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Kristofer Åström Interview

Bau mir ein Haus!


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Der Schwede Kristofer Åström hat eigentlich schon alles gemacht. Er hat mit seiner Band Fireside den Übergang von Hardcore zu Rock geschafft. Er hat auf Rick RUbins Label "American Recordings" veröffentlicht. Er hat die Band Fireside wieder zu Grabe getragen, als sie auch außerhalb Schwedens richtig bekannt wurde. Dann veröffentlicht er ein Solo-Debüt, landet auf dem schwedischen label "Startracks" und veröffentlicht im folgenden weitere fünf Solo-Alben. Mal mit Begleitband Hidden Truck, mal ohne. Und jetzt? Jetzt erscheint "Rainaway Town", schlägt eine weitere Brücke (von Songwriter-Pop zu Alternative-Country) und wird nach eigenem bekunden einen tiefen Einschnitt in der eigenen Karriere bedeuten. Bei dem Oeuvre - wo fängt man da am besten an zu fragen?

Um ehrlich zu sein: "Rainaway Town" ist mein erster Berührungspunkt mit deiner Musik. Glaubst es ist ein guter Einstieg?

Åström: Ich denke schon, ja. Natürlich unterscheiden sich meine Alben. Das letzte, "So Much For Staying Alive", war um einiges härter als "Rainaway Town" - es gab keine einzige Akustikgitarre. Viele Kritiker und Fans mochten es nicht. Das neue Album beschäftigt sich wieder stärker mit meinen Country-Wurzeln, es ist eine Mischung aller bisheriger Alben.

Hat es dich sehr gestört, dass viele Fans und Kritiker das letzte Album nicht so richtig mochten?
Ja. Ich hatte eben etwas neues, vollkommen neues ausprobiert. Zumindest für mich. Ich wollte, dass es komplett anders klingt als alles, was ich vorher gemacht hatte. Das ist es ja auch. Viele erwarteten allerdings ein weiteres, melancholisches Singer/Songwriter-Album. Und das hatten sie leider nicht bekommen.

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Was war für dich ausschlaggebend, "Rainaway Town" zu machen? Neue Texte oder neue Musik?
Beides natürlich. Ich mag es sehr, Texte zu schreiben. Aber sie wären wertlos ohne die Musik dazu. Ich brauche ein Mischung. Darauf achte ich ja auch, wenn ich die Musik anderer höre. Es passiert selten, dass ich einen Song mag, der eigentlich bloß aus einem guten Solo besteht.

Nimmst du viele Demos auf, bevor du ins Studio gehst?

Ja. Vor allem nehme ich unzählige verschiedene Versionen eines Songs auf. Ich brauche sehr lange, bis ich mal zufrieden bin mit einem Song. Erst dann zieht es mich ins Studio.

"Rainaway Town" ist ja trotzdem kein reines Country-Album geworden. War es beabsichtigt, möglichst vielfältige Stilarten unterzubringen?
Nein, am Anfang wollte ich es möglichst simpel halten. Aber ich war dann im Januar auf Tour mit Maria Taylor. Und das hat dann so einiges bewirkt bei mir. Ich wollte dann natürlich unbedingt, dass Maria auf einen Song auf dem Album mitsingt, was sie zum Glück auch getan hat.

Hast du sie nach Schweden eingeladen?
Das ging leider nicht, ihr Tourplan für Amerika stand schon, es war ja eine relativ fixe Idee, sie auf dem Album mitsingen zu lassen. Wir mussten das ganze also über eine Entfernung von einigen tausend Kilometern arrangieren. Ich saß in Stockholm, habe den Song aufgenommen und ihr dann alles über Internet geschickt, damit sie die Vocals dazu singt.

