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MISC - Februar 2008 l #10

sellfish.de Spezial: Prog.Rock.Metal.Core.

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Diesmal mit:

Ascension Of The Watchers | Backfire! | Hate Eternal | Porcupine Tree | Prisma | RPWL | Sinew | Willy DeVille | The Limit

Mit seiner musikalischen Vision Ascension Of The Watchers dürfte ex-Fear Factory Burton C. Bell so manchen Anhänger überraschen: "Numinosum" (13th Planet) lässt von dem seinerzeit durchaus innovativen High-Tech-Thrash-Metal seiner Vorgängerband nichts, aber auch gar nichts übrig. Stattdessen werden hier poppige Ambient-Landschaften in Überlänge entworfen, welche Freunden von Stromgitarren mindestens ein Fragezeichen auf die gerunzelte Stirn treiben dürften. In seinen zugänglicheren Momenten taucht zwar durchaus die eine oder andere akustische Instrumentierung auf; insgesamt jedoch bleibt dieses Werk ein schwer verdaulicher Brocken. Was sich insofern als seltsam darstellt, weil die einzelnen Elemente der vielschichtigen Tracks Melodien keineswegs abgeneigt sind. Der ausladende Charakter des Materials jedoch macht eine Konfrontation jenseits von Kopfhörern zu einer kniffligen Angelegenheit. Und schließlich muss doch konstatiert werden, dass Burtons "cleane" Stimme ziemlich variationslos klingt. Ein tapferer Schritt aus dem Schatten der eigenen Vergangenheit jedoch bleibt "Numinosum" allemal.

Eine Hassliebe vereinigt mich mit Backfire! schon seit ihren Gründungstagen. Denn während Tracks wie "We Won't Forget" von der ersten 7" einfach knall-energetische Hardcore-Klassiker waren, sorgten die manchmal ekelhaft konservativen Texte der "M-Town-Rebels" immer 'mal wieder für Kopfzerbrechen. Von jenen hat man sich inzwischen - glücklicherweise - größtenteils verabschiedet. Dass sie auch gute zehn Jahre nach Bandgründung und dem tragischen Selbstmord von Drummer Richard immer noch heftig auf den Putz hauen können, beweisen die Gründungsmitglieder Wyb (Gitarre) und Frontköter Pat dagegen mit ihrem neuen Longplayer "In Harm's Way" (GSR Music/Cargo). Selbiger bringt es zwar wieder einmal gerade auf eine halbe Stunde, während derer tut sich aber einiges. So sorgen Gastvocals aus den Reihen von Kickback und The Setup für Abwechslung, während sich die die Niederländer durch ihre zwölf (diesmal etwas rockigeren) Eigenkompositionen plus die Coverversion des Integrity-Klassikers "System Overload" prügeln. Neues gibt es sonst auch diesmal freilich nicht zu entdecken. Ihr musikalisches Handwerk beherrschen Backfire! aber konsequent wie kaum jemand anderes in Europa. Songs wie "Sam's Song" schließlich machen deutlich, warum das Quartett zeitweise sogar als legitimer Nachfolger von Negative Approach gehandelt wurde.

Auf dem Debüt war im Titel noch von "Conquering The Throne" die Rede, drei Jahre später avancierte er dann schon zum "King Of All Kings"... Mit "I, Monarch" schließlich wurde der Ruf als Alleinherrscher des unterkühlten, hochtechnischen Deathmetals untermauert: Die Rede ist von Erik Rutan, welcher angesichts solcher Zuschreibungen über ein beruhigendes Selbstbewusstsein verfügt. Denn der ehemalige Morbid Angel-Gitarrist darf als Wunderkind an seinem Instrument gezählt werden und gibt auf seinem eigenen „Baby“ Hate Eternal bekanntermaßen auch am Mikrofon ein überzeugendes Bild ab. Mit Neuzugang Alex Webster (Cannibal Corpse) am Bass zog er für "Fury & Flames" (Metal Blade/SPV) einen weiteren Meister seines Faches zur Unterstützung heran, welcher der Virtuosität des Bandleaders in nichts nachsteht. Das neue Werk jedoch schießt über den Anspruch, ein weiteres Manifest des komplexen Deathmetals zu liefern, hinaus: Die zehn Songs machen keine Verschnaufpause, stecken voller überraschender Rhythmuswechsel, chaotischer Arrangements und halsbrecherischer Frickel-Kapriolen. Allerdings lässt sich im seit jeher schwer zu erschließenden Kosmos des Quartetts endgültig kaum Wiedererkennungswert finden. Stattdessen bleibt man mit zwiegespaltenem Eindruck zurück: In einer derartig nihilistischen Zerstörungswut kommt mir als Referenz nur noch das Emperor-Finale "Prometheus" in den Sinn.

