Wegweiser durch sellfish.de

independent online music  |  info@sellfish.de

MISC - Februar 2008 l #09

Post.Punk.Rock.Metal.Core

Diesmal mit:

KT Conspiracy | Red Button | Leechee | Straight Corner | pencilcase | Skullboogey

Die Band KT Conspiracy gibt mit ihrer gleichnamigen Promo-EP (Eigenvertrieb) ein erstes Lebenszeichen von sich. Drauf sind vier Songs, alle getragen von der Frontdame Kathi, nach der wohl auch die Band benannt wurde. Die fünf jungen Donauwörther spielen angejazzten Indiepop, der sicher sofort so im Radio laufen könnte. Wo doch starke Frauenstimmen eh gerade angesagt sind. Es ist der Gesang, der alle vier Songs ein gutes Stück nach oben reißt. Der Groove stimmt, die Stimme ist einprägsam, schrammt immer knapp daran vorbei, zu over-the-top zu sein. Alles im grünen Bereich also. Bis jetzt scheint die Band kaum aus ihrem Umfeld rausgekommen zu sein. Aber sind ja noch jung ... Bleibt also spannend. Vielleicht sollte man als erstes mal mit einer Homepage anfangen. Wir schreiben schließlich mittlerweile das Jahr 2008. Falls ihr mal irgendwie an die Musik kommen solltet: Unbedingt „Lucies Hands“ anhören.

Auch Red Button aus einem Kaff in der Nähe von Regensburg machen gar nicht so viel verkehrt. Sängerin Jule klingt in manchen Momenten ein wenig nach Jo Snyder von Anthem Red/Sixty Stories. Die Musik allerdings ist handzahmer Alternative-Punkrock. Mehr Alternative, als Punkrock. Nichts besonderes. Und auch nicht weiter verwunderlich, wenn als Vorbilder so unterschiedliche Bands wie Die Happy, Dover, The Clash oder Metallica genannt werden. Die 5-Track-EP „Immortal“ (SonicSound / Radar) kann sich objektiv betrachtet dennoch sehen lassen. Produziert von dem Typ, der auch „Die Killerpilze“ so klingen lässt, wie sie nun mal klingen. Aufs nächste Mixtape (wie es der Infozettel vorschlägt) schaffen es die jungen Hüpfer bei mir zwar nicht. Den Weg in meine Itunes-Bibliothek haben sie aber schon mal geschafft. Für die nächsten Monate ist einiges an Konzerten geplant. Man merkt: Die Band meint es ernst. Nur das nächste mal um Himmels Willen bitte nicht noch mal so ein grelles Cover. Sehen doch gar nicht so schlecht aus in echt.

Mit Leechee gibt’s dann noch einen Vertreter aus der Reihe der Placebo- und Blackmail-Nachahmer. Zumindest, wenn man mal den Gesang betrachtet. Frontmann Piotr Ziental hat Leechee einst als Soloprojekt gestartet, mittlerweile ist eine richtige Band daraus geworden. Sein Gesang deswegen aber nicht weniger schief, nicht weniger angestrengt. Auf dem Debütalbum „Stay Away From All The Lonely, They’ll Only Eat Your Heart“ (FinestNoise Releases / Radar) paaren sich heavy Gitarrenriffs mit knochentrockenem, aggressivem, melodischem Rock. Stets konterkariert durch Zientals Stimme. Alternativerock mit Stoner-Anwandlungen. Funktioniert am besten, wenn die Bochumer Band sich eben nicht auf den Gesang verlässt.

