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Dezember Short-Cuts

Dezember 2007: The Tellers / Chikinki / Kawata

Nagelneu bei Sellfish: die Interview Short-Cuts. Von Zeit zu Zeit bekommt ihr von uns jeweils im Dreier-Pack die wichtigsten Kurz-Interviews geliefert. Kurz, prägnant, provokativ. Damit am Ende auch ja keiner sagen kann, wir hätten eine Band übersehen!

Short-Cut 1: The Tellers - Canon-Spot und Arztkittel

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The Tellers aus Belgien

Ben Baillieux-Beynon & Charles Blistin sind The Tellers und reisen gerade durch Europa. Klingt wie eine niedliche Bilderbuchgeschichte? Nun, vielleicht ist es auch eher die Tatsache, dass beide Freunde gerademal 20 sind und genauso klingen, als würde zwei Twens ihrer Liebe zum Folk und Brit-Pop exzessiv nachgehen. Das gefällt einigen nicht. Da gibt es manchmal Menschen, die finden The Tellers klängen wie eine schlechte Libertines-Kopie - bloß mit AKustik-Gitarren. Dabei tun sie den beiden Belgiern unrecht. Denn wenn man deren Debüt "Hands Full Of Ink" länger hört, spürt man diese adoleszente Freude, die uns noch einige großartige Alben bescheren könnte. Wie gut, dass aus dem Akustik-Duo jetzt eine komplette Band geworden ist..

Ihr habt euch noch einen Schlagzeuger und einen Bassisten dazu geholt. warum eigentlich?
Ben Baillieux-Beynon: Charles und ich sind es leid, auf größeren Bühnen nur zwei Akustikgitarren spielen. Da fehlt uns etwas. In kleinen Clubs ist das okay, aber in größeren Venues brauchen wir einfach einen kräftigeren Sound. Außerdem erlaubt uns eine komplette Band, ausgelassener auf der Bühne zu tanzen und nicht immer konzentriert auf die Schuhe zu starren. (lacht)

Werden die beiden Neuankömmlinge auch in den Songwriting-Prozeß integriert?
Das wissen wir noch gar nicht. Die anderen sind erst nach den Aufnahmen zu "Hands Full Of Ink" zur Band gekommen. Aber ich denke schon, dass sie bald eine wichtige Rolle bei The Tellers spielen werden.

War es für euch einfach, eine Bandkarriere in Belgien zu starten?

Wir hatten eigentlich überhaupt keine Probleme. Wir haben diesen Radiocontest gemacht, dann hat das Label angefragt und plötzlich touren wir durch Europa. Belgien ist ein kleines Land. Wenn du da Erfolg hast, wirst du schneller auch im Rest Europas bekannt. Wieviele wirklich große Bands aus Belgien gibt es schon? Girls in Hawaii, da hört es schon auf...

Fühlt ihr euch als Teil einer belgischen Musikszene?

Nein, eigentlich nicht. Was vor allem daran liegt, dass außer Charles keiner in der Band gebürtiger Belgier ist. Wir sind die typischen Mittleklasse-Kids mit Migrationshintergrund. (lacht) Nein, mit einer eigenen indie-Szene haben wir nicht viel am Hut. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir nicht in der Großstadt aufgewachsen sind, sondern auf dem Land.

Wolltest du von Anfang an Musik machen? Mit einer Band bekannt werden?

Eigentlich nicht. Früher wollte ich Fußballspieler werden. (lacht) Charles zum Beispiel hat deshalb angefangen, Gitarre zu spielen, weil er sich zuhause durchtbar gelangweilt hat. Wir wollten keine Band im eigentlichen Sinne. Aber eins ist zum anderen gekommen - und plötzlich läuft es für uns hervorragend.

Ich nehme an deine Eltern haben eine andere Zukunftsvision von dir...?
Oh ja. Meine Mutter sähe mich wahrscheinlich gern im Arztkittel. Das kann sie aber vergessen.

