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MISC - sellfish.de Beifang 02/07 | 03

Miscellaneaus: Genrekram*EP*Vinyl*MCD*Sampler*Demos*Soundtrack

Eine neue Heimat bei sellfish.de: Für Sachen, die normalerweise unterzugehen drohen. Oft verdient und von manchen verachtet lassen sich in dieser Rubrik immer wieder auch echte kleine Perlen entdecken...

Heute: Männer können seine Gefühle nicht zeigen

mit: Ane Brun l Callisto l Doom Day l Pinker Tones l Rwake

Nach drei Studioalben und der Gründung einer eigenen Plattenfirma gewährt uns Ane Brun mit "Live In Scandinavia" (Determine Records / V2 Music) nun Einblick in einen intimen Zwischenbericht. Aufgenommen vergangenes Jahr in der gegenwärtigen Heimat Schweden sowie ihrem Herkunftsland Norwegen, gibt auf dem schlicht gehaltenen Werk ein 17 Songs umfassendes Programm zu hören, welches die erst vierjährige Karriere der Singer-Songwriterin umspannt. Das besondere dabei: Die Stücke werden von den Klängen des wunderbaren, fünfköpfigen DMF String Quintets untermalt. Dazu setzt Staffan Johansson an der Gitarre Akzente und Nina Kinert tritt einige Male als Background-Sängerin in Erscheinung. Die eigenwillig warme, authentische Produktion fängt die Atmosphäre der Konzerte gekonnt ein und wirkt trotz der verschienen Aufnahmeorte nicht zerrissen. Über das Schaffen Ane Bruns sind sich Anhänger entsprechender Musik ohnehin einig: Ein derart behutsam produziertes, romantisch-düsteres Liederwerk bekam man selten zu hören. Vielleicht zeigt die hier vertretene, minimalistische Coverversion von "The Dancer" am ehesten, was die dreißigjährige Musikerin darstellt: Nämlich eine Art skandinavische Version von PJ Harvey; jeglichem Glamour und ekstatischer Gestik beraubt, bleibt eine herausragende Songwriterin, deren Stücke gleichermaßen begeistern wie sie nachdenklich machen.

Manche werden Fullsteam Records sicher vorwerfen, sie wären auf Klone bekannter Bands abonniert: Disco Ensemble als Emorock-Adaption beispielsweise; oder Sweatmaster als die neue Generation für The Hives-Fans. Dabei wird häufig übersehen, welches songwriterische Potential in den Acts dieses finnischen Labels steckt. So auch im Falle der ebenfalls aus Finnland stammenden Callisto. Deren Zweitwerk "Noir" (Fullsteam Records/Pias) könnte oberflächlich als Abklatsch von Isis bzw. den skandinavischen Nachbarn von Cult Of Luna gehandelt werden. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich das Material in den gegebenen Genregrenzen jedoch als durchaus visionär. So setzen die Fünf niemals allein auf die rohe Gewalt noisiger Gitarrenwände. In den acht Stücken mit knapp einer Stunde Spielzeit errichtet man zwar große, teils sehr komplexe Songbauten. Diese werden aber mit allerhand Harmoniebögen, elektronischen Effekten, akustischen Passagen und sich langsam entfaltenden Spannungsbögen ausgeschmückt. Schon der äußerst gelungene Opener "Wormwood" beispielsweise überrascht mit getragener Ruhe und einem überraschenden, ja phänomenalen Saxophon-Einsatz. Ein Hörversuch lohnt sich also gleichermaßen für Kenner der Red Sparrowes wie des gesamten Neurosis-Umfeldes. Im Resultat entsteht bei Callisto nämlich trotz vieler lauter Gitarren sowie einem tief murmelnden Sänger ein ästhetisches Klanggemälde, dessen Faszination man sich kaum entziehen kann.

