Wegweiser durch sellfish.de

independent online music  |  info@sellfish.de

Girls in Hawaii Interview

Die Schönheit im Traurigen

 

Daniel3.jpg


Bei Girls in Hawaii ist der Name nicht unbedingt Programm - handelt es sich hier doch wider Erwarten um sechs junge Männer aus Belgien, auf deren Nachfolger zum lieb gewonnenen Debüt-Album „From Here To There“ man nun geschlagene vier Jahre warten musste. Zum Glück war die Wartezeit nicht vergeblich: „Plan Your Escape“ zeigt sich variabler als der Vorgänger ohne sich dabei vom unverkennbaren, Melancholie-durchtränkten Sound der Band abzuwenden. Vor dem Konzert im Hamburger Club „Übel & Gefährlich“ hatten wir die Möglichkeit Daniel Hoffermann, den Bassisten der Band unter anderem nach Gründen für die lange Produktionszeit des zweiten Albums zu befragen. In ihrer Heimat Belgien oder auch in Frankreich haben Girls in Hawaii schon fast ein wenig den Status von Superstars - ausverkaufte Tausender-Hallen sind dort keine Seltenheit. Stellt sich zunächst die Frage ob es dann eine große Umgewöhnung darstellt wieder vor einem kleineren Publikum, wie beispielsweise in Deutschland, zu spielen?

Daniel Hofferman: Bequemer wäre es natürlich gewesen zu sagen wir konzentrieren uns auf Belgien und Frankreich, also auf die Regionen wo es ohnehin schon läuft, spielen dort in den großen Sälen und kassieren die Kohle. Es war uns aber immer wichtig mit unserer Musik auch ein wenig herum zukommen. Wir mögen das einfach und in so einem kleinen Rahmen ist es schön mal wieder direkteren Kontakt zum Publikum zu haben. Es ist definitiv nicht so, dass wir uns dann denken: „Boah, Mist - jetzt so eine Ochsentour durch Deutschland!“

Was waren denn die Hauptgründe für die lange Fertigstellungs-Zeit von „Plan Your Escape“?
Zunächst mal haben wir nach unserem ersten Album sehr lange und unstrukturiert getourt. Als wir uns dann endlich wieder an ein neues Album wagen wollten, kam dann zum Beispiel eine Anfrage, ob wir nicht Lust hätten in Skandinavien zu spielen. Das fanden wir natürlich cool und haben das gemacht. Irgendwann haben wir dann gemerkt, dass wir schon seit Jahren unterwegs sind und einfach mal ein wenig Abstand voneinander brauchen. Dann haben wir auch erst einmal ein halbes Jahr pausiert ohne neue Musik zu machen und beschlossen uns erst wieder zusammen zu setzen, wenn das auch wirklich alle wollen. Wir haben dann auch sehr lange gebraucht. um wieder einen Rhythmus zu finden und nach Modellen zu suchen um wieder Stücke zu schreiben.

GIH01.jpg

Habt ihr, auch vor dem Hintergrund eures gewachsenen Status in der Heimat, keinen Druck verspürt?
Wir haben uns einfach unsichtbar gemacht. Der Druck kam dann eher von uns selber. Die Band hat ja als Hobby angefangen. Irgendwie haben wir dann unsere Jobs aufgegeben und evtl. noch das Studium beendet. Das konnten wir uns selbst gegenüber dann irgendwann auch nicht mehr so wirklich rechtfertigen: zu sagen, dass wir auf der einen Seite mittlerweile hauptberuflich Musik und auf der anderen Seite bereits ein halbes Jahr Pause machen.

War die lange Auszeit denn im Nachhinein das Richtige für die Band?
Es war definitiv eine sehr wichtige Phase für uns. Es lief einfach alles zu gut. Wir hatten irgendwann das Gefühl als würde uns das ganze Bandprojekt langsam entgleiten und wurden misstrauisch den ganzen Komplimenten gegenüber. Wir mussten uns fragen aus welchen Gründen wir eigentlich noch Musik machen wollten.

