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Devendra Banhart

Smokey Rolls Down Thunder Canyon

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Plötzlich wachst du auf und findest dich auf deiner Couch im Wohnzimmer wieder. Du musst kurz weggedöst sein, im Aschenbecher verglimmen gerade die letzten Reste eines Joints und aus der Anlage dringen merkwürdige, wunderschöne Töne. Du weißt nicht mehr, was du aufgelegt hast, aber es klingt als würden Jim Morrison und Manu Chao eine Hochzeit feiern.
Gesungen wird abwechselnd auf portugiesisch und englisch und auch die Musik gestaltet sich vielseitig. Mal klingt es nach großem Songwritertum von einem der entlegensten Orte dieses Planeten, dann nach südamerikanischer Feiermusik und im nächsten Moment schon nach psychedelischem Krautrock, die man in einer staubigen Garage aufs Band gezimmert hat. Der Erzeuger muss auf jeden Fall ein Faible für die 60er Jahre haben und dem Hippiekult nicht ganz abgeneigt sein. Klingt wie aus einer anderen, sehr eigenen Welt und doch ganz nahe. Hier musiziert definitiv ein Aussteiger, der dem bunten Treiben da draußen den Rücken zugekehrt hat. Immer wieder Gitarren, die verzaubern und einen mitnehmen auf eine Reise ins Ungewisse. Auch ein Klavier zeigt immer mal wieder Präsenz. Darüber, davor und dahinter versteckt sich sich eine Stimme, die etwas beruhigendes hat und nicht zu greifen ist. Im Gegensatz dazu tragen die Songs ganz gewöhnliche Titel wie „Bad Girl“, „Se Side“, „Saved“ oder „Lover“. „Sea Horse“ entwickelt sich zu einem achtminütigen Jam und plötzlich schreit wer aus dem hintersten Eck eines von Rauch vernebelten Raumes. Das muss Morrison sein oder am Ende gar The Doors. Dann nimmt der Weltmusiktouch wieder zu. Vielleicht doch die neue Platte von Manu Chao? Eher nicht, dafür klingt das hier viel zu aufregend. Die Songs mäandern vor sich hin, treiben dich aber nicht vor sich her. Du schweifst ab und träumst dich fort. Sehnsucht kommt auf, Fernweh sowieso. Dann wachst du wirklich auf und stellst fest: Jim Morrison war nur ein Traum. Auch der Joint: nur eine Einbildung. Aber die Musik ist immer noch da. In der Anlage liegt Devendra Banhart und die Platte heißt „Smokey Rolls Down Thunder Canyon“. Jetzt bloß nicht wieder einschlafen.

Bewertung: 8 von 10 Sternen / Spielzeit: 71:49 / Grassroots

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