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Bright Eyes

Cassadaga

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Mike Mogis hat es endlich geschafft: er hat sich in Conor Oberst's Gehirn gefressen und ihm unmissverständlich klar gemacht, dass der junge Songwriter nicht allein ist. Dass er immer eine Band an seiner Seite hat. Oberst hat jetzt begriffen, dass er eine Band hat. Und die heisst Bright Eyes.
Was war "I'm wide awake it's morning" doch für ein rundum perfektes Album. 10 Songs, jedes einzelne eine sprachlos machende Perle und für alle Zeiten eingraviert in die Liste der besten, unumstößlich besten Alben aller Zeiten. Man denke nur an "First day of my life" oder "Lua", "Old Soul Song" oder "At the bottom of everything". Ein ständiger Wegbegleiter, roter Teppich für wahlweise trübe Sonntagsstimmung oder euphorische Verliebtheit. Und heute? Heute wird Cassadaga veröffentlicht, und man weiß: so gut wird das nicht mehr, kann es nicht, muss es nicht, wäre irgendwie ja auch abartig. Das auffälligste zuerst: Oberst hat sich endgültig verabschiedet von der Ich-Bezogenheit. Er schreibt jetzt über mysthische Orte, über den Tod geliebter Menschen, über den traurigen Untergang der Welt und/oder Amerikas Ende. Er sitzt nicht mehr mit der Buddel Wein in der Ecke und weint. Er ist jetzt - ähem - erwachsener? "I buried my ballast / i made my peace" (Four Winds). Gut, Oberst ist jetzt also gesitteter, hat die Adoleszenz hinter sich gebracht. Und nun? Erstmal die musikalischen Wurzel seiner Heimat ergründen, wird er sich wohl, zumindest unterbewusst, gedacht haben. Cassadaga strotzt nur so vor Country und Blues, klassischer Folkmusik und erdiger Songwriter-Rockmusik. "If the brakeman turns my way" könnte so und nicht viel anders aus der Feder Springsteens stammen. Oder Dylan zu "Highway 61 Revisited". Da hinten eine Orgel, hier vorn Oberst's eindringlicher Gesang - über allem der Staub von 50 Jahren amerikanischer Musikgeschichte. Hätte das Newport Folk Festival heute noch die gleiche Bedeutung: Bright Eyes wären nach der Hälfte des Sets ausgebuht worden. Oberst goes (electric) Band. Das ganze Album ist jetzt, man hört es vielerorts, ein Band-Album. Was früher eine handvoll Autodidakten war, ist jetzt ein rießiges Orchester-Ensemble. Am deutlichsten wird das beim Opener "Clairaudients (kill or be killed)". Da schwurbelt es sich hoch wie ein Hurrikan, bricht in Fanfaren und gleißendes aus und zerfällt im erdigen Country von "Four Winds" wieder zu Staub. Am besten ist Oberst immer dann, wenn er im Einklang mit der Welt steht. Erstaunlich, wo man doch die Selbstzweifel des jungen Mannes immer so liebte. "I must belong somewhere" ist dieser überirdische Song. Da macht Oberst Frieden mit sich selbst, weiß, dass er seinen Weg gefunden hat. Was mit einem Haufen Kassetten-Demos begann und über ein introspektives, geniales Folkalbum führte, ist jetzt zu einem Bandalbum geworden, das den Weg in die Zukunft weißt. "Leave the sad guitar in it's hardshell case" heisst es da. Wer weiß, wann er sie wieder auspacken wird.

Bewertung: 9 von 10 Sternen / Spielzeit: 42:51 / Singer/Songwriter/Country


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