgsband. Mit gebührendem Abstand darf das Debüt wohl durchaus als perfektes Album in die Analen der Musikhistorie eingehen. Bloß: wie weitermachen? Was lässt sich mit einem Zweitwerk noch sagen?

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Carl von Arbin

Mal Hand aufs Herz: wie einfach ist es, einen Popsong zu schreiben?
Adam: Verdammt einfach! (lacht) Nein, wenn du einen interessanten Popsong schreiben willst, wird die ganze Sache kompliziert. Innerhalb von drei Minuten alles zu sagen, Texte und Musik aufeinander abzustimmen - das ist schwierig. Wenn man das ganze plant. Bei uns platzen viele Popsongs aber einfach so heraus, während andere Songs wie ein Haus aufgebaut werden müssen. Wie Architektur.

Macht ihr oft die Feststellung, dass ein Popsong zu schmierig, zu einfach wird?
Adam: Klar. Das passiert. But Pop is always good! Wenn du den richtigen Dreh raus hast.

Ist euch eigentlich bewusst, dass ihr mit "Please Please Please" den perfekten Popsong geschrieben habt?
Carl: Denkst du echt?

Ja! Wenn ihr in deutsche Indie-Clubs geht und tanzen wollt braucht ihr nicht lange darauf warten...
Adam: Wow, das überrascht mich jetzt schon! Das war nämlich ironischerweise ein Song, der nicht einfach so aus dem Handgelenk entstanden ist. Wir haben sehr lange daran gearbeitet und ihn immer wieder verworfen und neu konstruiert.
Eric: Melodie und Text waren noch das einfachste. Aber der Rythmus, das Schlagzeug. Dafür haben wir ewig gebraucht.

Spielt ihr den Song jedes mal live?

Eric: Nein. Wir stellen die Setlist oft genug um, damit es nicht langweilig wird. Man verfällt nämlich ziemlich schnell in einen Trott, den es aber unter allen Umständen zu verhindern gilt.
Adam: Natürlich können wir verstehen, dass das Publikum enttäuscht ist, wenn wir "Please Please Please" nicht spielen. Aber manchmal sind wir auch einfach nicht in der Stimmung für bestimmte Songs. Jetzt, mit dem zweiten Album, fällt es einem leichter, auch mal auf Songs von "Howl Howl Gaff Gaff" zu verzichten.

War das der Grund dafür, dass es mit dem Zweitwerk "Our Ill Wills" solange gedauert hat? Weil das Debüt einfach so verdammt gut war?
Adam: Oh nein, ganz im Gegenteil. Wir waren auf Tour. Im Flugzeug. Im Bus. Essen. Schlafen. Trinken. Die Welt ist nunmal verdammt groß! (lacht) Uns selbst kam die Zeit deshalb gar nicht so lang vor. Für die schwedischen Fans war es warscheinlich am härtesten, da kam unser Debüt ja schon 2003 heraus.

Hat sich im Laufe dieser Zeit Songmaterial angesammelt? Musstet ihr nur noch das Beste auswählen und ins Studio gehen?
Adam: Ja, so ungefähr kann man das sagen. Besonders als wir ein paar Wochen frei hatten und wir den Studioaufenthalt planten, da wurde uns klar, dass das Album fertig ist. Dass wir es nur noch aufnehmen mussten.
Carl: Das Sprichwort "Das zweite Album ist immer über den Touralltag" stimmt nur zur Hälfte. natürlich hat es uns geprägt, an all diesen Orten auf der Welt gewesen zu sein und so viele verschiedene Menschen getroffen zu haben. Am im Kern geht es der Platte um Veränderungen, die um uns herum stattfinden. Die Menschen, die wir lieben, die sich verändern. Und sich selbst dadurch kennenzulernen. Was ja auch ein sehr schmerzhafter und unheimlicher Vorgang ist.

Bezogen auf den Albumtitel: hattet ihr "ill wills"? Gab es Wünsche, die sich im Laufe der letzten Jahre nicht erfüllt haben?
Adam: Da ging es uns weniger um die Band an sich. "Our Ill Wills" bezeichnet die dunklen, abgründigen Wünsche, die in dir schlummern, die jeder von uns hat. Und die meisten dieser kranken Wünsche äußern sich in der Kunst, in der Musik. Weil man da frei ist und nichts verstecken muss. Manchmal kann man die Wahrheit durch die Kunst fast riechen.

