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Bodi Bill Interview

Eine kleine Kamera in Form von Musik

 

„Next Time“ heißt das zweite Album des Berliner Trios Bodi Bill, das Mitte Mai auf Sinnbus Records erschienen ist und ihnen sogar Vergleiche mit den großen Notwist eingebracht hat. Zu Recht, denn auch wenn die Herren lange nicht so indiepopig unterwegs sind wie die Kollegen aus Weilheim, sind Bodi Bill Typen, die etwas länger über ihre Musik nachdenken und elektronischer, teilweise sogar instrumentalen Songs einen tieferen Sinn geben. Man kann dazu tanzen, aber es werden auch viele Fragen gestellt. Antworten geben sie allerdings auch gerne. Wir trafen Bodi Bill Ende März in Berlin.

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Eure ersten beiden Alben sind jetzt in relativ kurzer Zeit erschienen. War für euch von vorneherein klar, dass ihr „Next Time“ wieder auf Sinnbus veröffentlichen wollt oder gab es auch Angebote von anderen Labels?
Fabian:
Hat uns von vorne herein gar nicht so interessiert, weil von Anfang an eigentlich klar war, dass wir mindestens zwei Platten auf Sinnbus machen wollen.
Alex: Es gab schon ein paar Nachfragen, nachdem das erste Album raus kam, so nach dem Motto: „Kommt mal her!“ (lacht). Aber es ist klar, dass man so ein Vertrauen, dass man bekommen hat, nicht gleich wieder missbraucht und dem Label den Rücken zukehrt.
Fabian: Die Frage ist ja auch wofür? Wir haben es ja gut.

Im Begleitschreiben zum Album stand etwas von „klebrigen Schulterklopfern“. Hat das einen konkreten Hintergrund oder ist das mehr eine allgemeine Beschreibung von einem Umstand, der euch im Zuge des ersten Albums begegnet ist?
Alex:
Ja, das meint schon so ein bisschen diese Situation. Dass einem jemand von einem größeren Label Honig ums Maul schmiert und man ein komisches Gefühl dabei hat.
Fabian: Da wird ganz viel geredet und ganz viel nicht eingehalten. Manche Dinge konnten zwar realisiert werden, viele Projekte aber auch nicht. Da heißt es dann: „Macht mal Musik für einen Film!“ Und dann klappt es doch nicht und die Sachen entwickeln sich zu herben Niederlagen.

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Apropos Presseinfo: Sinnbus Texte sind ja grundsätzlich gerne mal etwas abstrakt, was bei eurem aber dennoch auffällt, ist, dass ihr als Band darin so überhaupt gar nicht vorkommt. Eigentlich nicht einmal eure Musik. Ist das Absicht und wenn ja warum?
Alex:
Wir wollten die üblichen Punkte wie Instrumentierung und Besetzung rauslassen. Da ist Elektronik, da sind Instrumente, aber uns ging es eher darum, was wird transportiert.
Anton: Wir haben uns mit Daniel (Spindler, auch delbo) von Sinnbus mehr darüber unterhalten, was uns beschäftigt hat, als wir die Musik aufgenommen haben und er hat das dann aufgesogen und in die Quintessenz verwandelt. Ich bin immer noch froh, dass da die Musikrichtung und all das nicht im Text vorkommt, weil mich das auch gar nicht interessiert.
Fabian: Das wird ja auch irgendwann zu einer Wiederholung. All die Referenzen, die aber gar nichts aussagen. Entscheidender ist doch der Mehrwert neben der Musik, die man sich halt anhören kann.

Als Schreiberling tendiert man ja immer dazu beim zweiten Album, die Unterschiede zum ersten herauszustellen, worin seht ihr denn selbst die Unterschiede?
Alex:
Mich würde mehr interessieren, hast du die neue Platte denn schon gehört?

