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MISC - August 2007 l #03

Spezial: sellfish.de aus aller Welt

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Diesmal mit:

Andando Descalzo | Che Sudaka | Güajiro | La Vela Puerca | Omelé | uvm.

Weltmusik zählt nun nicht unbedingt zu dem Metier, in welchem sich sellfish.de normalerweise heimisch fühlt. Aber gehört gerade zum Dasein eines "Independent Online Music Magazins" nicht auch einmal wieder der Blick über den Tellerrand hinaus? Eben. Noch dazu, wenn dieser gen südländischer Regionen schweift und somit perfekt zum spät gestarteten Sommer passt. So haben wir euch in dieser Rubrik ein paar relevante Releases herausgepickt, die hier den blauen Himmel über Hamburg stilvoll passend untermalen.
Wenngleich die eröffnenden 08001 mit ihrem Mix aus Folklore, Rock und Elektronik auf "Voragine" (Galileo) absolut grenzensprengend agieren. Die neun Tracks spiegeln mit ihrem treibenden, an Dub und Drum'n'Bass angelehnten Beat samt Gitarrenriffings und orientalischen Gesängen die Definition dessen, was Produzent Julián Urigoitia als die kreative Essenz von Barcelonas Raval Viertel definiert. So entsteht ein Sound, welcher entgegen einiger anderer hier vertretener Platten nicht zur Hintergrundbeschallung degradiert werden kann. Ob die explosive Mischung wirklich funktioniert, muss jedoch jeder für sich entscheiden.
Eine Frage, die sich bei Andando Descalzo aus Argentinien kaum stellt. Ihr höchst abwechslungsreicher Latin-Reggae-Ska geht sofort in Herz und Beine. Sicherlich auch aus dem Grund, weil "Mil Destinos" (Übersee Records/Alive) über einen enorm hohen Popfaktor verfügt und sich nicht davor scheut, die Geschwindigkeit der Stücke enorm zu drosseln. Im Unterschied zu einigen Kollegen (vgl. hierzu auch die weiter unten vorgestellten La Vela Puerca) agiert das Sextett jedoch reichlich eigenständig. Nicht ganz unschuldig daran dürften die befreundeten Karamelo Santo sein, welche bei den Produktionsarbeiten aktiv beteiligt waren und die noch junge Formation in ihrem Treiben stets bestärkten. So entstanden 13 Tracks plus Bonus-Remix, welche in diesem Sommer ein Garant für gediegene Partyatmosphäre sein dürften. Die Sache hat nur einen Haken: Das Album erscheint bei uns erst am 28. September… Das Warten lohnt sich aber.
Ähnlich problemlos lässt sich denn auch Zugang zum neuen Album von Che Sudaka finden; einem Kollektiv argentinischer und kolumbianischer Musiker mit neuer Heimat Spanien. Nicht deswegen, weil deren Sound konventionell wäre. Sondern schlichtweg aus dem Grund, weil die hiesige Musikkultur durch Manu Chao bzw. Mano Negra (welche eine enge Freundschaft mit Che Sudaka verbindet) - Gott sei Dank - an derartige stilistische Cocktails schon gewöhnt ist. Tanzbar, poppig, teils elektronisch transportiert "Mirando El Mundo Al Reves" (K-Industria/Galileo) mit Exkursen in Reggae, Elektro und Punk in etwa die bewusste Lebensfreude, welche dereinst "Clandestino" so erfolgreich machte. In Kombination mit der multinationalen Besetzung sowie politisch wie gesellschaftlich motivierten Texten entsteht ein faszinierend buntes Werk, welches in diesem Sommer so manches Fest nicht nur in den Straßen Barcelonas beschallen dürfte. Zur Visualisierung liegt dem durch und durch empfehlenswerten Werk außerdem eine DVD bei.
