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MISC - Dezember 2007 l #04

sellfish.de Spezial: Punk.Metal.Core

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Diesmal mit:

Godsmack | Living Hell | Obligatorisk Tortyr | Tech 9 | Trap Them uvm.

Das Waldemar Sorychta/Dave Lombardo-Projekt Grip Inc. ist nach einer Reihe ziemlich unregelmäßig erschienener, jedoch sehr gelungener Scheiben endgültig Geschichte. Der Nachfolger allerdings steht bereits in den Läden: Wobei Enemy Of The Sun die Präsenz von Mister Lombardo vermissen lässt und trotz Bandbesetzung zum völligen Solotrip von Gitarrist/Songschreiber/Produzent Sorychta gerät. Sein Debüt "Shadows" (Massacre Records/Soulfood) überrascht mit reduziertem Thrash-Anteil, während progressive wie vorsichtig stilfremde Elemente mehr in den Mittelpunkt rücken. In "Lives Based On Conflicts" scheint man gar einen jungen Mike Patton zu erkennen, bis sich der Song wieder in gröhligen Genreklischees verliert. Und auch an anderen Ecken und Enden blitzen Grunge, Folk sowie insbesondere System Of A Down-Referenzen durch. Was am Ende auch der große Kritikpunkt an "Shadows" bleibt: Die Platte lässt das entscheidende Fünkchen Konsequenz vermissen - und positioniert sich zu unentschlossen zwischen Metal-Kompromissen bzw. Experimentierfreude.

Und weil es in dieser Rubrik sonst keine Weihnachtsgeschäft-typischen Veröffentlichung gibt, hier unser Beitrag zum Thema: Godsmack, die abgehalfterten US-Nu- bzw. Alternative-Rocker, schieben mit "...Ten Years Of Godsmack" (Universal Music) gerade noch rechtzeitig die Retrospektive zu ihrer (offiziell noch nicht beendeten) Geschichte in die Läden. Frontmann Sully Erna frönt auf den 16 chronologisch angeordneten und jeweils mit der Chart-Topplatzierung versehenen Tracks dem altbekannten rifforientierten (Stadion-)Rock. Dass die Geschichte von Godsmack stilistisch der von Namensgeber Alice In Chains (inklusive einer obligatorischen Akustik-EP) gar nicht so unähnlich aussieht, lenkt aber doch nicht davon ab, dass vorliegendes Material einfach zu kalkuliert und wenig leidenschaftlich wirkt. Der 2003er Albumtitel "Faceless" hat nichts von seiner bedenklichen Bedeutung für die Musik von Godsmack verloren: Handwerklich gut gemacht, jedoch ohne wirkliche Relevanz. Fazit: Eine Best-Of Compilation mit umfassendem Booklet... für Komplettisten eines redundanten Genres.

Beinahe immer wieder gelingt es dem mittlerweile "gesund geschrumpften" Label Revelation Records, neben wegweisenden Veröffentlichungen die eigene Szene-Herkunft im Blick zu behalten. So geschehen ganz aktuell mit Living Hell, welche nicht nur aus einigen erfahrenen Szenerecken bestehen, sondern sich prima neben den andernorts angesprochenen Deathwish-Retrotrip gesellen. "The Lost And The Damned" (Revelation Records/Cargo), das Zweitwerk der Herren aus New England, beackert ein Feld zwischen Integrity, Ringworm und - tja - den letzten beiden Deathwish Acts, Pulling Teeth bzw. Shipwreck A.D. Ein Eindruck, der sich mit dem old school Artwork der Scheibe prima bestätigen lässt (an welchem ein gewisser Dwid sogar mitbastelte...). Schließlich sei noch angemerkt, dass die beiden Gitarristen in den Reihen von Living Hell mit typischem Metalcore nichts am Hut haben, sondern stattdessen typischem Clevo-Sound frönen. Fazit: Ein höchst unterhaltsamer und mitreißender anachronistischer Trip. Außerdem: Was vor Monaten mit Down To Nothing etc. funktionierte, wird hiermit ins Jahr 2008 gerettet - Das Huntington Beach Label als erste Adresse für Hardcore jeglicher Couleur. Aber mit Niveau.

Neues aus dem Hause Power It Up - und damit obligatorisches Kraftfutter für die weltweit verstreute Grindcore-Gemeinde: Obligatorisk Tortyr, beheimatet im schwedischen Göteborg, halten sich nicht lange mit den Deathmetal-Referenzen ihrer Herkunftsstadt auf. Bei "Aterförödelse" (Power It Up) regiert das Crust-Brett, ergänzt um diverse knüppelige Thrash– sowie Punk-Exzesse. 38 Minuten braucht es für die 26 beinahe durchgehend auf Schwedisch vorgetragenen Tracks. Als Pluspunkte kann die ehemalige Osmose-Band neben ihrer schier unkontrollierbaren Energie vor allem durch die exquisite Produktion überzeugen. Zudem erweist sich das Trio an den Instrumenten deutlich gereift, weshalb man dem Material (auch dank einiger harmonischer Leads) erstmals keinerlei Gleichförmigkeit mehr unterstellen kann: Nasum, Carcass, Napalm Death... Wem bei diesen Namen das Wasser im Munde zusammen läuft, der liegt bei Obligatorisk Tortyr garantiert richtig.