Eine für Anhänger progressiver Töne höchst erfreuliche Woche wird eröffnet durch die Heroen von Porcupine Tree: Mit "Nil Recurring" (Peaceville/SPV) offenbart Steve Wilson einen Nachschlag zum jüngst erschienenen letzten Studioalbum "Fear Of A Blank Planet". Die mit einer halben Stunde Spielzeit quantitativ recht opulent ausgestattete Mini-CD gefällt auch qualitativ: Der gleichen Aufnahmesession wie besagter Longplayer entsprungen, meint man gar, das Material würde auch inhaltlich anknüpfen. Schon der instrumentale Opener bzw. Titeltrack gerät zu einer Achterbahnfahrt zwischen Laut/Leise und bewährter Porcupine Tree-Atmosphäre. Insgesamt entpuppt sich die Musik vielleicht als ein wenig ruppiger und direkter; genau diese Kante tut den vier Tracks jedoch äußerst gut. Und unterstreicht vor allen Dingen die Herkunft von Wilson - welche sich nach den Arbeiten mit Opeth und Blackfield doch etwas verzerrt darstellte. So bleibt am Ende eine packende, ohne Umschweife gelungene EP, welche den hohen Erwartungen tatsächlich abermals gerecht werden kann.
Auch in der Schweiz hinterlässt der sagenhafte Triumphzug von Porcupine Tree seine Spuren. Und mit Prisma stellt sich dort eine Band relativ klar in den Schatten von Wilson. Was beim Debüt "Collusion" (Galileo/Pängg) schon mit dem stilvollen Artwork beginnt. Und auch die Vocals wurden mit ähnlichen Effekten bearbeitet; sie reihen sich jedoch nicht nur optimal neben das vielschichtige Songmaterial. Phasenweise fühlt man sich gar an Tool-Frontmann Maynard James Keenan erinnert. Schließlich packte man in das Dutzend Tracks zahlreiche dynamische Breaks, welche an so eine weitere Parallele in Richtung des Meisterwerks "Ænima" ziehen lassen ("Paragon"). Dabei rücken Prisma die zündende Hookline noch klarer in den Mittelpunkt: Für ein Album mit progressiver Note erschließen sich die Kompositionen überraschend schnell. Umso bemerkenswerter, als das in Eigenregie aufgenommene Werk höchsten Ansprüchen genügen sollte.
Ausgerechnet aus dem bayerischen Freising kommt mit RPWL eine Band, deren kosmopolitischer Ansatz der provinziellen Herkunft massiv entgegensteht. "The RPWL Experience" (Inside Out/SPV) ist bereits das fünfte Album dieser Ausnahmeformation, welche übrigens Querverbindungen in Richtung Hidden Timbre bzw. Blind Ego bereithält. Und eine "Experience" birgt die Konfrontation mit dem Sound der Süddeutschen tatsächlich. Gekonnt knüpfen die Instrumentalisten Chris Postl, Manfred Müller, Karlheinz Wallner und Sänger/Keyboarder/Produzent Yogi Lang hier einen Spannungsbogen aus symphonischen wie rockigen Elementen sowie psychedelischer (teils orientalischer) Atmosphäre. Dabei entstanden zehn Stücke mit ausufernden Songaufbauten, die niemals in seichte Bombastregionen abzugleiten drohen. Denn RPWL verstehen es, ihren fließenden Art- bzw. Progrock zu keiner Sekunde in hektische, überladene Regionen abdriften zu lassen. Mit viel Geduld entwickelte man stattdessen ein überlanges Werk, welches ebenso im Hintergrund wie bei konzentriertem Zuhören funktioniert. Denn hinter den vordergründig eingängigen Melodielinien stecken stets unzählige Sounddetails, dank welcher das Material mit einer enormen Langzeitwirkung ausgestattet ist. Fazit: Zwischen Pink Floyd (die hier wirklich omnipräsent sind), Peter Gabriel (als stellvertretender Mentor für die songorientierte Experimentierfreude) und natürlich Porcupine Tree (deren Anhänger hier ganz genau hinhören sollten) wurde behutsam ein warmer Sound kreiert, der so manchen kalten Wintertag erhellen dürfte.

