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Beirut

The Flying Cup

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Ein Nervenzusammenbruch macht sich immer gut im Lebenslauf eines Wonder Boys. Einen ganz exquisiten soll auch Zach Condon gehabt haben, letzten Herbst. Und wie kuriert man einen Welttournee-Kollaps am besten aus? Mit einem neuen Album...
Zach Condon tab vor gerade mal 1 1/2 Jahren die Musikwelt aufgerüttelt und zu Tränen gerührt. Letztes Jahr erschien die Lo-Fi-Balkan-Pop Perle "Gulag Orkestar" und bewies, dass Weltmusik auch fernab von Weltmusikklischees - und innerhalb eines Indie-Korsetts - durchaus funktionieren kann. natürlich waren da Spötter und Neider, ewige Besserwisser, die der Musik den Amerikaners die Plagiatsvorwürfe nur so hinterher warfen. Einige trauten sich gar soweit aus dem Fenster, Beirut eine Vergewaltigung traditioneller Folksmusik zu unterstellen. Gottseidank kümmert das den 21-Jährigen aus Santa Fe, New Mexico, herzlich wenig. Auch auf seinem Zweitwerk (das eigentlich mindestens drei unveröffentlichte Vorgänger hatte) kleidet Condon die Zimmer seines kleinen Landhauses mit Photos unbekannter Menschen aus, baut mit Akkordeons und Cellos einen verwunschenen Garten und stapelt bis unter das Spitzdach seiner morschen Neuerwerbung die Erinnerungen europäischer Groß- und Kleinfamilien. "Nantes" kratzt die schönen Sommertage frei, die sich unter dem Staub der Tagebücher vergraben - immer darauf bedacht, mit brüchiger Twen-Stimme und Gänsehaut-Fanfaren auch wirklich jenen Teil des Hirns zu erfassen, der Tränendrüsen und Wehmut steuert. "It's been a long time since i've seen your smile" - recht so, hier wird getrauert und gelitten. Condon macht das aber mit einem untrüglichen Gespür für Melodik und befördert alte Weltmusik-Klischees mit einem sanften Arschritt auf die Veranda. "Cliquot", der Trauermarsch, featured Final Fantasy's Owen Pallett, der ohnehin viel Hand anlegen durfte bei dem deutlich ausgefeilteren Zweitwerk. Dass The Flying Cup" in der Arcade Fire Kirche aufgenommen wurde, ist dabei nur als Fußnote etwas Wert. Im Vordergrund steht hier das außergewöhnliche Talent Condons, das in jeder Ukulele, jedem Glockenspiel und jeder Trompete zum Ausdruck kommt, laut leidet und sich mit der Brust voran in den Ozean schmeißt. Ein echtes Juwel.

Bewertung: 8 von 10 Sternen / Spielzeit: 40:01 / Folk/Polka/Jazz

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