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Waldeck

Ballroom Stories

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Der gelernte Anwalt Klaus Waldeck hat sein Mandat rechtzeitig an den Nagel gehängt, um Anfang der Neunziger auf den Wiener Downbeatzug auf zu springen. Während so mancher Kollege wenige Jahre später im großen Sumpf der Kaffeehausmusik unterging, manövrierte der passionierte Hobbypianist sich und seine Musik in minimale Popgefilde. Das kam gut an, war dem Herren Waldeck aber nicht genug.
Den Vorgeschmack zum erneuten Relaunch liefert die Hintergrundmusik des aktuellen Mercedes Werbespots mit Fernando Alonso. „Make My Day“ ist gleichzeitig der Album-Opener von „Ballroom Stories“ und gibt den Sound vor, der folgt. Das Lebensgefühl und die Vergnügungssucht der Tanz-Salons der 20er und 30er Jahre sollen es sein. Die Konfrontation von verstaubter Schellackplatte mit moderner Programmier-Technik. Ein interessanter Plan. Und schon beim ersten Durchhören der Platte dringen sowohl vorkriegszeit-typische Klarinettenklänge als auch dubbige Off-Beats in die Gehörgänge. Dazu bei einigen Tracks schön laszive Frauenstimmen. Macht sich gut. Besonders das Instrumentalstück „Dope Noir“, benannt nach dem hauseigenen Label, fällt auf. Aber nicht, weil es nach den alten Zeiten klingt. Sondern weil es nach den neuen Zeiten klingt. Ein bisschen wie Esbjörn Svenson, das gibt Pluspunkte. Sonst ist es ehrlich gesagt schwierig. Waldeck arbeitet mit von Gastmusikern eingespielten Instrumenten. Trotzdem wirken viele Tracks zusammengestückelt. Der Charme einer Musikkapelle, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts mit einem Mikrofon eine ganze Platte aufnimmt, fehlt auf „Ballroom Stories“. Gute Ansätze kann man aber auch nicht von der Hand weisen (zum Beispiel Track 7, „Why Did We Fire The Gun“). Summa Summarum: Ich bin etwas hin und her gerissen. Wäre die Platte mit einer Ansage wie „gemütlicher Hintergrund-Loungepop mit Salonflair“ bei mir eingelaufen, wäre ich angenehm überrascht gewesen. Sehr angenehm. So bin ich leicht enttäuscht, weil ich mir noch mehr Authentizität erhofft hatte, als dann letzen Endes zu hören ist.

Bewertung: 6 von 10 Sternen / Spielzeit: 45:32 / Downtempo-Swing


Wie ist „Ballroom Stories“ entstanden?
Waldeck: Ich habe mit den Arbeiten zu Ballroom Stories 2003 begonnen und wusste noch nicht ganz genau was ich eigentlich genau wollte: Mir gefiel der Sound der 20iger und 30iger Jahre, die Lebenslust, die diese Ära versprühte und vor allem dass Unterhaltungs- und Tanzmusikcharakter und musikalische Qualität der Musik kein Widerspruch sein muss. Das ist etwas, was ich angesichts des „Mainstream-Breis“ heutzutage schmerzlich vermisse. Später habe ich dann bewusster gesehen, dass diese Musik nach dem Zweiten Weltkrieg eigentlich keine adäquate Fortsetzung gefunden hat und daran wollte ich mit meinem Album anknüpfen.

Woher kommt deine Idee, auf „Ballromm Stories“ den Swing der 20er und 30er Jahre mit klassischen Wiener Dubelementen zu kombinieren?
Ich glaube Wien ist wohl neben Orten wie Jamaika und London zu einem Hotspot des Dubs avanciert. Das wird man auch nicht mehr so leicht los. Ich fand es spannend, verschiedene Offbeat Stile so wie eben Dub, Swing etc. mit einander zu kombinieren.

Was erwartet uns auf der für Herbst geplanten Deutschlandtour? Vielleicht sogar eine Liveband?
Natürlich kann es einen Sound wie auf „Ballroom Stories“ nur mit Liveband geben. Alles andere wäre schade. Als Bühnendekoration habe ich mir bereits ein altes Grammophon besorgt. Mit dem Scratchen läuft es allerdings noch nicht so ganz...

Wäre die logische Konsequenz aus „Ballroom Stories“ nicht die „Waldeck Big Band“, die in fünf Jahren als Headliner auf dem Montreux Jazz Festival spielt :)?

Na ja eigentlich haben wir uns für 2008 zunächst einmal die Einrichtung eines Ballrooms auf dem Wiener Opernball vorgenommen. Ob Headliner oder nicht, Montreux wird wohl in fünf Jahren nicht um die „Waldeck Big Band“ herumkommen.

Interview + Text: David Lodhi





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