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MISC - Juni 2007 l #02

sellfish.de Spezial: HipHop & Elektronika (Michael Streitberger)

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sellfish.de Spezial: Elektronik & HipHop

mit: Olli Banjo | Creme Fresh | Nu:Tone | Dr. Knarf | Stateless u.v.m.

Musik für die 3er BMW-Gemeinde... und damit nichts für mich. Oder? Olli Banjo war angenehm lange in der Versenkung verschwunden, die aktuellen kommerziellen Aussichten holten den Wahl-Kölner wohl zurück ans Tageslicht. Von daher geht es nun wieder los: Seine "Lifeshow" (Headrush/Groove Attack) eignet sich perfekt, die Autoscooter der Dorfdiskos zu beschallen. Da hilft es nichts, dass Banjos Sprachfluss durchaus seinen Reiz hat, in "Tagesschau" versucht wird mit tatsächlichen Inhalten zu arbeiten und sich die Produktionen erfolgreich bemühen, an US-Standards anzuknüpfen: Der Prollfaktor des Materials sowie der zu häufige Verzicht auf Ironie disqualifizieren die 19 Tracks streckenweise auf DJ Tomekk-Niveau. Vielleicht wollte Olli Banjo genau dorthin? Was eigentlich schade wäre, denn in seinen abgedrehteren Momenten kann diese Platte eben doch einiges. Zu Gute halten muss man „Lifeshow“ außerdem, dass die Qualität über die Albumlaufzeit (vor allem nach dem schwachen, von Jonesman co-verkorksten Titeltrack) eher zunimmt. Zwiespältige Sache.

Dass Elektronik und Pop prima fusionieren können, gehört zu den weniger überraschenden Fakten an Chromeo. Eher interessiert es schon, dass das Duo ein künstlerischer Zusammenschluss eines Arabers mit eine Juden ist. Insofern sprengt "Fancy Footwork" (V2) eben doch einige Grenzen; selbst wenn ihre Melange aus Eighties-Sounds, Breakbeat und Dance Music auf Album zwei eher als Attacke auf die Hitparaden verstanden werden kann. Dass Pee Thung und Dave 1 ihr kreatives Schaffen (und hoffentlich auch ihr Outfit) alles andere als ernst nehmen, rettet das Werk denn auch vor allzu barscher Kritik. Irgendwie klingt der Synthie-Sound von Chromeo samt ihrer Vokoder-Gesänge für sich genommen nämlich ziemlich eklig. Genauer: In etwa so, als würde Stevie B. mit den Scissor Sisters anbandeln. Die Mischung aus Electro-Funk und 2-Step mit ihren klebrigen Melodien mag hart gesottene Genre-Anhänger sicher an sich binden... Zur persönlichen Tauglichkeitsüberprüfung empfehle ich sicherheitshalber dennoch den programmatischen Track "Bonafied Lovin".

Zwar nicht ganz so fett produziert wie das parallel erscheinende Olli Banjo Album... aber dafür eben ungleich sympathischer klingt unser zweiter Deutschrap-Act in dieser Woche: Creme Fresh aus dem Süden der Republik sind eine dreiköpfige Crew, die mit "Hast Du Feuer!?" (58 Beats/Groove Attack) zwar schon ihre zweite Platte veröffentlichen - Erstmals aber mit motiviertem Label im Rücken. Und auch wenn es die beiden MC's Keno und Fatoni samt DJ/Produzent Bustla sicher nicht darauf angelegt haben: Es sollte mich schon wundern, wenn die vielseitigen, intelligenten und nicht selten humoristischen Tracks in Kürze neben "B" wie "Blumentopf" im Plattenregal von ausgewählten HipHop-Fans jenseits der Proll-Marketingmachinerie landen. Und dies bestimmt nicht nur, weil Holundermann mit einem Gastfeature am Start ist… Verdient hätten es die Münchner mit ihrem musikalisch äußerst gelungenen, textlich kreativen Material in Zeiten raptechnischer Stangenware allemal. Anspieltipp und Standout-Track auf einem durchweg überdurchschnittlichen Genre-Werk: Die pfiffige Abrechnung „Public Relations“. Tipp!

