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MISC - September 2007 l #06

Spezial: Knüppel Aus Dem Promosack - From Metal To Core

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Diesmal mit:

Black Dahlia Murder | Down | The Destiny Program | Diavlo Swing Orchestra | Rejected Youth | Sodom | War From A Harlots Mouth uvm.

Ob es sinnvoll ist, dass gerade diese Band unsere Knüppel-Rubrik eröffnet, darf diskutiert werden. Fest steht aber, dass ausgerechnet das Apocalyptica Album mit den beknacktesten Gastsängern ihr bestes ist. Unter anderem Slipknots' Corey Taylor, Rammsteins' Till Lindeman und Cristina Scabbia (Lacuna Coil) leihen den überraschend kompakt geschnürten Tracks auf "Worlds Collide" (Gun/SonyBMG) ihre Stimme. Erklärung für die "Auf-den-Punk"-Entwicklung im Songwriting: Das ungewöhnliche finnische Quartett präsentiert seinen - sprichwörtlichen - neuesten "Streich" mit Unterstützung von Kommerz-Songwriter Max Martin. Welcher die Cellisten durchaus auch positiv beeinflusst hat. Und durch den neu gefundenen Pop-Appeal sorgt man zumindest für den Überraschungseffekt, dass sich das Apocalyptica-Konzept selbst nach über zehn Jahren noch nicht amortisiert hat. Spätestens das Dave Lombardo Feature in "Last Hope" demonstriert darüber hinaus, welcher Szene man sich zugehörig fühlt.

So, zurück zum Thema. Knüppeln. Das haben The Black Dahlia Murder nämlich trefflich gelernt. "Nocturnal" (Metal Blade/SPV) benötigt gerade einmal eine gute halbe Stunde, um den fünf Amis hervorragende Zensuren gleichermaßen im technischem Deathmetal, Hardcore-Thrash sowie Gitarrenbereich (doppelläufigen) zu attestieren. Klingt Euch noch zu wenig imposant? Man muss die immense Griffigkeit der zehn Tracks wohl am eigenen Leib erlebt haben, um die Beigeisterung der treuen Anhängerschaft nachvollziehen zu können. Oder am besten gleich die Konfrontation mit einen Live-Auftritt forcieren. Weil die Trax East Produktion von "Nocturnal" jedoch vorbehaltlos überzeugt, darf ein Probehören zum Anfixen allen Soundextremisten vorbehaltlos ans Herz gelegt werden.

Ein geradezu unglaublich fettes Album haben die ehemaligen Destiny aus Norddeutschland, welche sich aufgrund rechtlicher Belange in The Destiny Program umbenennen mussten, mit ihrem ca. drei Jahre verspäteten Drittwerk abgeliefert. Das neu formierte Quartett konnte mit dem Vorgänger "The Tracy Chapter" in der so genannten Szene schon mächtig Staub aufwirbeln... mit "Subversive Blueprint" (Nuclear Blast) steht nun der ganz große Schlag an. Produziert von Tue Madsen warf man sämtlichen überflüssigen Bombast - darunter auch weite Teile der cleanen Vocals - über Board. Das neue Material bietet nunmehr einen beeindruckenden Grenzgang zwischen fett moshigem Hardcore und atmosphärischen, melodischen Elementen. Klingt nicht neu? Ist es auch nicht. Doch in dieser Konsequenz hat man so etwas hierzulande lange nicht gehört. Die Songs besitzen jenseits verzwickter Knüppeleien viel Wiedererkennungswert und gehören schlicht zum mitreißendsten, was sich im Spannungsfeld zwischen Poison The Well, Frodus und insbesondere den grandiosen Unbroken momentan so tummelt. Wer von all den gesichtslosen Metalcore-Kapellen der letzten Monate genug hat, findet in The Destiny Program den langersehnten (wenngleich natürlich reichlich finsteren, ähm...) Lichtblick.

Hui, was haben wir denn da? Wer sich über den Bandnamen Diablo Swing Orchestra wundert, braucht das nicht lange zu tun. "The Butchers Ballroom" (Candlelight/Soulfood) lässt seinen kruden Titel schnell musikalische Realität werden. Die 13 Tracks tragen Namen wie "Balrog Boogie", "Pink Noise Waltz" oder "Poetic Pitbull Revelations"... und sind weiteres Indiz für die kreative Kanoneladung, welche die sechs durchgeknallten Schweden irgendwo zwischen Nightwish, Haggard sowie den Mad Caddies (!) abfeuern. Dazu kommt ein erhöhter Wahnsinnsfaktor, der durch Kombination des Opern-Gesangs mit teilweise tatsächlich swingenden Rhythmen entsteht. Wer sich von dieser ziemlich dubiosen Konstellation nicht abschrecken lässt, wird überrascht sein, dass das Diablo Swing Orchestra neben seinen Kaspereien sogar richtig feine Songs in der Schnittmenge Fantomas/Devin Townsend schreiben kann. Ein Freudenfest für Stilbrecher!