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Eric Adman

Hat die Entscheidung, Musik zu machen, einen geheimen Wunsch erfüllt? Jung zu bleiben, zum Beispiel?
Carl: Wenn ich mir meine Freunde ansehe, die alle normalen Berufen nachgehen, dann ja. Definitiv. Die sind so jung wie wir und haben Familie, Kinder, ein geregeltes Leben. Das ist ja gemeinhin das, was man als "erwachsenes" Leben bezeichnet. Dem muss man sich als Musiker natürlich auch ab und zu aussetzen...
Adam: Wir gehen fleißig auf Hochzeiten anderer! (lacht) Ich glaube es liegt nicht so sehr an der Musik, die dich jung hält. Sondern eher an der Leidenschaft, mit der du ihr nachgehst. Da belibt man automatisch in Kontakt mit dem inneren Kind. Jugend ist ja immer ein Ausdruck von Hoffnung. Diese Form von Jugend kann man sich das ganze Leben erhalten. Und wenn ich jetzt länger drüber nachdenke, glaube ich doch, dass Musik jung hält. Denn wenn ich mir heute die dummen Liebeslieder anhöre, die ich als Jugendlicher gehört habe, fühle ich noch genau das gleiche wie damals.

Seit ihr zu Cosmopoliten geworden? Habt ihr durch das immense Touren einen Teil eures "Schwedischseins" verloren?
Eric: Ich vermisse Schweden immer, wenn ich nicht da bin. Wir reden auch viel innerhalb der Band darüber.
Carl: Man fängt plötzlich an, das ganze zu romantisieren. Zuhause sind wir gar nicht so patriotisch. Aber jetzt gerade, wo auch noch die schwedische Nationalmannschaft spielt, da wird man doch etwas wehmütig. Aber irgendwie finde ich es auch richtig, sich in kleinen Dosen zu seiner Heimat, seinem Zuhause zu bekennen. Nicht politisch, aber menschlich.

Essen kommt rein. Aufwendig dekoriert. Alle staunen.
Carl: Wow, seht euch das an. Feels like my birthday!
Eric: Happy Birthday, Carl!

Ihr habt mit einem Produzenten zusammengearbeitet, der auch Songwriter ist (Bjorn von Peter Bjorn and John). Hilft das?
Adam: Ich denke schon. Er hat zwar nicht an den Songs selbst mitgeschrieben. Aber alles andere hat er sehr stark beeinflusst. Irgendwie schafft es ein Songwriter besser, einen anderen Songwriter zu begeistern. Man hat die gleiche Gefühlsebene. Man redet mehr über das Wesen eines Songs als über den technischen Aspekt.

Hat Bjorn einen Stempel hinterlassen?
Adam: Du meinst eine Signatur?

Ja. Die Kuhglocke zum Beispiel...
Adam: Ah. Ja, im ersten und im letzten Song, das stimmt. Das ist eigentlich ein Agogo, eine etwas andere Version einer Kuhglocke. Aber stimmt schon, man kann hören, dass Bjorn das Album produziert hat. Aber nur deshalb, weil wir auch wollten, dass es so klingt. Rythmus und Percussion stehen ziemlich im Mittelpunkt. Selbst bei der Intonation der Worte haben wir auf Rythmik geachtet.
Carl: Bjorn arbeitet mit sehr wenig Spuren.

Ihr habt das Cover selbst gestaltet? Wie viel steckt von der akademischen Kunstausbildung, die ihr genossen habt, noch in euch?
Adam: Wir machen alles selbst, deshalb war es uns auch egal, dass wir nächtelang vor dem Computer saßen und mit tränenden Augen verzweifelt herumprobiert haben, was am besten passen würde. Wir wollten sogar das Papier aussuchen, auf dem das Booklett gedruckt wird. Man kann so viel falsch machen.

Es hat mich ein wenig gewundert, dass es sich so vom Debüt-Cover unterscheidet.
Eric: Stimmt. Es ist viel grafischer. Wir haben unseren Proberaum in einem alten Hotel, das mal als Navy-Stützpunkt diente. Da liegen noch Unmengen an Flaggen herum, die uns schließlich auf die Idee für das Cover gebracht haben. Das ist uns wahrscheinlich noch von der Uni geblieben: in Kleinigkeiten Ideen zu entdecken, die man dann später zusammen ausarbeiten kann.
Adam: Schau dir bloß mal diesen Tisch hier an. Den hat auch irgendwer designed. Alle Gegenstände um uns herum wurde von Menschen erschaffen, die sich etwas dabei gedacht haben.

Interview + Text: Robert Heldner
Fotos: sellfish.de


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