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Editors - Live

Kulturkirche / Köln

13.06.2007

Mittwochabend, irgendwo in Köln-Nippes. Die Editors schieben zwischen Berlin und den Sommerfestivals noch mehr oder weniger spontan einen Gig in Köln ein. Das besondere: Als Location dient nicht etwa irgendeiner der einschlägig bekannten Indie-Schuppen der Domstadt, die alle mehr oder weniger unspektakulär und damit austauschbar sind, sondern die Kulturkirche in Nippes, die eben das ist, was der Name schon sagt: eine Kirche.

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Natürlich mit bunten, kunstvoll verzierten Fenstern, Kuppel, Kanzel und dem obligatorischen Glockenturm ausgestattet, finden dort immer wieder Konzerte, Lesungen und Kabarett statt. Im Mai spielten zum Beispiel schon Interpol zwischen den barocken Mauern, heute also ihre in der Musikpresse oft herangezogene Vergleichsband: die Editors.

Den Anfang machen aber Asobi Seksu aus den USA. Und die machen vor allem eins: Lärm. Wer hat diesen Support eigentlich als passend eingestuft? Der Gesang - der an Björk erinnert, ohne freilich deren Klasse zu erreichen - geht im Soundbrei total unter. Ist daran der Mischer schuld oder ist das von der Band so gewollt? Egal. Man steht da und hat die ganze Zeit ein Gemisch aus dröhnendem Aufdiezwölfrock gepaart mit dieser Stimme und minutenlangen Noiseattacken im Ohr. Ganz schrecklich und wie man draußen mitbekommt, empfinden das auch die meisten anderen Zuschauer so. Einigen scheint es dennoch gefallen zu haben, wie man am Merchandisestand sehen kann. Der Großteil ist aber froh, als es endlich in die Umbaupause geht und eine halbe Stunde später Editors-Beau Tom Smith und seine Mannen aus Birmingham unter tosendem Applaus die Bühne entern. Da sind Asobi Seksu längst vergessen.

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Tom hat jetzt längere Haare und irgendwie erinnert er an einen schmierigen Klischee-Internatsschüler der Lacoste trägt und Polo spielt. Tut er aber wohl beides nicht und kommt deswegen erst recht sexy rüber. Mit dem ersten Ton beginnt eines der besten Konzerte, das man seit langem gesehen hat. In atmosphärisches Licht gehüllt und mit Kanzel, Kuppel und den bunten Fenstern im Rücken, gibt die Band etwa 60 Minuten eine Lehrstunde in Sachen theatralischer, dramatischer, ja, zuweilen auch pathosgeschwängerter Musik. Was einen oftmals ekelhaft das Gesicht verziehen lässt, ist hier nahezu magisch. Äußerst gesten- und mimikreich unterstreicht Tom Musik und Stimmung und zeigt ganz nebenbei welch großartiger Performer er ist, wenn er mal träumerisch über die Bühne tänzelt, mal wie ein Derwisch über sie fegt. Angesteckt von Musik, Show und Kulisse, wiegt das Publikum verträumt den Kopf, wie in Trance schweben sie scheinbar übers Parkett und lassen ihre Sinne verzaubern. Bei vielen sind die Augen geschlossen. Man muss an Interpol denken. Oder an Bright Eyes. Konzerte, bei denen sich Verliebte an den Händen halten und gemeinsam Weinen können, ohne dass es ihnen peinlich sein muss. Heute und hier auch. Gespielt wird alles, was man erwartet hat: „Blood“, „Munich“, „All Sparks“ und natürlich auch „Smokers Outside The Hospital Doors“ – die erste Single aus dem neuen Album „An End Has A Start“. Was für ein schöner Abend.

P.S.: Dass das Ordnungsamt, das Konzert vor der letzten Zugabe Aufgrund von Anwohnerbeschwerden abgebrochen hat, ist kein Gerücht. Hat aber sowieso kaum einer mitbekommen.

Text: Kevin Goonewardena
Fotos: Anna Strauch


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