Merke: Wenn sich eine Reihe von ausrangierten Musikern zusammenfindet, muss dabei nicht immer zwangsläufig auch Auswechselbank-Mucke entstehen. Auf dieses verbreitete Klischee setzen Doom Day jedenfalls einen dicken Haufen: Die Truppe um ex-Prodigy und The More I See-Gitarrist Gizz Butt sorgt auf ihrem Debüt nämlich mit relativ eigenständigem, metallischem Hardcore für gute Laune. Schließlich haben alle Beteiligten in der Vergangenheit reichlich Erfahrungen sammeln können, wie man eine Horde Fans zum Kochen bringt. Bassist Robin Guy sogar als Bühnenaushilfe für mehrere renommmierte Acts (Faith No More, The Business etc), der Rest in Hardcore-Kapellen wie Devil Inside oder Brothers In Blood. Mit "Count Your Useless Hours" (Swell Creek/Superhero) liefert man nun ein gut halbstündiges Scharmützel in 16 Kapiteln: Sägende Gitarren, ein drückender Rhythmus und auf den Punkt gespielte Tracks - was will man als Anhänger punkiger Töne mit dezentem Metal-Einschlag mehr? Wer nun auf Abwechslungsreichtum tippt, der wird ebenfalls überrascht sein: Einmal von ein paar netten Interludes, vor allem aber von den Gastvocals. Denn der bulgarische Sänger Shutta Parvanov wird unter anderem von Kollegen aus den Reihen von Hate Squad, 25 Ta Life (!) und Ryker's (!!) unterstützt. Und weil es neben den von Andy Sneap fett produzierten Albumtracks auch noch das "Demo 2006" zu hören gibt, darf man das Debüt von Doom Day als äußerst fairen Deal für alle Hardcore-Punks bezeichnen.

The Pinker Tones sind entgegen ihres Titels nicht etwa eine Weezer-Coverband. Nein, das Duo aus Barcelona hält sich gar nicht erst lange mit konkreten Referenzen auf. Weshalb "The Million Colour Revolution" (Outstanding/Nettwerk) auch der wohl perfekte Titel für dieses Album sein dürfte. Denn farbenprächtig ist es tatsächlich, was in den 19 Stücken mit über einer Stunde Spielzeit so passiert. Der einzige gemeinsame Nenner: Tanzbar muss es sein! Ob das nun funky, latin, laid back, bossanova, jazzy, housy oder poppig ist, wird von Fall zu Fall, von Song zu Song, von Minute zu Minute entschieden. Hinter den Kulissen bzw. den Computern: Ein gewisser Professor Manso zusammen mit seinem Freund Mister Furio; welche sich in ihrer Heimat schon seit Jahren als Produzenten, DJs und Songwriter einen Namen gemacht haben. Hier hat man sich nun eine Spielfläche geschaffen, deren Unterhaltungswert schier unendlich anmutet. Und sich damit schon auf Platz eins der spanischen Charts schmuggelte. Wie bei uns die Reaktion auf Tracks wie "Pink Freud" (als einziger Song hier übrigens in deutscher Sprache sowie bester Comedian Harmonists-Tradition gehalten!) sein wird, bleibt abzuwarten. Passt dieses ausgelassene Partyalbum, welches sich so gar nicht in Schubladen pressen lassen will, zur biederen deutschen Mentalität? The Pinker Tones wird es kaum interessieren. Denn wenn die beiden nicht mittlerweile einem akustischen Overkill erlegen sind, dann tänzeln sie noch immer durch die Straßen südländischer Städte... immer auf der Suche nach dem nächsten Club, der nächsten Inspiration, der nächsten Party.

Rwake reihen sich mit ihrem Album "Voices Of Omens" (Relapse Records) nahtlos ein in die Welle an Kakophonien, die uns Relapse Records derzeit um die Ohren hauen. Dabei geht es diesmal weder so melodisch wie bei den Kollegen von The End, noch übermäßig extrem oder komplex zu. Stattdessen krächst man sich mit angezogener Handbremse und kaum zu erkennenden männlich-/weiblich-Stimmen durch neun Songs. Für die braucht es aber gleich eine geschlagene Stunde. Denn an gesonderte Songwriting-Muster hält sich im Hause Rwake ohnehin niemand mehr: Da wird gefrickelt, gegroovt oder gelärmt wie es den Beteiligten gerade in den Sinn kommt. Ach so: Habe ich erwähnt, dass diese dezent unterproduzierte Chose manchmal richtig unterhalten kann? Aber das funktioniert eben nicht immer. Und Rwake schütteln zwar, besonders was die Gitarrenarbeit angeht, einige coole Passagen aus den Ärmeln, wirklich überzeugen kann die Band aus Arakansas aber nur manchmal. Somit bleibt "Voices Of Omes" ein kleidsames Underground-Pendant zu Bands wie Mastodon, welches aber mangels eines roten Fadens bzw. Spannungsbogens noch keine bleibenden Spuren hinterlassen kann...

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