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Peter Morén Interview

No More Whistling!

 

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Peter Moren

Peter Morén soll an diesem Donnerstag mit einem Orchester auftreten und irgendwo in Berlin das Solo-Album "The Last Tycoon" vorstellen. Das mit dem Orchester ist neu und man hat noch nichtmal zusammen geprobt. Peter ist das aber herzlichst egal. "Das wird schon", sagt er. So ähnlich dürfte es auch mit dem nächsten "Peter Bjorn and John" Album zugehen, das wohl im Herbst erscheint. Wer jetzt aber glaubt, ein zweites "Young Folks" stehe vor der Tür, hat sich gründlich geschnitten. "Es wird ein Instrumental-Album. Keine Singles, keine Videos - einfach nur ein Soundtrack zu einem Film, der nie gedreht wurde." So kann man hohe Erwartungen an den nächsten Über-Hit natürlich auch im Keim ersticken. Und noch etwas lässt erahnen, dass Peter Morén nicht so ganz glücklich war mit "Young Folks": sein Solo-Album "The Last Tycoon" ist ein spröde-folkiges Akustikalbum geworden. Und gepfiffen wird darauf auch nicht...

Wie fühlt es sich denn so an, endlich mal eine ganz eigene Platte draussen zu haben?
Peter Morén: Großartig. Und auch ein wenig unheimlich. Schließlich spiele ich mit Bjorn und John in einer Band, seit ich 15 Jahre alt bin. Ein wenig erinnert mich das alles momentan an meine Jugend, in der ich ganz allein auf dem Bett saß und Gitarre gespielt habe. Es macht Spaß mal wieder etwas zu machen, das ich ganz allein entschieden habe.

Wird das Solo-Album ein wichtiger Einschnitt in deinem Leben?

Ja. Es ist wichtig, als Musiker nie das zu machen, was von einem erwartet wird. Egal, ob es den Menschen gefällt oder nicht - man sollte immer seinem eigenen Gespür folgen. Ein wenig freue ich mich auch auf ein neues Publikum. Wenn die Band sich aufgelöst hätte, wären wahrscheinlich ein paar poppigere Songs entstanden. Aber das steht momentan nicht an, das kann ich alles mit der Band ausleben.

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Peter Morén, irgendwo in Schweden...

Haben dir die anderen Band-Kollegen das O.K. gegeben?
Sie waren sehr unterstützend, von Anfang an. Das liegt daran, dass sie ja selbst eine Menge Nebenprojekte haben und ich der einzige bin, der noch nichts nebenbei gemacht hat. Die ersten beiden PBJ-Alben haben sich ja nie verkauft, und ich musste nebenbei als Vertretungslehrer arbeiten. Dann kam "Writer's Block" und wurde ein großer Erfolg. Irgendwie komme ich erst jetzt dazu, neben PBJ eigene Musik zu machen. John ist schon seit Jahren klassisch ausgebildeter Percussionist und Bjorn ist Produzent. Für mich war das also ein großer Schritt. Die anderen beiden kannten das ja schon.

Ich war erstaunt, wie sehr das Album vom ursprünglichen Band-Sound abweicht. Du wolltest dich wohl distanzieren?
Irgendwie ja. Wie ich schon sagte: es macht keinen Sinn, als Musiker immer wieder das gleiche zu machen. Du willst dich verändern. Aber natürlich ist "The Last Tycoon" immernoch ich, immernoch meine Stimme, meine Art Melodien zu schreiben. Was mich antreibt ist die Möglichkeit, so viel unterschiedliche Musik machen zu können. Wenn du einmal den Dreh einigermaßen raus hast, kannst du fast jede Art von Musik machen, zumindest im Ansatz. Und ich mag Extreme. Ich werde wahrscheinlich in meinem Leben noch die ein oder oder New Wave, Punk und Folk Platte machen. Die Band ist irgendwo in der Mitte, Pop.

Wie alt sind die Songs eigentlich?
Mitunter recht alt. "Le Petit Coeur" wurde schon mit der Band für "Writer's Block" geprobt. Die Band mochte den Song, wollte ihn aber deutscher, kraut-rockiger spielen. Ich hatte aber die ganze Zeit diese Melancholie im Kopf, die zu diesem Song gehörte. Mit Klavier und Streichern. Normalerweise hätten wir den Song solange umgeschrieben, bis er ein PBJ-Song geworden wäre. Aber ich wollte ihn irgendwie "behalten". Das war der Startschuss für die Überlegung, ein eigenes Solo-Album aufzunehmen. Die meisten Songs schreibe ich aber ohnehin nie für ein konkretes Projekt, für ein Album, sondern vor allem für mich selbst. Und schaue dann erst, wo er wirklich hinein passt.

