Wegweiser durch sellfish.de

independent online music  |  info@sellfish.de

Gravenhurst

The Western Lands

gravenhurst.jpg

Immer wieder setzten sich Künstler absichtlich extremen Bedingungen aus, um die eigene Kreativität zu beflügeln. Sie ziehen dann auf einsame Landhäuser in Südfrankreich oder unternehmen Selbstfindungstrips nach Afrika. Nick Talbot hatte sich im Winter 2006 in einen Wohnwagen im Industriegebiet von Bristol zurückgezogen, um in einer eiskalten Garage Handschuhe tragend an neuen Songs für seine Band Gravenhurst zu arbeiten.
Der feine Unterschied: Talbot geht nicht freiwillig, sondern gezwungenermaßen ins Exil. Denn Talbot ist schlichtweg pleite, kann sich seine Wohnung nicht mehr leisten. Schuld daran sind die miserablen Verkaufszahlen des Meisterstücks „Fires In Distant Buildings“ im UK. Denn im Gegensatz zu Maximo Park, seinen Labelmates auf dem renomierten Warp-Label, reichen bei ihm die guten Reviews nicht aus. Ihm fehlen die Features im NME, Mojo und Co.. Also zieht sich Talbot nach unzähligen Shows als Support für etablierte Bands verbittert zurück ins Industriegebiet von Bristol und kommt mit dem wohl besten, weil stringentesten, Album seiner Schaffensphase zurück: „The Western Lands“. Talbot hat darauf „love songs, revenge songs, and blind fucking rage songs“ (Platteninfo) versammelt, was sich nach mehr Härte anhört als man letztendlich bekommt. Talbot scheint seinen Sound gefunden zu haben: wehmütigen Space-Pop mit weich eingesungenen Vocals, ab und an lärmenden Gitarren und unmittelbarer Lo-Fi-Produktion. Schmeichelnde Popsongs wie der Opener „Saints“ und die Single „Trust“ entpuppen sich beim genauen Hinhören als zerrissene Seelenbilder, die unter ihrer scheinbar glatten Oberfläche heftig brodeln. Mit „Hollow Man“ haben Gravenhurst außerdem einen flirrenden Noise-Rocker mit Sonic Youth'schem Interlude im Programm, der in seiner Funktion als Ventil „Velvet Cell“ auf dem Vorgängeralbum ähnelt. Auch der Rest des Albums wirkt insgesamt kompakter und versöhnter mit dem eigenen Schicksal als aus dem tiefsten Innern getriebener Querdenker. Das Adjektiv mag unpassend klingen, aber dieses Album ist vor allem eines: gesund. Ob es Talbot einen weiteren Winter im Wohnwagen erspart? Es wäre ihm - und seiner Gesundheit - auf jeden Fall zu wünschen.

Bewertung: 8 von 10 Sternen / Spielzeit: 43:02 / Space-Pop, Noise-Pop

Autor:





ERROR!