Wegweiser durch sellfish.de

independent online music  |  info@sellfish.de

MISC - April 2008 l #17

sellfish.de spezial: Rock And Beyond.

arsis-weare.jpgboris-smile.jpgthedrift-memorydrawings.jpgBurnThe8Track_Division.jpgcrashromeo-gaveme.jpgepicurean-aconsequence.jpgKillTheYoung.jpgTreponemPal.jpg

Diesmal mit:

Arsis | Boris | The Drift | Burnthe8track | Crash Romeo | Epicurean | Kill The Young | Treponem Pal

Mit Album Nummer drei wollen es Arsis nach dem Abschied von Earache endgültig wissen: Die Zeichen für hochtechnisierten Deathmetal stehen derzeit ja ohnehin auf Sturm und mit "We Are The Nightmare" (Nuclear Blast/Warner) legen die Amerikaner nicht nur ihr bisher ausgereiftestes Werk vor - dank des exzellenten Sounds von Zeuss sowie differenziertem Alan Douches-Mastering kommen auch die vielen instrumentalen Details der Ostküsten-Formation zur Geltung. Dazu gehört subtile Melodieführung ebenso wie eine famose Rhythmusarbeit, welche für hohen Abwechslungsreichtum im grundsätzlich äußerst rabiaten Material sorgen. Nicht zuletzt dank eines großen Namens wie Nuclear Blast im Hintergrund sollten sich Arsis also ohne Probleme in deren hochkarätiges Labelraster zwischen Exodus und Kataklysm eingliedern können. Und mit ihrem dezenten Grind-Einschlag erinnern sie, nebenbei gesagt, phasenweise tatsächlich angenehm an die Frühphase der Kanadier. Ein durchaus bemerkenswertes Album für Anhänger extremer Töne.

Mit "Smile" (Southern Lord/Soulfood) haben sich Boris ja einen reichlich diskussionswürdigen Titel ausgesucht: Länger als zehn Jahre schließlich penetrieren sie ihre Hörer mit Rock-Infernos, flächigen Drone-Sounds und nicht minder fordernden Split-Kollaborationen. Konventionelle Stoner-Passagen jedenfalls lassen sich im Kontext der Band nach wie vor kaum finden, wenngleich abstrahierte Elemente dieses überstrapazierten Genres dennoch als Grundlage auch für die acht neuen Kompositionen (von denen uns leider nur sieben vorliegen) gedient haben dürften. Und dennoch: Die Japaner lassen stattdessen diesmal vermehrt hymnische Momente durchblicken: In einigen epischen Tracks nämlich regieren tatsächlich Harmonien; Nur um anschließend von einem kruden Gemetzel aus Rock, Industrial und Noise ("Buzz-In") fachgerecht zerlegt zu werden. Fazit für den Bandstatus 2008: Boris haben sich zwar einst nach einem Song von den Melvins benannt: Mittlerweile erspielten sie sich, wenngleich auf hierzulande undergroundiger Ebene, einen ähnlichen Ausnahmestatus. Was mit „Smile“ klanggewaltiger und differenzierter denn je demonstriert wird.
Passend dazu, wenngleich auf weniger vehementer (dabei vergleichbar konsequenter) Ebene, erscheint mit "Memory Drawings" (Temporary Residence) das Zweitwerk von The Drift. Der Postcore-Sound der Formation aus San Francisco bedient sich nämlich anstelle von Rock und Noise unter anderem beim Jazz: Die klassische Bandbesetzung wird beispielsweise von einem Kontrabass, Trompete und Elektronika variiert. Doch auch in dieser stilistischen Ausrichtung will man nicht in gängige Muster passen: Die sieben Tracks wabern phasenweise beinahe dubbig durch die Atmosphäre, rücken den Rhythmus ins akustische Zentrum; durch den völligen Verzicht auf Vocals in Kombination mit temporärem slow-motion-Songwriting driftet (sic!) das - auch auf Doppel-Vinyl erhätliche – Werk schließlich nicht selten in Ambient-Gefilde ab. Womit sich das Quartett von etablierten Labelmates wie Explosions In The Sky oder Mono nachdrücklich abhebt… und zwar im positiven, beinahe beflügelden Sinne.

Beinahe scheinen Burnthe8track zur Opener-Position verdammt zu sein: Zwar spielten die Kanadier schon haufenweise Touren mit Comeback Kid bis hin zu Sum 41 oder (aktuell) Ignite - für größere Aufmerksamkeit ohne fremde Unterstützung hat es dabei jedoch bis heute nicht gereicht. Und das, obwohl die Vier vehement auf ihren ganz individuellen Sound pochen. Der ist, hört man die neue Veröffentlichung "Division" (Grapes Of Wrath/Rough Trade), jedoch vor allen Dingen reichlich dünn ausgefallen. Wobei man Burnthe8track zugute halten muss, dass es sich bei den Songs um Re-Releases der gleichnamigen EP ergänzt um Songs der "Battle Of The Network Stars" MCD handelt... Denn unabhängig von diesen Umständen: Melodien schreiben, das können sie tatsächlich. Auch wenn man sich stilistisch etwas halbgar an Helden wie Hot Water Music oder Alexisonfire orientiert. Ob allerdings dieser neuerliche Anlauf, eingangs erwähnten Zustand zu beenden, erfolgreich sein wird, darf dennoch bezweifelt werden. Sei’s drum: Ein Ruf als souveräne Live-Macht dürfte angesichts immer schmaler werdender Tonträger-Verkaufszahlen vielleicht ohnehin das effektivere Trademark sein…

