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MISC - März 2008 l #13

sellfish.de Easter HARDCORE Special

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Diesmal mit:

Blacklisted | Lack | Cataract | Solid Ground | Everyday Dollards | Sirens | Tackleberry | Victims

Ganze drei Jahre haben sich Blacklisted Zeit gelassen, um den Nachfolger zu "The Beat Goes On" vorzulegen. Ein Zeitraum, in welchem einiges passierte, was das Umfeld der Band aus Pennsylvania gehörig beeinflusst haben dürfte: Als da vor allen Dingen das endgültige Verschwinden von Give Up The Ghost wäre. Und was sich in der Vergangenheit bereits andeutete: Blacklisted treten an, um deren Ausnahmestellung zu übernehmen. Denn wo vermeintliche weitere Aspiranten wie Modern Life Is War mittlerweile ganz eigene Wege gehen, will "Heavier Than Heaven Lonlier Than God“ (Deathwish Records/Indigo) nur eines: Seine Hörer auf Anhieb in den Bann ziehen. Noch dynamischer, noch durchdringender ringen die elf Tracks um Aufmerksamkeit. Der sehr spezielle Metal-Anteil wurde noch weiter verfeinert, dient als eigenwilliges Stilmittel fernab von Metalcore-Klischees und erhöht den Spannungsbogen immens. Beispielsweise herauszuhören beim unglaublichen „Circuit Breaker“. Das aufwendige Artwork teilte sich Labelboss Jacob Bannon mit der Fotografin Melissa Farley. Statt Jim Seigel saß diesmal übrigens Meister Kurt Ballou an den Reglern, welcher den nur knapp 20 Minuten ein dichtes, spürbar direktes Soundgewand verpasste: Blut, Schweiß und Tränen tropfen aus der heimischen Stereoanlage, wenn eine der besten Hardcore-Bands dieser Tage aus den Box dringt.

Im Kontext von Hardcore und Independent hat sich Dänemark in letzter Zeit nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Schließlich fand man in unserem nördlichen Nachbarland oft mehr Plagiate und Kopistentum als wirkliche Kreativität. Dass Lack da anders sind, entdeckten bislang viel zu wenige Hörer lärmig-rockender Musik. Zumal die Formation aus Kopenhagen immer einmal wieder viel zu lange abtaucht. Um denn mit einer Mischung aus Weiterentwicklung und Neuerfindung vollkommen zu überraschen; Ja, ihre Hörerschaft regelrecht wegzublasen. So wieder im Falle "Saturate Every Atom" (Playrec/Cargo). Nach einem Debüt zwischen Botch und Refused sowie der Zwischenstation „Be There Pulse“ fand man nun die Formel für den definitiven Song zwischen No-Wave-Rhythmus, Hardcore und Rock. Die Gitarren spielen neuerdings beinahe nur noch eine untergeordnete Rolle: Alles gliedert sich hinter der Rhythmusfraktion ein. Welche dann gleich auch noch einen guten Teil der Harmoniearbeit übernimmt. Zudem: Einen derart trocken gebürsteten Gitarren- und Basssound hörte man lange nicht - Produzent Per Chnöeldh darf als die größte Neuentdeckung seit Pelle Gunnerfeldt gefeiert werden. Und Lack für das klügste (Lyrics!), tanzbarste und hitverdächtigste Werk, welches 2008 aus dieser musikalischen Ecke gefeuert wurde. They did saturate every atom, indeed.

Nicht umsonst als eine Bank im europäischen Metalcore-Zirkus gelten Cataract. Die Züricher konnten sich in der Vergangenheit seit dem Knalleralbum "Great Days Of Vengeance" (seinerzeit via Lifeforce Records) eine solide Fanbase erspielen und haben längst das nächste Level anvisiert. Und es sollte mit dem Teufel zugehen, wenn die fünf Präzisionshandwerker bei derart günstiger Marktlage für ihr Genre mit einem neuerlichen Hammer wie "Cataract" (Metal Blade/SPV) ihre Popularität noch ausbauen können. Dabei wurde der Hardcore-Anteil (jenseits ihrer Attitüde, siehe unten) in den zehn Songs vorsichtig reaktiviert. Dennoch regiert hier vor allen Dingen das reine Metalbrett: Haufenweise Moshparts, Breakdowns und eine hyperagile Instrumentalfraktion lassen kaum Zeit zum Durchatmen. Keine Spur von den allseits beliebten cleanen Gesangspassagen, sondern gnadenlos thrashiges Riffing und ein nicht zu bremsendes Schlagzeug sorgen für offene Münder. Zwar gibt es durchaus melodische Leads ("Blackest Hour"), die orientieren sich aber eher an Altmeistern wie Slayer denn an der Schwedenschule. Der Überraschungseffekt ist zwar längst verflogen, in seiner Konsequenz sowie neuerdings einem gewissen Hitappeal ist das von Tue Madsen gekonnt inszenierte Album aber nichtsdestotrotz eine Macht. Allein das unspektakuläre Coverartwork wirkt etwas ärmlich. Schade für uns außerdem, dass es bei der Bemusterung nicht zur limited Edition gereicht hat - Die Coverversionen der Bonus-CD von Integrity, über Mötley Crue hin zu Obituary machen doch neugierig...
Ebenfalls aus der Schweiz, jedoch von Kopf bis Fuß im Hardcore der alten Schule verwurzelt sind Solid Ground: Schon mit dem Vorgänger "Get Used To It" konnten sie mich überzeugen. Dank "Can't Stop Now" (Let It Burn/Green Hell) wird der gute Einstand nun untermauert. Nach Shows mit Betrayed, Blacklisted oder No Turning Back stehen auch die 15 frischen Tracks in vergleichbarer Tradition. Soll heißen: Neues gibt es zwar nicht zu hören, aber der Spirit von Killing Time bis Judge wird authentisch in die Gegenwart bzw. auf einen anderen Kontinent gehievt. Ohne überflüssigen Ballast, ohne Anbiederungen an bestehende Trends und – angenehmerweise – ohne allzu große textliche Belanglosigkeiten erfüllen sie die in sie gesteckten Erwartungen mühelos. Und lassen auf weitere intensive Liveshows (derzeit übrigens mit Cheap Thrills) hoffen…