„Plan Your Escape“ ist im Vergleich zum Vorgänger sehr verspielt, mit vielen ungewöhnlichen Klängen wie zum Beispiel dem Läuten einer Kirchenglocke. Habt ihr bewusst nach solchen Elementen gesucht oder waren das Unfälle?
Wir haben bewusst nach Unfällen gesucht! (lacht) Das begann schon mit der Art das Album aufzunehmen. Wir sind in kein gewöhnliches Studio gegangen, sondern haben unser Studio in einem verlassenen Häuschen in den Ardennen installiert. Dort ist dann halt schon mal automatisch das Läuten einer Kirchenglocke oder das Knistern von Kaminfeuer zu hören. In der Zeit als wir da waren haben wir da ja wirklich gelebt als wäre es unser Zuhause. Jeder hatte auch nochmal so ein kleines Ministudio in seinem eigenen Zimmer wo er an den Songs arbeiten konnte. Das war mehr so eine Art Bastel-Atelier. Wir wollten auf keinen Fall wieder diese sterile Studio-Atmosphäre. Diesmal waren auch wirklich alle Bandmitglieder am Entstehungsprozess des Albums beteiligt. „From here to there“ war eigentlich noch mehr so ein Zwei-Mann-Projekt. Ich hoffe man hört auch von Außen dass diesmal auch viel von den Persönlichkeiten der anderen eingeflossen ist. Außerdem haben wir zum ersten Mal mit einem Produzenten zusammengearbeitet, der uns viel von der technischen Arbeit abgenommen hat, so dass wir als Musiker den Kopf frei hatten.

Ist das Album jetzt erst einmal als Status Quo zu sehen? Wollt ihr wieder für längere Zeit touren oder gibt es bereits Pläne für ein drittes Album?
Ich glaube nicht, dass wir wieder so lange auf Tour sein werden. Wir sind tatsächlich an einem Punkt angelangt, an dem wir das nächste Album relativ schnell machen wollen. Wir wollten nach dem ersten Album vom typischen Popsong-Schema weg und sind in den Song-Strukturen komplexer geworden. Mal sehen was mit dem kommenden Album sein wird, aber wir werden nie eine Band sein, die ihren Status Quo gefunden hat. Wir haben stets die Ambition Neues zu entdecken und uns weiter zu entwickeln. Ich habe auch nicht das Gefühl dass wir schon an den Grenzen unserer Möglichkeiten angelangt sind!

GIH03.jpg

Ich finde die Grundstimmung auf „Plan Your Escape“ weiterhin eher nachdenklich und das Video zu „This Farm Is On Fire“ ist zum Beispiel sehr apokalyptisch gehalten. Würdest du euch als eher pessimistisch denkende Menschen bezeichnen?
Wir sind natürlich keine explizit politische Band. Das spiegelt sich eher in persönlichen Gefühlen wieder. Die Zeit nach dem ersten Album von der ich eben sprach, das ist so eine Zeit in der du dir natürlich viele Fragen stellst und auch an dir und der Band zweifelst. Es gibt auch definitiv selbstsicherere Bands als uns. Wir stellen uns und unsere Songs schon permanent in Frage. Andererseits sind wir keine manisch-depressiven Menschen. Wir haben mit diesem Album mehr versucht die Schönheit von traurigen Dingen hervorzuheben, weniger diese oberflächliche Schönheit. Das hat uns sehr interessiert. Auf dem Plattencover ist zum Beispiel dieser tote Hirsch zu sehen. Es ist einerseits traurig, dass er tot ist, aber ich finde auch dass er etwas Würdevolles besitzt!

Ist der Albumtitel dann auch ein wenig als Flucht nach vorne zu sehen?
Uns gefällt dass er so viele Möglichkeiten bietet ihn zu lesen. Die meisten Leute interpretieren ihn ganz anders als wir das persönlich tun. Das macht uns natürlich zufrieden.

Auf den Touren zum ersten Album hatten bei Girls in Hawaii die visuellen Effekte einen sehr hohen Stellenwert auf der Bühne. Ist das immer noch der Fall?
Mehr denn je! Wir haben diesmal sogar eigene Kurzfilme für die Bühne gedreht. Bei der ersten Tour war es wirklich noch mehr so eine Ansammlung von Bildern für die wir ein wenig daheim in der Schatzkiste gekramt haben. Diesmal haben wir noch mehr Zeit und Geld investiert, weil die visuellen Effekte für uns auch eine Möglichkeit bieten auf der Bühne nicht permanent im Vordergrund stehen zu müssen.

In dem belgischen Thriller „Ordinary Man“ wird eine nächtliche Autobahnfahrt mit einem eurer Songs untermalt. Ich finde das sehr passend.

Ich habe auch das Gefühl, dass wir so ein wenig „visuelle Musik“ machen und unsere Musik Bilder hervorruft. Sehr oft habe ich den Eindruck, dass die Leute unsere Musik als so eine Art Roadmovie betrachten, selbst wenn sie nur daheim auf dem Bett liegen - als würde man in ein anderes Universum tauchen.

Interview und Text: Dominik Waßerloos
Foto: Dominik Waßerloos (1) / Pressefreigaben


Zum Seitenanfang

ERROR!