Der Song "Second Category" wurde gerade für einen Canon-Werbespot ausgewählt. Hat euch das gefreut?
Oh ja. Es ist zum einen wunderbare Promotion für unsere Band, gerade jetzt, wo V2Records und Cooperative Music quasi aufgekauft wurden. Zum anderen ist es aber auch ein ganz wunderbarer Werbespot - mit einem eigenenartigen Hippie-Flair. Das gefällt mir sehr.

Ihr habt eure erste Show mit Saint Thomas gespielt...
Eine ganz tragische Geschichte. Uns hat die Nachricht seines Todes sehr traurig gemacht. Ich kannte ihn nicht besonders gut, aber er war sehr freundlich zu uns. Er wusste damals, dass es einer unserer ersten Gigs werden würde und hat sich um uns gekümmert. Aber man hat ihm angemerkt, dass er große Probleme hatte. Im Kopf, im Leben.


Short-Cut 2: Chikinki - Am Ende die Balance halten...

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Chikinki

Chikinki haben zwei Jahre ein komplettes Album auf Halbe gehabt - gezwungen durch die Trennung von ihrem label und die obligatorischen Streitigkeiten um Tantiemen. Dumm bloß: nach "Lick Your Ticket", dem Disco-Rock-Stomper, wollte irgendwie keiner ein zurückgenommenes, sich an klassischer Popmusik orientierenden Album rausbringen. Jetzt ist "Brace, Brace" zum Teil über das eigens eingerichtete Label erschienen und soll Chikinki endlich den erhofften Erfolg bescheren. Keine leichte Angelegenheit für die Band aus Bristol. Trevor Wensely, der Keyboarder, gibt sich unnahbar.

Würdet ihr euer neues Album ein Comeback-Album nennen? Einen Neuanfang?
Trevor Wensely: Ach nein, es ist doch einfach nur ein neues Album. Klar, es hat eine Weile gedauert, bis das Album schließlich veröffentlicht wurde und wir haben in den letzten Jahren, speziell in Deutschland, eine ganze Menge getourt. Aber so lang fühlt sich die Zeit jetzt nicht an.

Es waren zwei Jahre...

Ja, schon. Das Album ist zwei Jahre in der Pipeline gewesen, was uns sehr geärgert hat. Aber die Dinge laufen eben nie so, wie man sich das vorstellt. Jetzt schreiben wir eigentlich schon an neuen Songs, damit das diesmal nicht so lang dauert.

Ihr habt "Lick Your Ticket" als euer "Going Out"-Record bezeichnet. Wie würdet ihr euer neues Album beschreiben?
"Not Going Back Again"-Album. (lacht) Eigentlich ist es eine Reflektion unserer Live-Erfahrungen. Wir haben jetzt so viel Zeit auf Tour verbracht, das musste sich zwangsläufig auf dem Album niederschlagen. For "Lick Your Ticket" hatten wir ja kaum Shows gespielt. Inzwischen ist unsere Musik geerdet. Tied to Life.

Was meint ihr mit "klassischem Sound"? Ich habe das vor kurzem in einem Interview gelesen...
Wir versuchen ganz klar Popsongs zu schreiben. "Lick Your Ticket" war noch ein Disco-Rock-Album. Das wollten wir diesmal gern anders machen. Ein klassischer Popsong muss auch in 30 Jahren noch gut klingen - und nicht so, als stolpere man einem Trend hinter her.

Besteht ihr immer noch darauf, dass Chikinki eine demokratische Band sind? Ihr habt das bei "Lick Your Ticket" immer wieder erwähnt.
Oh ja, wir sind inzwischen noch demokratischer. Die Live-Erfahrungen als Band haben uns zusammen geschweißt. Wir sind aufeinander abgestimmt und wissen, wie die anderen funktionieren, was man tun und lassen kann und darf. Wir haben uns bei "Brace, Brace" nicht mehr darauf beschränkt, nur die Ideen von irgendjemanden zu arrangieren. Auf dem neuen Album sind das die Songs der ganzen Band.