Ja.
Alex:
Dann würde ich die Frage nämlich lieber an dich richten (lacht). Naja es ist letztendlich das Spezialisieren von Dingen, die wir beim ersten Album gemacht haben. Es ging darum den Radius zu erweitern und dabei gleichzeitig die Randgebiete noch zu vertiefen.
Fabian: Das Tolle war, dass klar war, dass wir eine Single-EP machen würde, ein Album und dem ganzen auch noch eine 12inch folgt. Die sind alle mitverbunden, aber man konnte die Ränder noch mehr ausarbeiten. Bei der Single sind noch ein paar Freunde dabei und das ganze ist etwas popiger und vielleicht etwas verspielter oder?
Alex: Naja eher filmischer.
Fabian: Als die Platte?
Alex: Meinst du jetzt die 12inch?
Fabian: Nee, das Album.
Alex: Achso, ich war noch beim Vergleich zwischen den Alben (Verwirrung und lachen überall).
Fabian: Beim Debütalbum kann man halt nicht gleich alles auf einmal machen, deswegen damals auch noch die Bonus-CD. Da mussten wir uns halt mehr festlegen, was ja auch schwer fällt und diesmal konnten wir uns auf drei verschiedene Sachen einigen und sich dafür auch etwas mehr Zeit nehmen, was für uns sehr wichtig ist.

Wie läuft das technisch ab? Wie setzt man das, was man im Kopf hat und intensivieren will, technisch um?
Fabian:
Das sind Minischritte.
Alex: Wir haben mit ganz anderen Produktionsmitteln, aber gleichen Inhalten gearbeitet und haben versucht direkter sein. Wir sind wieder herumgezogen, haben unsere Sounds aufgenommen, aber zum Beispiel eine andere Software benutzt.
Anton: Ich finde so viel war auch gar nicht geplant. Die Zeit ist eine andere, man selbst hat sich verändert und dann klingt das auch einfach anders.
Alex: Nicht den Faden verlieren und trotzdem weitergehen. Und diesmal war Anton von Anfang an dabei und hat natürlich gleich mal andere Maßstäbe gesetzt (grinst). Wir nehmen nicht mehr im Kämmerlein auf, sondern schon so richtig und nehmen uns dafür auch die Zeit.
Fabian: Mit der Nachbereitung waren das diesmal insgesamt vier Monate und da mussten wir uns, da wir ja nicht hauptberuflich Musiker sind, schon ganz schön strecken. Aber über ein Jahr sammelt sich ganz viel an und das musste einfach raus.

„Next Time“ klingt noch düsterer als der Vorgänger, was sich auch im Artwork widerspiegelt, worin hat das seinen Ursprung?
Alex:
Ja, es ist auf jeden Fall düsterer. Beim ersten Album wurden kindliche Wünsche thematisiert und diese scheitern natürlich auch immer wieder. Mit dem Titel „No More Wars“ war ja so ein kindlicher Gedanke ausgedrückt und dann merkt man aber, dass die Welt halt eigentlich so bleibt, wie sie ist und man da einfach keinen Einfluss drauf hat.
Fabian: Wenn man etwas stärker reflektiert, egal ob politisch oder nicht, dann gewinnt das an Intensität. Da intensiviert und verdichtet sich etwas. Wenn sich viele Farben vereinen wird’s einfach dunkler. Wenn sie sich verdichten, dann wird’s schwarz. Und dieses Schwarz ist ja nie als Nichts zu werten, ich meine guck dir das All an. Es ist schwarz, aber voll von Informationen. Das ist so ein bisschen die Idee, die im Cover vorkommen soll. Es ist eine Konstellation von drei Leuten zu einer bestimmten Zeit und es ist ein Teil, den man davon herausschneidet und beim nächsten Mal ist es halt ein anderer Teil. Wir verdichten unsere Überlegungen, indem wir diskutieren und weiter ins Detail gehen.
Alex: Wenn man vielen Dingen wirklich auf den Grund geht, bleibt oft auch einfach nur Traurigkeit übrig. Es ist so eine tiefste Wahrnehmung. Wenn man da im Leben steht und runter geht, dann ist es da oft dunkel und traurig. Das hat jetzt aber auch gar nichts Schlimmes und da steckt ja auch die größte Kraft drin. Das kann man auch mal akzeptieren.
Fabian: Ich hoffe mal, dass wir nicht wie Heulsusen rüber kommen, denn darum geht es ja nicht. Es geht darum sich nackt zu machen. Nackt werden. Im übertragenen Sinne jetzt.

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Alex: "Dann besteht die Musiklandschaft in zehn Jahren nur noch aus Andrea Berg und Tokyo Hotel und diesbezüglich müssen sich auch die Indiehörer mal klar werden."