Sie sehen aus wie Punks, in ihrer Musik allerdings steckt mindestens noch eine Hand voll Hardcore: Eine gesunde Mischung, welche nach viel zu langer Abstinenz ja in den letzten Monaten durch Bands wie Anti-Flag oder Rise Against zu kommerziellen Hochflügen angesetzt hat. Die Riot Brigade jedoch überzeugt mit einer gesunden Portion Bodenhaftung. Weshalb "Break Addiction" (Concrete Jungle Records/Broken Silence) auch eher nach Crass, 7 Seconds oder den Casualties klingt, denn nach fett produzierter Major-Wahre. Im Gegenteil: Die drei Hand voll Tracks rumpeln wunderbar ungeschönt aus dem Boxen. Und dürften trotz eines beachtlichen Abwechslungsreichtums im Pit so direkt ankommen wie der plakative Bandtitel bzw. die Texte dieser Platte. Übrigens: Trotz zweitem Gitarristen lässt sich hier kein Hauch von Metal ausmachen. Wer auf energetischen, authentischen und inspirierten Punkrock steht sowie akzeptiert, dass hier eben keine alten Säcke bzw. Szenehasen am Werk sind: Volltreffer!

Die Sons Of Alpha Centauri aus Großbritannien umgeben sich nicht nur mit einer spacigen Attitüde, sondern spielen passend dazu atmosphärischen, rein instrumentalen Stoner Sound. Den sie um einige Elemente aus klassischem Siebziger-Jahre Rock sowie progressive Annäherungen erweitern. Das selbstbetitelte Debüt besticht nicht nur durch eine „live im Studio“-Produktion, sondern in seinem schicken Digipak zudem auf visuelle Weise. Womit "Sons Of Alpha Centauri" (Sound Devastation) zwar noch immer nicht zu einem Aufsehen erregendem, jedoch durchaus interessantem Werk abseits ausgetretener Pfade wird. Letzten Endes fehlen den zwölf teils recht langen Songs jedoch die wirklich packenden, magischen Momente, um nachhaltig in Erinnerung zu bleiben. Ach so: Der Drummer der Band hört übrigens auf den Namen Stevie B....

Seit einer Ewigkeit im Underground aktiv, kommt dieser Benelux-Formation dank I Scream Records wohl endlich die Beachtung zu, die sie verdient. Schließlich entwickelte man nicht nur seinen Stil vom Hardcore-beeinflussten Oi hin zu knackigem Punkrock, sondern überstand sogar die ersten Gehversuche samt Lost And Found-Knebelvertrag im konstanten Line-Up. Tech 9 wurden seit ihren arg unausgegorenen Anfangstagen mit jedem Album besser und legen mit "Nine Lives" (I Scream Records/Cargo) den vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere vor. Mit dem Opener "To Live Is To Die" hat man dann auch gleich einen richtigen Hit am Start, der mich gar an die famosen D.O.A. erinnert. Tatsächlichen Diebstahl haben Tech 9 zwar nicht nötig, doch unter den 19 Tracks tummeln sich doch immerhin sechs Coververionen. Darunter die Dead Boys und Blondie; Sogar das Ramones-Medley fügt sich nahtlos in den Kontext der Scheibe ein. "Nine Lives" wird in Kombination mit den gelungenen Eigenkompositionen zum absoluten Pflichtwerk für Freunde des melodischen Streetpunks – inklusive Schmackes statt Tralala. Sogar die Texte kommen so sympathisch-belanglos daher, dass ich nur ein Fazit ziehen kann: Tech 9 sind eine dicke Empfehlung wert und den Prolo-Kollegen von Discipline bedenkenlos vorzuziehen. Willkommen zurück.

Das klassische Skull-Artwork von Ryan Patterson deutet es schon an: Wir haben es hier mit historischen Aufnahmen zu tun. Sollte man meinen. Doch Trap Them entstammen klar dem Hier und Heute. Aufgenommen wurde diese EP dennoch mit gerade einmal acht Spuren und bringt es dabei auf eine, reichlich chaotische, viertel Stunde Spielzeit. Nach der Debüt 7" sowie einem Album markieren vorliegende sieben Songs bereits das dritte Lebenszeichen von Trap Them in diesem Jahr. Und "Seance Prime" (Deathwish/Green Hell) gliedert sich stilvoll zwischen Hardcore und diversen Metal-Zitaten ein, ohne in das sonst so übliche Raster zu fallen. Stattdessen erinnert die manische Musik an eine Mischung aus Crustcore, frühen Göteborg-Sounds sowie diversen D-Beat Varianten. Nicht nur aufgrund der daraus resultierenden Abstinenz von jeglichen musikalischen Trends steht zu befürchten, dass weiterhin nur der Untergrund Notiz von dieser brillanten Band nimmt.

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