Houston Swing Engine aus Lausanne klingen auf den ersten zehn Sekunden von „Entre Hommes“ wie My Chemical Romance zu „Three Cheers For Sweet Revenge“-Zeiten. Doch spätestens wenn Danek mit dem Gesang einsetzt, ist diese Assoziation vom Tisch gefegt. Stattdessen macht man eine andere Schublade auf. Eine Schublade, die sich bis zum Ende des Albums nicht ganz schließen lässt. Kein Wunder, der Gesang klingt wahrlich wie Dennis Lyxzén zu seinen besten Refused-Zeiten. Die Band mischt Stonerrock, Punk und Hardcore. Der Sänger stammt von der Metal-Kapelle Unfold. Mit Pop hat das dritte Album der Schweizer Rockband Houston Swing Engine nun wirklich nichts am Hut. Die schweren Gitarren schlagen Schneisen in das breite Feld der „corporate rock music“. Die mögen sie nämlich nicht. Stattdessen gibt’s dominante Basslinien und eindringliches Gekeife. Klar, eine Band, die ihre Debüt-EP „Greatest Hits“ nennt und auf dem neuen Album (übrigens in Spanien produziert) einen Song namens "Chessmate, Fucker!" mit drauf hat, die muss ja nen leichten Dachschaden haben. Sehr sympathisch.

Bei Skullboogey dürfen sich die Rocker freuen. Denkt man beim ersten Song auf „Dead $ Sold“ (FinestNoise / Cargo) noch, hier würden sich Limp Bizkit-Bratgitarren mit öden Rock-Standards abwechseln, muss man der Band schon nach dem ersten Hördurchgang erstaunliche Qualitäten attestieren. Skullboogey sind mitnichten nur für Motörhead-Fans mit Nu-Metal-Vergangenheit. Stattdessen gibt’s in dem eng gesteckten Rahmen recht abwechlsungsreichen Rock n’ Roll. Nur die wie aus dem nächstbesten Märchenfilm gestohlen klingende Ballade „Another Fool“, die hätte es nicht unbedingt gebraucht. Beim ebenso ruhigen „Alone In The Hole“ ist ihnen das besser gelungen. Aber trotzdem: Skullboogey sollten bei dem bleiben, was sie sonst auf der CD machen: Rock. Das machen sie ziemlich gut. Mittlerweile übrigens seit fünf Jahren. Die perfekte Platte für Leute, die Wörter wie „Groove“ und „Drive“ in den Mund nehmen können, ohne loszulachen. Das sind nur die 90er, mein Freund. Und das ist nicht mal bös' gemeint. Oder wie Skullboogey sagen würden: „Fuck you. I Just wanna boogey, baby“.

Nicht ganz so schlimm in den Neunzigern hängen geblieben, aber fast: Die vier Jungs von Pencilcase aus Aachen. Da wird schon im ersten Song „Start A Motherfuckin Riot“ gegrölt. Handgemachte Rockmusik, die aber ordentlich ins Ohr geht. Sie selbst nennen es „Swingcore“ (ModernNoise / Cargo). Für Freunde der poppigeren Beatsteaks-Songs sag ich jetzt mal. Es gibt Melodien, es gibt Stromgitarren, es gibt - zugegebenermaßen nicht ganz klischeefreie, aber schön gesungene (manchmal ein wenig an Ignites Zoli erinnernde) - englische Vocals, es gibt ruhigere Zwischentöne. Ganz gut und erstaunlich mitreißend das alles. Perfekt zum Biertrinken. Hätte ich mir 1999 auf der Fahrt zum Bizarre Festival als Tape im Kassettenlaufwerk gewünscht. Ne schöne Single gibt’s auch: Die heißt „Your Mouth“. Und wenn der Drummer einem wie bei "Pity Me" ordentlich einheizt, dann kann man auch gut den Popo dazu bewegen. Bleibt den Jungs nur zu wünschen, dass die richtigen Leute auf ihre Musik aufmerksam werden. Die mit dem guten Geschmack. Soll es ja mehr als genug geben.

Wären da noch Straight Corner. Die sind durchaus sympathisch. Knallen auf „Gewehr bei Fuß“ (Horror Business Records) ein Punk/Hardcore-Brett nach dem anderen raus. Singen gegen die Bundeswehr, gegen Religion und gegen Schwulenhass. Bauen einen O-Ton aus dem großartigen Thilo-Gosejohann-Film „Operation Dance Sensation“ mit ein. Und haben als Gimmick eine original 3-D-Brille beiliegen. Musikalisch gibt’s schnellen Punkrock mit gewöhnungsbedürftigem Gesang. Absolut nichts neues. Aber schön oldschool punkrock. Kann man machen.

Autor:


Zum Seitenanfang

ERROR!