Um noch mal auf die Presseinfo zurück zu kommen: Da stand etwas von: „Nicht zufrieden sein mit den Umständen“ und „Hier ist ein Beitrag zu einer laufenden Diskussion. In eigenen Worten. Als unmittelbarer Teil davon.“ worauf bezieht ihr euch da? Das klingt ja schon sehr politisch.
Fabian:
Das kommt davon, wenn wir auf Tour sind, unterschiedliche Dinge sehen und darüber reden. Man kriegt zwar leider nur kurze Details mit, aber da sind so Dinge die müssen nicht sein. Also zum Beispiel, dass Band und Publikum getrennt sind und im seltensten Falle wirklich eine Interaktion zustande kommt. Die gibt es, aber du willst mehr.
Alex: Wir haben uns auch viel darüber unterhalten, ob es überhaupt noch möglich ist, als Musiker zu leben in einer Zeit, in der jeder Musiker ist, jeder sich darstellt, Musik etwas Allgegenwärtiges geworden ist, das man fast überall und zu großen Teilen kostenlos haben kann und damit die Hörgewohnheiten der Menschen so verändert. Man geht online, hört sich das alles an und das reicht dann auch. Man ist vielleicht plötzlich in den Top40 und hat trotzdem noch keinen Cent gesehen. Man spielt Konzerte und alle können mitsingen und trotzdem musst du arbeiten gehen. Und die große Musikindustrie überlebt nur, weil sie sich solche Dinge wie „Deutschland sucht den Superstar“ ausdenkt und wenn das so weitergeht, dann gibt es irgendwann nur noch Volksmusik und Teenie-Bands. Dann besteht die Musiklandschaft in zehn Jahren nur noch aus Andrea Berg und Tokyo Hotel und diesbezüglich müssen sich auch die Indiehörer mal klar werden.
Fabian: Sie müssen Verantwortung übernehmen. Wir wettern jetzt aber nicht gegen den Download an sich, aber wenn man sich etwas in Ruhe angehört hat und es einem gefällt, dann muss man auch den Arsch haben sich das zu kaufen. Wir wollen da jetzt nicht grundsätzlich iPod- und Internet-Bashing betreiben, denn so einfach ist das nicht, aber es muss sich mal wieder die Einstellung verbreiten, dass es was Tolles ist eine Schallplatte in der Hand zu haben. Auch für seine eigene Chronik, dass ich die dann in die Hand nehme und sagen kann, dass hab ich 2006 gehört. Das ist für mich ein Schritt zu einem guten Leben, da gehören natürlich auch andere Dinge dazu, wie zum Beispiel umweltbewusstes Leben. Ich will mich nicht als Musiker hinstellen und das predigen, aber versuchen das Stück für Stück wieder zu verankern, weil es einfach zur Kultur dazugehört.
Alex: Ich finde das steht in so einem Kontext von genereller Verantwortungslosigkeit und dann ist es ja auch wieder politisch. Es ist so ein Verfall von Werten und man muss darum kämpfen, damit Dinge überhaupt erst ein mal wieder wertgeschätzt werden.
Fabian: Und dabei geht es eben nicht nur um Musik, sondern um alle Lebensbereiche. Du gehst morgens dafür arbeiten, damit du dir geiles Essen leisten kannst, dass höherwertig hergestellt wurde oder damit du den Strom nicht aus den normalen Quellen beziehen musst und eben auch kulturelle Dinge, die sich erheben. Die Erkenntnis, dass einem das vielleicht mehr gibt, als jeden Abend im Club immer 50 Euro zu versaufen.

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Anton: "Mich nervt das auch, wenn bei MySpace dauernd Bands schreiben, dass man sich jetzt wieder vier Songs gratis runterladen kann. Was soll das denn dauernd? Das sorgt automatisch für einen Werteverfall."

Glaubt ihr, dass dieses Verantwortungsbewusstsein irgendwann wieder zurückkommt?
Alex:
Ja, das muss sein. … Sonst würde die Welt irgendwann nicht mehr existieren (lacht).
Fabian: Natürlich machen wir auch mal die selben Fehler. Ich habe auch schon mal eine DVD voll mit MP3s bekommen und dann checkst du die so an und klickst dich durch und hast am Ende das Gefühl, dass es alles Müll ist, dabei ist das gar nicht der Fall. Jedes Album hat so viel Zeit gebraucht zu entstehen und dann ist es einfach der falsche Weg das so zu konsumieren. Stell dir vor du gehst in eine Bibliothek: Normalerweise müsstest du sagen: „Was für ein Kulturgut.“ Nur inzwischen klingt das eher nach: „Was das muss ich alles lesen?“