16 Songs, eine gute halbe Stunde Spielzeit und das Booklet voller Referenzen an die New Yorker Hardcore-Schule: Wem Everyday Dollars bislang noch nichts sagten, der sollte anhand dieser harten Fakten schnell einsortieren können, in welche stilistische Richtung wir hier steuern. Korrekt: "Before The Supply" (Swell Creek/Superhero/Soulfood) drängelt sich nämlich reichlich selbstbewusst zwischen die Bruderschaft von Madball und Agnostic Front. Das Quintett aus, richtig, New York gefällt dabei mit einer ebenso eingängigen wie kickenden Mischung aus Hardcore und Punk, die hier zudem um Coverversionen von The Necros, Brickhouse und The Uprise erweitert wurde – dabei jedoch mit jeder Menge melodischer Hooks aufwartet. Schließlich: "Now It's The Time" widmet man Raybeez Warzone (ohne Frage eine weitere immense Inspiration für die jungen Kerle), "Youthfight" wurde im CBGB's aufgenommen - und ich freue mich, dass die NYHC-Szene immer wieder neuen Nachwuchs findet, welcher die alte Schule am Leben erhält…

Ihre vor zwei Jahren auf Let It Burn Records erschienene EP habe ich zwar noch in bester Erinnerung, die Qualität des ersten regulären Longplayers "In Circles" (Clarity Records/Widespread Distribution) überwältigt mich dennoch: Sirens aus (unter anderem) Wanne-Eickel feuern eine derart mitreißende Mixtur aus Hardcore und Punk ab, dass nicht nur auf unseren Seiten große Namen wie Uniform Choice oder Gorilla Biscuits fallen werden. Da mag es durchaus sein, dass ehemalige Teamkiller- und Bleed Into One-Mitglieder bzw. Teile der „Lost & Found“-Opfer No Lesson Learned für ein entsprechendes Grundniveau gesorgt haben: Die zwölf Tracks bestechen letzten Endes allein durch ihre funkensprühende Energie, feinen Melodien und einer dezenten Prise Selbstironie (…oder wie darf ich „The Lost Crown“ sowie das Coverartwork verstehen?). Wer nach einem einheimischen Underground-Pendant zu Ignite sucht, muss hier zugreifen - Auch wenn Sänger Daniel Gerigk mit seinen heißeren Vocals im Vergleich zu Zoli „Klaus Meine“ Teglas die deutlich coolere Stimme hat…
Lieber zu spät als gar nicht: Mit Tackleberry wäre eine der feinsten einheimischen Hardcore-Bands um ein Haar an uns vorbei gegangen. Als jüngste Ergänzung im Zeitstrafe-Labelraster werden die Fünf nun auch offiziell zu Kollegen von Matula, Escapado und Kurhaus. Was besonders in den letzten beiden Fällen zumindest grob die Marschrichtung erklärt: Die Kieler klingen alles andere als (bewusst) unkonventionell: Es sind eher Texte, Einstellung und Charisma, welche "Call Me Green" (Zeitstrafe/Widespread Distribution) zu etwas ganz Besonderem machen. Etwas Besonderem, mit dem sich wohl auch bzw. gerade identifizieren können wird, wer mit den typischen Punk-/Hardcore-Genreveröffentlichungen normalerweise gar nicht viel anfangen kann – aber vielleicht sporadisch ´mal ein Album braucht, um den angestauten Frust herauszulassen. Doch neben unbändiger musikalischer Energien haben Tackleberry auch noch einiges zu sagen; schaffen es im rechten Moment jedoch sogar, Humor zu beweisen. Was sie für mich zum heißesten einheimischen Ding seit Deny Everything macht… und dabei habe ich die Band bis jetzt noch nicht einmal live gesehen. Was sich nächsten Monat glücklicherweise ändern sollte!

Sie nennen sich Victims, ihre neue Platte heißt "Killer" (Combat Rock Industry/Broken Silence) und spätestens beim Blick auf das Artwork des stilvoll-schlichten Digipaks wird klar: Dieses schwedische Trio steht in der Tradition klassischer Crustpunk-Bands. Und zwar durch und durch. Dass die 16 Tracks trotz einer Spielzeit von gerade einmal 26 Minuten über einen enormen Rock'n'Roll Anteil verfügen, macht Platz für Referenzen von höchsten Gnaden: Ja, es lassen sich im Sound sogar klare Parallelen zu den Königen des Intense-Crust, Wolfbrigade (the artists formerly known as Wolfpack), ziehen. Da passt es denn auch bestens, dass die Victims in der Vergangenheit bereits eine Split mit From Ashes Rise veröffentlichten und außerdem ihr obligatorisches Gastspiel auf einem Discharge-Tributealbum gaben. Doch selbst davon unbenommen bleibt hier ein königlich dreckig hingerotztes Werk zwischen Punk und Hardcore, welches durch ein paar feine Gitarrenleads endgültig zum Pflichtprogramm für Freunde derartiger Sounds wird. Anspieltipp: Das herrlich klischeetriefende, derbe rockende „We’re Fucked“.

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