Es gibt also keinen Song, der dir im Band-Kosmos zu persönlich wäre und du ihn lieber auf einer Solo-Platte hättest?
Nicht wirklich. Die Songs mit PBJ sind ja nicht weniger persönlich. Das einzige, was meine Solo-Platte persönlicher macht ist die Tatsache, dass es wirklich nur meine Songs sind. Weder Bjorn noch John haben daran mitgeschrieben. Außerdem ist die Art und Weise, wie dieses Album enstanden ist, ebenfalls sehr persönlich. "The Last Tycoon" wurde in meiner Wohnung aufgenommen. Und so sollte sich das auch anhören: als wäre man, als Zuhörer, unmittelbar am Entstehungsprozeß beteiligt. Wir haben das Album live eingespielt, was ich überhaupt nicht gewohnt bin.

Aber einen Song wie "This is what i came for" hätte doch unmöglich mit PBJ entstehen können, oder?
Ja, das stimmt wahrscheinlich. Er hat einfach zu viele Strophen, zu viele Metaphern, zu viel Bob Dylan. (lacht) Es ist wahrscheinlich der einzige Song, den ich ganz bewusst für das Solo-Album geschrieben habe. Ich hatte da die Freiheit, wirklich alles in Worte zu fassen, was mir so im Kopf herumspukte. Er fasst mein Leben bisher ganz gut zusammen.

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Hier mit Band-Kollegen: Indie-Überflieger "Peter Bjorn and John".

Das Cover hat deine Freundin gemacht, der Sound und die Texte sind sehr intim - wie viel bist du bereit mit dem unbekannten Zuhörer zu teilen?
Sehr viel, denke ich. Es gibt nichts, was ich verstecken wollen würde. Außerdem kennen mit die Zuhörer ja nicht persönlich, sie wissen nicht, was mich emotional bewegt und wie ich auf bestimmte Dinge reagiere. Man lernt mich durch die Platte kennen, aber man weiß nicht automatisch, wer ich wirklich bin. Denn sehr oft vermischen sich Charaktere und Eigenschaften von bestimmten Menschen in den Texten. Man komponiert etwas, das drei verschiedene Menschen beeinhalten kann.

Gibt es eigentlich ein bestimmtes schwedisches Musikverständnis, wenn es darum geht, amerikanische Folk-Musik zu adaptieren?
Puh, darüber habe ich noch nie nachgedacht. In Schweden haben wir wahrscheinlich einen sehr auf die Außenwelt gerichteten Musikansatz. Wir lieben es, uns verscheidenste Genre zu eigen zu machen. Wohingegen in England gern mal die Ansicht herrscht, neben der britischen Hegemonie dürfe in der Musikwelt nichts weiter existieren. Und in Frankreich kannst du ohnehin kein Fuß fassen, wenn du nicht französisch singst. Das alles gibt es in Schweden nicht. Wir holen die Einflüsse von überall her.

Hast du eigentlich viel amerikanische Folk-Musik gehört, bevor es zu diesem Album kam?
Nicht wirklich. Ich liebe zwar traditionellen Folk und Blues, aber mein Einflüsse waren eher Fred Neill, Tim Harding, Tim Buckley, Leonard Cohen - und auch viel britischer Folkrock.

Ist ein Hit wie "Young Folks" zu einem Fluch geworden? Viele Fans werden genau das erwarten. Und sie werden enttäuscht sein, wenn sie dein Solo-Album hören, weil es fast schon klassischer Folk ist...
Das ist aber nicht unser Problem. Selbst wenn wir nie wieder Geld mit unserer Musik verdienen werden - egal. Lieber wieder einen schlecht bezahlten Job, als jahrelang hinter diesem einen Hit herzulaufen und verzweifelt zu versuchen, nochmal so erfolgreich zu sein. An sich habe ich nichts dagegen, wenn man Hits schreibt, damit sie Hits werden. Motown hat das ja hervorragend hinbekommen. Wenn ich wirklich jemals bewusst einen Hit schreiben wollte, dann nicht für mich, sondern für jemand anderen.

Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass die konstante Beschallung durch "Young Folks" den eigentlichen Song nicht kaputt gemacht hat. Er hat sich eine Form der Naivität und der Unbekümmertheit erhalten...

Ja, das finde ich auch. Obwohl ich mir den Song niemals privat anhören würde. Wenn ich den Song im Radio höre, werde ich zwar erstmal aggressiv - aber dann fällt mir wieder auf, wie gut "Young Folks" eigentlich ist. Was mich bloß richtig nervt, ist dieses Gepfeife. Der Song ist super, aber das Gepfeife ist furchtbar. No more whistling!

Erstaunlich, wie oft dieser Song schon von Menschen gepfiffen wurde, die euch nichtmal kennen, die von PBJ noch nicht einen Ton gehört haben...

Ja, aber solang mir das meine Rechnungen bezahlt, kann es mir egal sein. (lacht)

Interview + Text: Robert Heldner
Fotos: Offizielle Pressefreigaben


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