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Der Mann von der Botschaft

 

Regie: Dito Tsintsadze
Darsteller: Burghart Klaußner, Lika Martinova , Irm Hermann, Marika Giorgobiani

Marika Giorgobiani erhält mehrfach lobende Erwähnungen für ihre Rolle der „Nana“ von Seiten der Jury des Nürnberger Filmfestivals.

Herbert Neumann (Burghart Klaußner) lebt allein. Von Montag bis Freitag geht er zur Arbeit, samstags auf den Markt zum Einkaufen. Seinen beruflichen Aufgaben geht er immer sehr pflichtbewusst und verantwortungsvoll nach. Ranghoher Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in Tiflis, der Hauptstadt Georgiens zu sein, ist für Neumann längst Normalität. Sein Alltag bietet ihm, außer dem Höhepunkt am Samstag auf den Markt zu gehen, frisches Obst zu kaufen und schnell wieder aus der brennenden Hitze in die kühle, geräumige Wohnung zu fliehen, wenig Ausnahmen. Jeden Abend taucht Neumann in die Welten seines Computerspiels ein, selbstverständlich ist dafür ein Beamer in seiner Wohnung fest angebracht. Ab und zu erhält er Besuch von seiner Kollegin Nana (Marika Goirgobiani), sie reden ein bisschen, schlafen miteinander, dann geht sie wieder nach Hause.
Samstag. Herbert Neumann geht wie immer auf den Markt, um seine Einkäufe zu erledigen. Dort trifft er auf Sashka, ein geheimnisvolles, junges Flüchtlingsmädchen aus der Stadt, die versucht, ihn zu beklauen. Erst liefert er sie direkt an die Aufsicht haltenden Ordnungskräfte aus, steigt in sein Auto und sieht sie wenig später verzweifelt vor den Beamten weglaufen. Ohne groß nachzudenken verhilft er ihr zu Flucht und fährt sie mit dem Auto durch kleine Gässchen irgendwo hin, nur weg vom Marktplatz.
Die Begegnung mit dem jungen Mädchen bringt Neumann aus der Ruhe, aus der gewohnten Routine, in die er sich seit Jahren selbst vergräbt. Sie sprechen nicht die selbe Sprache, sie kommen aus völlig verschiedenen Milieus, Jahre liegen zwischen ihnen, trotzdem entdecken sie eine Faszination für einander. Sashka trägt Neumanns Einkaufstüten nach Hause dafür kriegt sie jeden Samstag eine ausreichende Mahlzeit serviert, sie spielen Computer, verbringen Zeit in der Hollywood-Schaukel auf Neumanns Terrasse.
Dabei bleibt es, ansonsten passiert nichts. Das glaubt man Neumann jedoch nicht. Verdächtigungen von Seiten seiner Arbeitskollegen und genauso von Sashkas Leuten lassen ihn nachts nicht schlafen und tagsüber nur schwer atmen. Sashka fühlt sich dadurch sehr verunsichert und hat plötzlich Angst vor Neumann. Dieser ist verwirrt, weiß nicht vor, nicht zurück. Er schafft es zwar, dass Sashka an seine ganz harmlosen, freundschaftlichen Absichten glaubt, seine Mitmenschen kann er jedoch davon nicht überzeugen. Er nimmt kurzfristig Urlaub und reist nach Deutschland.

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So endet die Geschichte. Offen. Dito Tsintsadze zeigt mit seinem Film ein Abbild einer sehr vielschichtigen Beziehung zwischen zwei Menschen, die durch ihre Begegnung neue Lebenslust schöpfen, beide aber wieder ernüchtert werden, vom Leben da draußen.
Manchmal gerät der Zuschauer doch ein wenig in Schwierigkeiten, die eigene Grenze zu setzten, zwischen dem, was Sashka und Neumann wirklich verbindet und den Vorwürfen, denen der Protagonist im Laufe des Films mehr und mehr ausgesetzt ist. Wahrscheinlich ist das Hervorrufen dieser Zweifel beim Betrachter gewollt, gleichzeitig fällt es dadurch aber schwer, sich eindeutig für die rein freundschaftliche Beziehung der beiden Hauptdarsteller zu positionieren. Eine Filmszene zeigt allerdings, dass Neumann nicht an Sex mit Minderjährigen interessiert ist. Bei einem entsprechenden Bestechungsversuch weicht er aus und lenht das Angebot klar ab.
Trotz der manchmal schwer durchschaubaren Innenwelt des Protagonisten, zeichnet sich der Film durch große schauspielerische Leistung aus und eröffnet nebenbei ein interessantes Bild auf Tiflis. In Sashka und Neumann verbünden sich Arm und Reich und kämpfen gegen gesellschaftlich verankerte Vorurteile. Sie verspüren Ernüchterung - ja - aber es ist trotzdem wertvoll, wenn dieser Kampf Wirklichkeit sein kann, nicht nur in Tiflis.

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