Objektiv gesehen mögen Dazkarieh mit ihrem Album "Incógnita Alquimia" (Heptatrad/Galileo) am ehesten dem traditionellen Weltmusik-Genre zuzuordnen sein. Nicht zuletzt aufgrund des herausragenden Artworks im Pappschuber samt hochwertiger Karten (der Vorgänger erschien seinerzeit gar in Holzbox mit Buch) wird das Quartett um die bildhübsche Sängerin Joana Negrao jedoch auch bei Anhängern von Sigur Ros, Björk und insbesondere Adjágas für Aufsehen sorgen. Ebenfalls aufgrund der Tatsache, dass die Formation mit Wurzeln in der portugiesischen Folklore ihre Fühler in zahlreiche andere stilistische Richtungen ausstreckt, sollte man den zwölf vielfältig instrumentierten Titeln Beachtung schenken. Neben irischen, orientalischen oder iberischen Einflüssen sind so auch Elemente der schwedischen Kultur in der teils sehr experimentierfreudigen Musik auszumachen. Überraschen lassen, Fallen lassen.
Güajiro dürften vielleicht die am sellfish.de-relevanteste Band in dieser Rubrik sein. So vereinen die Fünf zwar Verteter unterschiedlicher Nationalitäten wie Kubaner oder Puertorikaner, aktuell beheimatet sind sie jedoch im amerikanischen Florida. Dementsprechend auch der musikalische Mix auf "Material Subversivo" (I Scream/SPV): Eine ordentliche Prise Punkrock wird hier mit Latin-Elementen gemischt und zu einem rockig-treibenden Sound verarbeitet. Die Tatsache, dass sich in den Reihen ehemalige Musiker aus den Hardcore-Bands Slapshot bzw. Speak 714 befinden, überrascht jedoch. Von unbändiger old school Energie jedenfalls ist nichts zu spüren... und ein Quentchen mehr derartiger Power würde dem leider nur durchschnittlichen Material schon gut tun. Dank der Weltmusik-Momente jedoch zumindest ein ganz schön mutiges Album für I Scream Records!
La Vela Puerca sind so etwas wie die großen Brüder zu den an dieser Stelle kürzlich (völlig zu recht) abgefeierten No Te Va Gustar. Auf "El Impulso" (Universal), ihrem neuen auch hierzulande bei einer großen Plattenfirma erscheinendem Werk allerdings wirken die Musiker aus Uruguay überraschend blutleer. Wo bei den Vorgängern noch das Feuer von Punk und Ska brannte, klingen die 13 neuen Tracks zwar melodischer und hymnenhafter denn je, zeitgleich leider auch ziemlich kraftlos. Tracks wie "Neutro" bieten beschaulichen Rocksound amerikanischer Prägung; aufgrund der Sprache sowie konstanter Bläsereinsätze zwar mit evidentem Exotenfaktor - zur gleichen Zeit aber eben mit weniger Energie als auf dem schon gemäßigten Vorgänger "A Contraluz". Von daher muss man den vierten Streich von La Vela Puerca wohl als erste kleine Enttäuschung verbuchen.
Schon wieder Barcelona: Auch Omelé haben sich lateinamerikanischen Rhythmen verschrieben und spielen eine entspannte Version von Salsa-Funk... was übrigens die von der achtköpfigen Formation selbst gewählte Beschreibung ihres traditionell inspirierten Sounds darstellt. Als Gäste feiert unter anderem der Ex-Cheb Balowski-Sänger seinen Einstand auf "Omelé" (Kasba Music/Galileo). Die trotz ihres gemäßigten Tempos ebenso tanzbaren wie vielseitig inszenierten Kompositionen begeistern nicht zuletzt durch ihre umfangreiche Instrumentierung. So entsteht ein stimmiger, wunderbar authentischer Sound, welcher dank der transportierten Lebensfreude live wie auf Platte Anklang finden dürfte.
Potty Umbrella haben sich als einzige Vertreter Osteuropas in diese Rubrik eingeschlichen. Ihr Album "Forte Furioso" (Wetmusic/Flight 13) lässt jedoch nicht nur deswegen aufhorchen: Mit dem Zweitwerk perfektionieren die Polen vielmehr ihren selbstbetitelten "ActivePsychoTrans enriched with Electro Jazz". Konkret bedeutet dies einen zwar rein instrumentalen, jedoch reichlich ansprechenden sowie enorm progressiven Cocktail aus verschachtelten Rhythmen, Frank Zappa'scher Gitarrenfrickelei sowie beinahe cineastischen Soundentwürfen. Da passt es ganz gut, dass Potty Umbrella vom Vorprogramm NoMeanNo's bis hin zur Untermalung eines Radiohörspiels bereits einiges erlebt haben. Waghalsige Konsumenten erwartet auf "Forte Furioso" ein echtes Hörerlebnis, dessen wahres Potential sich nach anfänglicher Verwirrung umso heftiger entfaltet.

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