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Benjy Ferree

Leaving The Nest

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Der beste Songwriter des neuen Jahres stammt aus Maryland, USA. Und beweist mit seinem Debüt "Leaving the Nest", wie großartig der amerikanische Traum scheitern kann. Und was man aus der Asche wieder aufbauen kann.
Eigentlich weiß man von den wenigsten Musikern, dass sie Cineasten sind. Die meisten Künstler halten sich ja ohnehin bedeckt mit ihren Vorlieben. Und wenn dann doch mal geschwärmt wird, sind es meist die großen Schriftsteller, die da als Referenz genannt werden. Bob Dylan und Jack Kerouac sind ein prominentes Beispiel. Ganz anders sieht es da bei Benjy Ferree aus. Der nämlich ist Cineast mit ganzem Herzen. Jedes Bild glänzt vor Metaphorik, hat kleine Falltüren und generell eine windschiefe Konstruktion. Schon der Opener "In the Countryside" ist ein kleines, nur vermeintlich fröhliches Schunkelstück, hinter dem sich letztlich etwas ganz anderes verbirgt: die Abrechnung mit den Lebenslügen. Ein roter Faden, der sich durch das gesammte Album zieht. Dazu poltert das Schlagzeug und eine ur-amerikanisch klingende Fidel stimmt schief klagend ein. "Dogkillers", das eine Extrem des Debütalbums, leiht sich den Sound und die Attitüde bei Fugazi, dessen Drummer Brendan Canty das gesammte Album auch produziert hat. Danach kommt avangardistischer Indie-Folk, der sich seine nötigen Referenzen immer nur aus den rostigen, dreckigen Tonnen der Musikhistorie holt. Ausnahmsweise ist es mal nicht Dylan (jedenfalls nicht ausschließlich). Ferree hat die Ausstrahlung, Stimme und inhaltliche Ausrichtung eines Tom Waits und schlurft in seinen besten Momenten wie durch einen Steinbeck Roman. In "Hollywood Sign" singt er über seine harte Landung. "Wake up / what a wake up / wake up on top of a building". Aber Ferree ist auch gerissen. "The Hollywood Sign / it feels just fine / it danced up on a hill to my rhymes". Da sind sie wieder, die Lebenslügen. Schick verpackt in Folk-Musik, die anachronistisch wirkt. Diesmal aber wirklich anachronistisch! Wenn das Album endet, auf so unvergessliche Art und Weise, hat man Bilder mitgenommen, die man so schnell nicht mehr vergisst. Bei "In The Woods" hat sich Ferrees Bildersprache in Musik und Text verwandelt: "And when you wake up / you owe me some bones / and it hurts you so / you can't climb that tree / because you can't fly". Mit "Leaving the Nest" wäre Benjy Ferree mit sicherheit ein guter Regisseur geworden...

Bewertung: 9 von 10 Sternen / 42:51 / Indie-Folk


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