Bands, die dem Genre Rock neue, moderne Aspekte hinzufügen, ohne in die Untiefen von Nu-Metal oder Crossover abdriften, sind selten geworden. Insbesondere unter den einheimischen Newcomern hat man oft den Eindruck, hier sei zwischen Limp Bizkit und Creed kaum noch etwas Ernstzunehmendes möglich. Sinew aus Magdeburg jedoch sind anders. Und das mit Erfolg. Denn für "The Beauty Of Contrast" (Alveran Records) dürfen als Referenzgröße vor allem Dredg herhalten. Schon beim Opener "The Allegory Of The Cave" driftet der ebenso hymnische wie aggressive Mix aus Alternative Rock und Emocore in Richtung der amerikanischen Post-Progrocker. Sicherlich auch deswegen, weil sich der Songaufbau ebenso in Richtung großer Vorbilder orientiert wie der Gesang von Frontmann Sascha Junker. Dabei darf man aber nicht aus den Augen verlieren, dass die Kompositionen in Punkto Songwriting und Professionalität ebenso keine Wünsche offen lassen, wie der Hookline-Anteil (okay, und der Pathos...) überzeugt. Für ein Debüt - und dies bleibt auch die einzige Einschränkung - sind die zwölf Tracks rundum gelungen.

Sicher gäbe es passendere Rubriken für das musikalische Schaffen von Willy DeVille als ausgerechnet neben den Rock-Bastarden hier um ihn herum. Und doch unterstreicht sein neues Studioalbum "Pistola" (Eagle Records) die Herkunft des Amerikaners. Konfrontierte er die Hörer doch in seiner bewegten Karriere stilistisch mit harten (Rock-)Gitarren ebenso wie mit Blues, Ska oder gar Punk. Vorliegende zehn Songs zeigen DeVille jedoch von seiner gesetzten, ausgeglichenen - ja beinahe spirituellen ("The Band Played On") Seite. Natürlich alles basierend auf der verrauchten, abgehangenen Stimme des Protagonisten. Seit jeher ein ebenso einzigartiges Merkmal seiner Musik wie die charmanten Harmoniebögen der Singer-Songwriter/Rock’n’Roll-Adaptionen. Willy DeVille bleibt ein Stück Musikhistorie - und dieses lohnende Album unterstreicht seine Position noch.
Und auch ein paar echte "Youngsters" versuchen sich an der Wiederbelebung klassischer Rock-Geschichte. The Limit bringen ihr Debüt "Reinventing The Sun" (Eigenproduktion/Import) zwar ohne einen Vertrieb bei uns an den Start, holten sich für das Mastering mit King's X Ty Tabor zumindest einen Meister seines Faches ins Boot. Aus dem Durchschnittspott kann der dieses junge Trio dennoch nicht holen. Zu glatt funktionieren die bewusst schlicht gehaltenen Kompositionen, zu unspektakulär bleibt das Gesamtergebnis. Wer allerdings Nachschub in der Rige konventionell gutklassiger Gitarren-Machart zwischen den Spin Doctors oder Alterbridge sucht, sollte die Herren ´mal via MySpace kontaktieren…

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