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Erdmöbel

No. 1 Hits

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Die alternativen Erdmöbel haben sich in diesem Projekt massen- begeisternde „no. 1 Hits“ der letzten Jahrzehnte vorgenommen und sie sich mit Respekt vor dem Original zu eigen gemacht. Markus Berges liefert tolle Übersetzungen ins Deutsche, sprachlich versiert und ungezwungen, ob nun 1:1 oder mit kleinen Änderungen, die neue Interpretationsebenen schaffen: Musik und Sprache harmonieren und begeistern.
Angefangen hat alles mit dem Cover von Whams! „Last Christmas“, das zu „Weihnachten...ist mir so egal“ wurde und viele begeistert hat. Das neue Album startet mit dem Tom Jones Cover „Was geht, Muschikatz?“ und landet gleich einen Volltreffer. Nirvanas „Smells like Teen Spirit“ aka „Riecht wie Teen Spirit“ kommt gänzlich ohne Gitarren aus, doch ist es deswegen inhaltlich kein bißchen weniger depressiv als sein Original auch wenn es musikalisch flockiger daherkommt. Als weiteres Stück aus den 90ern interpretieren sie Joan Osbournes „One of us“ aka „Einer wie wir“, das in seiner deutschen Version an christliche Jugendzeltlager denken läßt, wenn Markus Berges singt: „Gott ist groß, Gott ist gut“, was den subtilen Zweifel des Liedes etwas übertüncht. Mit Kylie Minogues laszivem „La La La“ können Erdmöbel in „Aus meinem Kopf“ nicht ganz mithalten und leider klingt es insgesamt etwas holprig, was nicht bedeutet, daß es sich nicht ins Gedächtnis einbrennt. Dann geht es wieder zurück in die 70er Schlagerwelt mit „Weil du fortgehst“, das im spanischen Original „Porque tu vas“ von Jeanette stammt. Entniedlicht und nach wie vor melancholisch. Und dann das absolute Glanzstück des Coveralbums: Procul Harums „Fahler als nur fahl“. Denn gerade da, wo die Übersetzung Berges freier bis frei ist, scheint die Genialität der Erdmöbelschen Poesie durch, die mit getragenem Posaunen- und Orgelsound der wehmütigen Stimmung Rechnung trägt.

wir tanzten den fandango/wie sich die bären drehen/schon davon war mir schwindlig/doch sie wollte sterne sehen/summte risse in die wände/bis die decke sich empfahl/der ober brachte ständig geister/auf tabletts und auf signal/und darum war sie später/als der morgen auf ein mal/uns mit seinem grauen störte/etwas fahler als nur fahl/nicht dass ich schon verloren war/nur war sie doppelt schön/wie im weggeworfenen skatspiel/manche damen aussehen/wenn der wind sie von der halde/zurück in ihr apartment weht/und meine augen waren offen/nur für die brille wars zu spät/und darum war ich später/als der morgen auf ein mal/uns mit seinem grauen störte/etwas fahler als nur fahl/und darum waren wir später/als der morgen auf ein mal/uns mit seinem grauen störte/etwas fahler als nur fahl

So lala ist die Coverversion von Crash Test Dummies’ „Da war einmal ein Junge“: es ist in der Erdmöbelversion nicht mehr so balladenhaft und die brummige Sängerstimme wird durch eine verzerrt ersetzt, für die ich mich auch nicht begeistern kann. Markus Berges Lieblingsstück der Platte ist Vengaboys’ „Up and Down“ bzw. „Auf und Ab“. Um ehrlich zu sein: mich treibt es nach wie vor in den Wahnsinn, auch wenn sich Erdmöbel die größte Mühe geben. Aber dieses Lied mag man oder eben nicht oder besser gesagt erträgt man oder eben nicht. Doch immerhin haben sie es geschafft eine Technonummer akustisch gekonnt umzusetzen. Das depressive, schwere „Der Weg nach Mandalay“ kostet die bereits im Original angedeuteten 60er Anleihen voll aus und entbehrt dennoch nicht der Tragik, wenn Berges singt: „was ich berühre wird zu Gold, was ich liebe geht entzwei“. Und da wir schon von Tragik sprechen: „Wieder allein, natürlich“ erfüllt dieses Kriterium allemal. Obwohl die deutsche Übersetzung weniger eine sprachliche denn eine textliche Neuinterpretation ist, macht es dies keineswegs schlechter. Nein, eher zu einem weiteren Glanzstück. Und das wohl gewagteste Cover ist wohl Kraftwerks’ „Das Modell“, da es sich zum einen um eines der bedeutendsten Stücke der deutschen Musikgeschichte handelt und durch die Übersetzung keine neuen Interpretationsraum schafft, da es die Originalsprache beibehält und somit ein größeres Augenmerk auf die musikalische Umsetzung richtet. So klingt es bei Erdmöbel wärmer und vermittelt nicht mehr die elektronische Härte des Originals, sondern eher eine lockere Piano- Barstimmung. Und zum Ende hin wird es noch einmal richtig traurig: Bees Gees „I made a joke“ („Ich machte einen Scherz“) regt ungemein die Tränendrüsen an. Sowohl eine schöne Umsetzung als eine tolle Wiederentdeckung. Wer mehr über dieses Coverprojekt erfahren will, schaut am besten unter www.myspace.com/erdmöbel nach, wo die Herren allerlei Material dazu gesammelt haben und in Interviews Auskunft über Hinter- und Beweggründen geben. No. 1 Hits... mein erster Gedanke: Oh je! Da dünkt mir Schreckliches. Deutsche Coverversionen englischer Tophits... Selbst die deutsche Version der Beatles „Sie liebt dich“ aus deren eigener Feder klang einfach nur lächerlich. Doch man höre und staune: Erdmöbel haben das gar nicht so schlecht hinbekommen. In einigen Fällen sogar grandios.

 

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