Verehrtes Fachpublikum. Es dürfte nicht notwendig sein, über das hochkarätige Line-Up von Down viele Worte zu verlieren. Wirbelte das Debüt "Nola" vor mittlerweile zwölf (!) Jahren doch gehörig – und zwar sprichwörtlich - Staub auf. Dass "Over The Under" (Roadrunner Records) nun erst das dritte Werk der Soupergroup darstellt, lässt sich ganz bestimmt nicht damit erklären, dass die Pantera/Crowbar/C.O.C./EyeHateGod-Connection faul wäre. Vielmehr finden sich die Hauptsongwriter Anselmo, Windstien und Keenan eben nur zusammen, wenn ihnen danach ist. Geld wird schließlich anderswo verdient. Was das eigentümliche Flair der Aufnahmen erklärt, welche abermals Referenzen zu sämtlichen Herkunftsbands ziehen lassen. Doch selbst wenn die Herren einmal mehr jeden nur möglichen "Teambonus" einstreichen können: "Over The Under" klingt im Vergleich zur derben Intensität der Vorgänger deutlich gemäßigter. Saucoole Bastarde bleiben Down natürlich trotzdem. Und mit ihrem zeitlosen Sound rollen die zwölf Tracks abermals sämtliche Kyuss-/Black Sabbath-/Pantera-Epigonen platt. Von daher, nichtsdestotrotz: Großartig.

12 Songs, 26 Minuten Spielzeit. Hallelujah, nein, kein Metalcore - sondern wunderbar derber Punk mit neuerdings hochgeschraubtem Rock'n'Roll Anteil. Für den authentischen Erhalt ersteren setzen sich Rejected Youth aus Nürnberg ja schon seit Jahren erfolgreich ein. Auf "Public Disorder" (MSM1279 Records/Broken Silence), dem neuen „Longplayer“, holt man sich dazu gleich noch die Absolution von Nachbar bzw. Oxymoron-Frontmann Sucker. Support aus der Region kommt zudem aus den Reihen von Shark Soup. Der gnadenlos schmutzige Sound steht den für ihr Genre vielseitigen Kompositionen zwischen Operation Ivy bzw. den Labelmates Stockyard Stoics prima zu Gesicht - und positioniert sich in klarem Kontrast zu den überproduzierten Punk-Veröffentlichungen der letzten Monate. Vielleicht braucht "Public Disorder" zwei, drei Hördurchgänge mehr als der Vorgänger "Angry Kids", dann reißen die ebenso rudimentären wie kurzweiligen Tracks jedoch gnadenlos mit.

"The Final Sign Of Evil" (Steamhammer/SPV)... na, klingelt's? Zumindest Metaller etwas älteren Semesters sollte angesichts der Titulierung der "neuen" Sodom warm um ihr kuttenummanteltes Herz werden. Die vor geschlagenen 23 Jahren veröffentlichte EP (damals noch ohne "Final" im Namen) wurde von Tom Angelripper (a.k.a. Onkel Tom) und seiner Gefolgschaft nämlich mit uralt Bonus-Tracks zum 50-Minuten Album aufgepimpt. Und dieses wird zumindest all jene Thrash-Fans zu Tränen rühren, welche mit dem Genre nicht fette Machine Head-Produktionen assoziieren. Jene nämlich dürften angesichts des beinahe dilletantischen Songtext-Geröchels sowie simplem Gebolzes nur die Stirn runzeln. Sei's drum, der Spaßfaktor kommt angesichts der beinahe punkigen Attitüde dieser Aufnahmen dennoch nicht zu kurz - vorausgesetzt nur, man hat zumindest marginalen Zugang zum deutschen Thrashmetal der achtziger Jahre.

Soviel vorweg: Vertrackter Hardcore mit noisigen oder auch jazzigen Momenten hat an Überraschungseffekt mittlerweile ja schon deutlich eingebüsst. Insofern schürte das Labelinfo zu War From A Harlots Mouth nicht gerade überschwängliche Erwartungen. Ob es vielleicht daran lag, dass mich "Transmetropolitan" (Lifeforce Records) dennoch überzeugte? Nicht nur. Denn die elf Tracks kicken trotz Kopflastigkeit und verfügen gar über einen rudimentären Wiedererkennungswert. Danke, Gangshouts. Jedenfalls kann ich die Charakterisierung "(...) combine the best of technical mathcore, grindcore, hardcore and a spicy pinch of jazz" nur voll unterschreiben. Die fünf Berliner haben gemeinsam mit Arsonists Get All The Girls - zumindest für mich - einem an sich schon überholt geglaubtem Sound neues Leben eingehaucht. Unter diesen Umständen: Gerne mehr davon! Aber bitte, wie hier, nur von Könnern.

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