Ich finde ihr ergänzt euch sehr gut. Hast du je daran gedacht, ein Album mit Kollaborationen aufzunehmen? So wie Ane Brun das letztes Jahr getan hat?
Hm, nein, noch nicht. Aber jetzt, wo du es sagst! (lacht) Aber ich hatte ja noch einige andere Gäste auf dem Album. Wobei ich gestehen muss, dass ich oftmals große Probleme damit habe, andere meine Harmonien singen zu lassen. Das liegt wohl daran, dass ich mit mit den Demos so lange beschäftige. Solange, dass sie mir irgendwann in Fleisch und Blut übergehen.

"Just A Little Insane" klingt allerdings wie ein klassischer Country-Song. Hörst du viel Country?
Ja, sehr viel. Und ich wollte auch möglichst viele Songs möglichst klassisch halten. Sehr einfach, leicht konsumierbar. Alles Songs bestehen im Kern nur aus den einfachsten Schulakkorden. Nichts kompliziertes. Komplexer sollten eigentlich nur Stimme und Melodien sein.

Country ist etwas explizit amerikanisches. Wie hast du dir das zueigen gemacht?
In erster Linie mache ich keinen amerikanischen Country. Ich versuche nicht so zu klingen, als sei ich Amerikaner. Ich bin nunmal Schwede, ich bin nicht mit Country aufgewachsen. Ich habe also versucht, meinen eigenen, schwedischen Country-Stil zu entwickeln. Ich denke das hört man auch "Rainaway Town" an. Dass ich ich nicht mit amerikanischen Genre-Größen messen will.

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Das neue Album-Cover gefällt mir mal wieder sehr...
Ja, ein Freund von mir aus Amsterdam, Kalle Mattson, hat es gestaltet. Ich finde es repräsentiert das Album sehr gut. Es ist nicht gerade das Cover, dass die Plattenfirma im Kopf hatte. Aber es fängt nunmal genau die Stimmung ein, die ich mit den Songs erreichen wollte.

Was wollte die Plattenfirma denn für ein Cover?

Ach, irgendeins mit meinem Gesicht drauf. Das ist nicht gerade mein Ding.

Was hat in letzter Zeit einen größeren Einschnitt in deinem Leben bedeutet? Zurück nach Göteborg zu ziehen oder es mit einer neuen Backing-Band zu versuchen?
Ich schätze die Backing Band. Sie haben einen komplett anderen musikalischen Backround als ich. Auch einen völlig anderen als meine frühere Band Hidden Truck, die ja aus einem weiten Punkrock Umfeld kamen. Jetzt habe ich zum ersten mal eine richtige Blues und Country Backing Band, das gefällt mir sehr. Auf einmal fühlen sich die Songs vollkommen neu und anders an. Das gefällt mir sehr.

Warum bist du wieder zurück nach Göteborg? Hast du das Landleben nicht verkraftet?

Nein, es waren verschiedene Gründe. In erster Linie konnte ich mir kein Haus leisten. Wenn sich "Rainaway Town" gut verkauft, baue ich mir ein eigenes. (lacht verhalten)

Bist du kein Stadtmensch?
Doch, eigentlich schon. Ich mag Göteborg, ich mag auch Berlin sehr gerne. Stockholm, Wien, New York. Doch, ich liebe Städte und ich habe viele Freunde über die Welt verteilt. Aber ich ziehe mich eben auch sehr gerne zurück. Und das ist in Städten schwieriger als auf dem Land.

Angenommen du bist irgendwann Musikrentner und schaust auf deine Karriere zurück. Welchen Stellenwert wird "Rainaway Town" einnehmen?
Puh, das ist schwierig. Ich schätze es wird einen signifikanten Einschnitt bedeuten. Einen Neustart. Es wird, genauso wie mein Debüt "Go And Gone", ein sehr wichtiges Album für mich bleiben.

Letzte Frage, sie ist schon fast ein wenig zu gewöhnlich: Wird es neue Fireside Songs geben?
Oh ja, wir haben bereits einige Demos aufgenommen. Und obwohl wir alle momentan noch recht ausgelastet sind: Wir planen definitiv ein neues Fireside Album!

Interview + Text: Robert Heldner
Fotos: Offizielle Pressefreigaben


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