Sein letztes Album schrieb er im Gefängnis, im Booklet wird dem Bewährungshelfer gedankt und auch textlich scheint Dr. Knarf einer von den ganz Harten zu sein. Laut Eigenaussage hat der 22-jährige Kölner nämlich sogar "Afrob platt gemacht"... wozu vielleicht gar nicht so viel gehört. Naja, jedenfalls leidet auch das "Ta$h Mixtape" (Rootdown Music/Groove Attack) an klassischen Krankheiten des Mix-/Streettape Phänomens. Und damit meine ich nicht (nur), dass das so genannte Tape ‚mal wieder nur auf CD erscheint. Nein, die 21 Tracks mit über 70 Minuten Spielzeit wirken alle etwas lieblos. Insbesondere die von Dr. Knarf größtenteils in Eigenregie angefertigten Produktionen verlaufen sich desöfteren ins Nichts; ähnliches gilt auch für die egozentrischen Lyrics. Insofern bin ich mir nicht sicher, ob sich der Doktor hiermit als Vorgeschmack auf das kommende Album wirklich einen Gefallen getan hat... Lasse mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen.

Drum'n'Bass mit dem gewissen Etwas: Mit jeder Menge Vocals, mit Soul- und House-Einflüssen; ohne ausgelutschte Beatarbeit oder monotones Geschredder... Damit überrascht Nu:Tone seine Hörer auf dem neuen Album. War das Debüt noch eine relativ straighte Angelegenheit, überzeugt "Back Of Beyond" (Hospital/Groove Attack) durch Vielseitigkeit. Dem Produzenten und DJ aus Cambridge gelingt es während der guten Stunde Spielzeit, die Essenz seines Herkunftsgenres herauszufiltern - und ihm anschließend neues Leben einzuhauchen... Zwar mögen die Kooperationspartner (darunter Pat Fulgoni, Natalie Williams und Logistics) außerhalb von Szenekreisen noch keine Beachtung gefunden haben: In ihrer Fusion mit dem typischen Nu:Tone Sound könnte sich der Wirkungsradius aller Beteiligten jedoch weiter entfalten. Unbeeindruckt von aller „Drum’n’Bass light“-Kritik, welche sicherlich zu hören sein wird, bleibt das (neben dem MC Santana/Semtex Release) stilistisch aufgeschlossenste Drum'n'Bass Werk der letzten Monate.

Keine Ahnung woher diese Verspätung rührt, aber bei "Revolverlution Tour 2003 Manchester" (Steamhammer/SPV) handelt es sich im Wesentlichen um die Doppel-CD-Variante der von uns bereits im August letzten Jahres besprochenen DVD. Details also bitte dort nachlesen. Ansonsten: Public Enemy live eben. Pure, raw and old school. Ob die Sache mit diesem neuerlichen Release irgendwas mit dem Erfolg der MTV-Show von Flavor Flaw zu tun haben sollte? Ein Schelm...

Im britischen Leeds – seit jeher eine Rockmetropole - macht sich neuerdings eine Band mit klaren Elektro-Referenzen daran, ein Wörtchen in der heimischen Kulturlandschaft mit zu spielen. Stateless, so der passende Name der Formation, weben für ihren Indiepop-Sound einen dichten Synthie-Teppich. Und haben deshalb in ihrem Line-Up neben Sänger Chris (stimmliche Parallelen zu Coldplays’ Mr. Martin sind rein zufällig) samt Bassist bzw. Schlagzeuger je einen Mann für Keyboards und Programmierung. Eine Balance, die Vor- und Nachteile mit sich bringt: Man mag dem Material vorwerfen, etwas zu unentschlossen zwischen den beiden Welten zu pendeln. Immerhin erlangten die Fünf auf diese Weise das Interesse von niemand geringerem als DJ Shadow. Mit welchem man als Support mittlerweile bereits 70 Konzerte bestritt. So ganz aus seinem Dilemma kommt "Stateless" (!K7/RTD) dennoch nicht: Die zehn Tracks offerieren chronischen Melancholikern zwar viele gelungene Momente; zu einem völlige stimmigen Gesamtbild hat es trotz einiger feiner Ideen jedoch nicht gereicht.

Der aus Cincinnati, Ohio stammende Rapper Theory Hazit gehört zum ersten Neuzugang nach längerer veröffentlichungstechnischer Abstinenz des Superrapin Labels. Völlige Euphorie mag sich angesichts der 15 Tracks auf "Extra Credit" (Superrapin/Groove Attack) jedoch nicht einstellen. Das vom Protagonisten etwa zur Hälfte in Eigenregie produzierte, relativ simpel arrangierte Material - dessen Bassläufe immer ein wenig überproduziert klingen - erfreut zwar durch ansprechende Lyrics. Doch leidet die Musik trotz angenehm positiver Message an einem Mangel an effizienten Hooks bzw. Wiedererkennungswert. U.a. mit "I Just Wanna Come Home (feat. KaBoom)” oder "Hello Kiddeez (feat. Kadija and Shawnee Boy") sowie weiteren Kollaborationen landet Theory Hazit zwar einige Punktlandungen, wirklich aus dem Gros der Konkurrenz hervorheben kann sich der durchaus sympathische Familienvater aber noch nicht.

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