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MISC - September 2007 l #03

diesmal: Lärm, Lärm, Lärm und ein wenig Melodie

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Dear John Letter | New Noise Crisis | Mellory | Chasin' Darla

Das macht ganz schön was her: Die Demo-EP von Dear John Letter wird ihrem Namen bei weitem nicht gerecht und überzeugt innen, wie außen auf ganzer Linie. Was mag sich wohl verbergen hinter dieser Verpackung aus Tonpapier, Wasserfarben (in erster Linie Deckweiß) und zerstückelten Seiten aus Reclamheften? Sicherlich kein Punkrock komprimiert auf sieben Minuten Spielzeit. Dafür gibt man sich nicht so viel Mühe in der Außendarstellung. Dear John Letter machen Progrock und erinnern dabei stellenweise schon an die aktuell ganz großen Vertreter des Genres: Isis fallen einem ein, Oceansize oder Mogwai noch mehr. Vier ausufernde Songs in nicht weniger als 36 Minuten haben die Augsburger hier versammelt und sorgen damit für atemberaubendes Kopfkino. Abenteuerliche Klangwelten, denen es fast nie an Spannung fehlt und fünf Musiker, die offensichtlich alle Tricks der Spielwiese Ambient/Postrock beherrschen. Passagen wiederholen, den Hörer hypnotisieren, gefügig machen, um ihn dann mit der Lärmpeitsche aufzuschrecken. Gesang gibt es auch. Der ist zwar verbesserungswürdig, sorgt aber für zusätzliche Abwechslung. Nachdem das gute Teil auf 300 Stück limitiert ist, sollte der geneigte Zuhörer jetzt schnell zugreifen und dann kann man nur noch hoffen, dass ein fähiges Label bald auf diese Band aufmerksam wird.

New Noise Crisis wollen sich keine irrwitzigen Musikstilbeschreibungen auf die Fahne schreiben und nennen ihre Mischung einfach „Crossover“. Leider läuft es einem seit ein paar Jahren bei diesem Begriff eiskalt den Rücken runter und auch die EP „Playground“ (Big Deal Records / HOFA Media) enttäuscht die eigene von Grund auf geringe Erwartungshaltung nicht. Die vier Herren von New Noise Crisis werfen Old School Hardcore, Deathmetal und platten Rock in einen Topf und herauskommt eine Portion NuMetal, die schon vor drei Jahren mehr als fad erschienen wäre. Erinnert in den fiesen Momenten an Slipknot und ansonsten an viel Proberaumstumpfsinn und zu viel Testosteron.

Nicht minder platt musizieren Mellory daher. Nur mit dem Unterschied, dass wenig spannender Emocore immer noch deutlich mehr Spaß macht, als Haudraufmetal. Auf „Elevator Conversation“ (Astray Records) verfeuern die fünf Jungs aus Paderborn zwei Hände voll Songs mit ordentlich Druck, gut durchgekauten Riffs, aber netten Melodien soweit das Auge, vielmehr das Ohr reicht. Da fühlt man sich schon ganz gut unterhalten, auch wenn am Ende wenig hängen bleibt. Mag sein, dass sie das Rad nicht neu erfinden wollen und auch nicht müssen, aber dann muss die Band natürlich auch mit Kritik leben können. Wenn es ihnen auch in Zukunft nur darum geht ein paar schöne Refrains rauszuknallen und die Fanbase gut zu unterhalten, werden sie wohl zunehmend aus der öffentlichen Betrachtung verschwinden und das wünscht man ja zunächst mal niemand.

Chasin’ Darla sind eine junge Kapelle aus Neuss, die sich Ende 2005 gegründet hat und sich nach eigener Aussage in der Tradition von Bands wie Melvins oder Neurosis sieht. Das sind ja schon mal nicht die schlechtesten Ideengeber und Einflüsse um Musik zu machen. Logisch, dass man nicht der selben Liga spielt, aber das hat ja auch niemand behauptet. Zehn Songs haben sie im Moment im Gepäck und sind wahrscheinlich über jede Auftrittsmöglichkeit dankbar. Die Bewerbung in Form einer ersten interessant aufgemachten EP liegt nun vor. Darauf gibt es drei Songs zu hören, die vor allem der Dekonstruktion frönen und dennoch so etwas wie Strukturen aufweisen. Die melodischen, aber dennoch sehr rauen Vocals von Sängerin Tabea stehen den Songs ziemlich gut und könnten sich auf Albumlänge trotzdem als relativ nervig erweisen. Rein instrumental kann man sich die Band jedenfalls auch ganz gut vorstellen. Mal sehen, wo die Truppe in ein oder zwei Jahren steht. Wer aus Neuss kommt und Noiserock macht beweist aber auf jeden Fall schon mal Humor.

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