Gab es Fehler, die es diesmal zu vermeiden galt?
Oh ja. Wir wollten nicht mehr so klinisch klingen, wie noch auf "Lick Your Ticket". Das war eine völlig ausproduzierte Platte und reflektierte eigentlich so gar nicht, was wir waren und wie wir uns als Band gefühlt haben.

Gab es Momente, an denen Chikinki zu cheesy klangen? Musstet ihr euch manchmal zurückhalten?
Oh ja, die gibt und gab es. Das sind meistens ja nur Phrasen, kurze Akkordfolgen und Melodien, die einen ganzen Song verderben können. Da muss man sehr aufpassen. Aber manchmal muss man das auch zulassen. Das macht einen guten Popsong am Ende ja aus: dass er die Balance hält zwischen Eingängigeit und besonderer Attitüde. Diese Grenze wollen wir gern in Zukunft noch mehr und besser ausloten...


Short-Cut 3: Kawata - Mash-Up-One-Hit-Wonder?

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Kawata

Zu guter letzte: Mix-Szene. Was in Deutschland noch verzweifelt versucht Wurzeln zu schlagen ist in den USA schon längst zum Massenphänomen geworden. Die Mash-Ups und Remixe kursieren wie subkulturelle Briefbomben - meistens nicht besonders legal, dafür aber tanzbar ohne Ende. Kawata, so der DJ-Name, ist zwar noch kein Star der Underground-Szene. Aber er könnte es werden. Das MySpace-Phänomen greift auch hier wieder: der Kawata-Remix von Rihannas Mega-Hit "Umbrella" ist ein brachiales Monster. Und sollte in keiner Disco fehlen. Bloß, wer versteckt sich eigentlich dahinter?

Wer verbirgt sich hinter dem Namen Kawata?
Das ist mein Name. Ich bin 20 jahre alt, wurde in Los Angeles geboren und lebe dort. Ich studiere und versuche in meiner Freizeit so viel an Musik zu arbeiten, wie möglich.

Wann hast du mit Mixen angefangen?
In der High School. Da habe ich das erste mal aufgelegt. Das führte dann irgendwann dazu, dass ich eigene Songs machen wollte. Für mich passiert in der Musikwelt gerade etwas ganz besonderes: sämtliche Genres und Stile vermischen sich, prallen aufeinander und man kann überhaupt keine klaren Grenzen mehr ziehen. Das ist das spannende an den Mash-Ups, die ich mache: es ist nicht einfach nur Justin Timberlake, der da singt. Es sind plötzlich Justin Timberlake UND Justice, die einen Song aufgenommen haben - obwohl sie sich nie begegnet sind. Diese Mash-Ups sind eine großartige Gelegenheit für DJs wie mich, an Musik zu arbeiten. Ich liebe es, zum Teil völlig unterschiedliche Genres zu mischen und etwas Neues entstehen zu lassen. Erst gestern habe ich einen Mix gemacht, der sich von den Beatles über E-40, Fiona Apple, Biggie, den Red Hot Chili Peppers, The Smiths und Prince bis zur Titelmelodie von Friends erstreckte. Und das alles in einer einzigen Minute.

Was sind deine Einflüsse?

Alles! Alles und zu jeder Zeit. Ich bin ein Kind der 90er - vornehmlich schlechter One Hit Wonders. Für mich muss ein guter Mix vor allem Spaß machen. Ich finde ein mix darf sogar ein wenig dämlich sein. Hauptsache der Zuhörer hat sein Freude daran und fühlt sich dazu aufgerufen, tanzen zu gehen. Momentan arbeite ich zum Beispiel an einem Mix der Donnie Darko Titelmelodie mit einen stumpfen 90er Jahre Beat - nur für den Fall, dass Fans des Filmes auch gern mal tanzen gehen!

Interviews + Text: Robert Heldner
Fotos: Offizielle Pressefotos


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