Habt ihr euch im Zuge der Radiohead-Sache mit der Online-Veröffentlichung auch überlegt andere Wege zu gehen?
Anton:
Das Thema wurde eher beim Label diskutiert, aber ich halte mich da lieber an die klassischen Veröffentlichungsmethoden. Das ist halt eine Frage, wer es sich leisten kann, aber ich denke es bringt nichts, sich immer nur dem Publikum anzupassen.
Fabian: Ich habe überlegt, was ist wenn irgendwann mal der iPod kaputt ist? Du brauchst einfach den verdammten Tonträger, damit du weißt, was du damals gemacht hast. Es strengt vielleicht an immer wieder über dieses Thema zu reden, aber es ist nötig.
Alex: Eine Band wie Radiohead, die weltweit 50 Millionen Menschen kennen und die mit Tausenden von Euro von den Labels über 15 Jahre aufgebaut wurden, können sich das natürlich leisten, aber wie sollen wir das mit unserem Bekanntheitsgrad machen?
Anton: Mich nervt das auch, wenn bei MySpace dauernd Bands schreiben, dass man sich jetzt wieder vier Songs gratis runterladen kann. Was soll das denn dauernd? Das sorgt automatisch für einen Werteverfall.
Fabian: Wir können das nicht ändern…
Alex: …aber wir können es kritisieren.

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Fabian: "Es muss sich mal wieder die Einstellung verbreiten, dass es was Tolles ist eine Schallplatte in der Hand zu haben. Auch für seine eigene Chronik, dass ich die dann in die Hand nehme und sagen kann, dass hab ich 2006 gehört."

Aber Vinyl, vor allem Vinyl plus Download-Link ist ja jetzt wieder im Kommen, nachdem die Downloads die CD so entwertet haben.
Alex:
Das ist gut, aber nachdem der Ölpreis im Moment so hoch ist, wird das auch schwierig.
Fabian: Müssen wir einfach die ganzen alten Schlagerplatten einschmelzen (lacht).
Alex: Oder diesen riesigen Plastikteppich vor der Westküste der USA abfischen.

Ihr habt auf eurem Album Kinderstimmen gesampelt, was hat es damit auf sich?
Alex:
Das war ursprünglich für meine Freundin für eine Kindermodenschau und die klangen so toll, dass wir die unbedingt auf dem Album haben wollten.
Fabian: „Don’t Fool The Kids“ wäre auch fast der Titel des ersten Albums geworden. Es geht da um Medienkritik und was Kindern für eine Welt vorgelebt wird.
Alex: Ich habe selbst zwei Kinder und man spricht da halt über viele Dinge und sieht, wie sich zum Beispiel das Spielverhalten ändert.
Fabian: Wie versucht wird zu manipulieren. Da wird in der Werbung ein perfekter Arsch gezeigt und ich meine bei uns wirkt das nicht, denn wir haben alle schon mal einen Arsch in der Hand gehabt und wissen, dass das nicht schlimm ist, wenn der mal nicht 100% perfekt ist, aber bei den Jugendlichen heißt es dann: „Was dein Arsch ist zu groß oder zu klein, was ist denn mit dir los?“ Da wird ja ganz anders hingelangt. Das wollten wir mal thematisieren, auch wenn sowas nicht ganz leicht fällt.

Dazu die nächste Frage: Wenn man schon bewusst Themen ansprecht wie ihr, wie funktioniert das bei elektronischer, teilweise ja auch instrumentaler Musik? Müsste man da nicht Protestmusik mit ellenlangen Texten machen?
Fabian:
Ich habe großen Respekt vor Texten und vor Leuten, die gute Texte schreiben können, deswegen halten wir da uns noch etwas zurück nach dem Motto „Schuster bleib bei deinen Leisten!“. Natürlich will man wachsen, sich verbessern, aber man muss auch noch Grenzen erkennen.
Alex: Ich glaube auch einfach, dass wir sehr in musikalischen Bildern sprechen. Eine Stimmung, ein Sound, ein Rhythmus können bei uns ähnliche Wirkung erzeugen wie ein Text. Unsere Songs sind alles kleine Beobachtungen, fast immer mit einer kleinen Kritik drin und wir verstehen uns einfach als eine kleine Kamera in Form von Musik.

Interview und Text: Sebastian Gloser
Fotos: Pressefreigaben


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