Wer sich nach den ersten Momenten auf dem Zweitwerk von Crash Romeo an Blink 182 oder die Ataris erinnert fühlt, darf recht behalten: Einzigartigkeit gehört nicht gerade zu den Charaktereigenschaften von "Gave Me The Clap" (Trustkill Records/SPV). Womit aber auch schon das einzig wirkliche Manko der jungen Band aus New Jersey festgehalten wäre, welche erstmals von breiterer Öffentlichkeit hierzulande bedacht werden könnte. Stört man sich an der Tatsache dass ein oder mehr Momente der gut produzierten Platte reichlich bekannt vorkommen nämlich nicht, darf man sich auf ein Dutzend Power-Pop-Tracks freuen, welche dank enormem Hit-Appeal so schnell nicht aus den Ohren bzw. der Stereoanlage wollen. Außerdem können Crash Romeo trotz aller Liebäugelei mit eingängigen Refrains, Emo-Klischees und Poppigkeit sogar richtig rocken… was dank des überraschenden Verzichts auf Synthesizer diesmal richtig zur Geltung kommt! Gelingt es den Vieren noch, etwas mehr Substanz hinter ihre Kompositionen bzw. Texte zu packen… Taking Back Sunday müssten sich warm anziehen. Der dazu passende Anspieltipp lautet „Victim Liar“. Schön.

Epicurean tragen das Wörtche "episch" ja schon im Bandnamen… und so überrascht es auch nicht, dass die Spielzeit von "A Consequence Of Design" (Metal Blade/SPV) angesichts der elf Songs relativ üppig ausfällt. Dennoch kommt das Metal Blade-Debüt der Amis inhaltlich überraschend fix auf den Punkt: Trotz ihrer recht aufwendigen Arrangements zündet das Material auf Anhieb, bleibt teilweise gar im Kurzzeitgedächtnis hängen... wenngleich sich bei mehrmaligem Hören einige bemerkenswerte Details herauskristallisieren. Doch auch wenn sich in den Reihen des Sextetts fähige Gitarristen und ein selbstbewusster Keyboarder befinden: Das zur Schau stellen eigener Leistungen kann, im Gegensatz zu einigen Konkurrenten, mit den feinen Harmoniebögen mithalten. In soweit gar, wie dies auch bei In Flames funktioniert. Überhaupt scheint durch die Adern der Formation aus Minnesota skandinavisches Blut zu fließen: Ob Amon Amarth oder Children Of Bodom - immer wieder fühlt man sich an die Helden der dortigen Szene erinnert. Fazit: Nicht zuletzt aufgrund der enormen Variabilität in Punkto Geschwindigkeit und Aggression ein formidabler Einstand.

Was eine Überraschung: Gänzlich untrendiger Alternative Rock von der Insel… Kill The Young aus Manchester spielen tatsächlich dezent am gegenwärtigen Zeitgeist zwischen Post-Punk, New Wave und Retro-Sound vorbei. Für "Proud Sponsors Of Boredom" (Discograph/Rough Trade) ließ man sich stattdessen vom besten inspirieren, was das Genre Independet im letzten Jahrzeht so hergegeben hat. Dazu gehören natürlich die obligatorischen Smashing Pumpkins, gerne auch Placebo und wahlweise sogar noch QOTSA/Kyuss. Soll heißen: Refrains im Breitbild-Format, ein paar fette Riffs und ein nicht-um-jeden-Preis-tanzbares-Rhythmusgerüst, welches live prädestiniert für die zweitgrößen Bühnen der größten Rockfestivals klingt. Aber eben auch auf Platte ordentlich Spaß bringt. Die sympathisch ungekünstelte Herangehensweise von Kill The Young jedenfalls macht die 13 Songs zu einem hochanständigem Album, welches dank Abwechslungsreichtum, starken Dimitri Tikovoi/Flood-Sound sowie einem respektablen Hitfaktor über die gesamte Spielzeit funktioniert.

Im Kontext des Deathmetal-lastigen Labelrepertoires von Listenable Records nehmen Treponem Pal eine echte Ausnahmestellung ein: Schließlich spielt die nach einer guten Dekade reformierte französische Formation einen ziemlich eigenwilligen Mix aus Industrial, Rock und Metal. Dass dabei Godflesh, Killing Joke und Ministry Pate gestanden haben, könnte der Einsteiger "Weird Machine" (Listenable Records/Soulfood) natürlich (vor-)schnell zum Vorwurf machen. Dabei darf man Treponem Pal durchaus Pionier-Charakter in diesem Genre attestieren. Dennoch sind die vergangenen zehn Jahre eben nicht spurlos an derartigen Sounds vorbei gezogen. Nach einem unerträglichen Marilyn Manson-Hype sowie der Dekonstruktion bzw. Reanimation von Nine Inch Nails, dürfte mittlerweile beinahe alles zu dem Thema „Rock plus Samples“ gesagt worden sein. Weshalb die elf Tracks trotz bemerkenswert facettenreichem Songwriting bzw. einem etwas stoischen Hitfaktor ziemlich altbacken wirken. Wer sich an den in dieser Rezension erwähnten Künstlern jedoch nicht satt hören kann, findet in Treponem Pal adäquaten Nachschub.

Autor:


Zum Seitenanfang

ERROR!