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Fantasy Filmfest 2008 - Teil 6

Martyrs | Summer Scars | Let The Right One In | Shuttle

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Martyrs |


Blut, Blut, Blut. Wo kommt die neue Faszination der Franzosen für Blut nur her? Von „High Tension" über „Inside" zu „Martyrs" wird derart wild auf die Zwölf gegangen, das man schon ein nationales Trauma vermuten muss. „Martyrs" erzählt die Geschichte eines missbrauchten, entführten Mädchens, das sich als Erwachsene an ihrer (vermuteten) Entführerfamilie rächt. So weit könnte es ein einfaches Vengeance-Movie sein – aber „Martyrs" läuft gegen so viele Rezeptionsgewohnheiten sturm, dass trotz der etwas fehlplatzierten Hochglanzoptik mit genügend Erwartungen gebrochen wird, um den Film durchgängig zu einer Herausforderung zu machen.

Der stärkste Bruch geschieht ungefähr in der Hälfte des Films, wenn mehr oder minder aus dem Nichts Blickwinkel wie Hauptprotagonist gewechselt wird und das Vengeance-Movie zum Torture-Porn wird – dabei gleichermaßen die wahre Vorgeschichte erhellt als auch zu ihrem Ende führt. Es sei jedoch - Hochglanz hin, Hochglanz her – gewarnt: spätestens die Kompletthäutung gegen Ende sieht etwas unappetitlich aus. (Christian Ihle)

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Summer Scars |


Darf man bei der Grande Nation eine neu entdeckte Faszination für Blut verorten, arbeitet sich das Vereinigte Königreich an einem anderen Thema ab: Gewalt unter/gegen/von Jugendlichen. Julian Richards, vor zwei Jahren mit „The Last Horror Movie“ auf dem FFF vertreten, wählt im Gegensatz zu anderen UK-Festivalbeiträgen wie „Mum & Dad" (eine Farce) oder „Eden Lake“ (im Grunde backwoods horror goes „Chavs") eine ruhigere, anfangs weniger spekulative Ausdrucksform. Sein „Summer Scars" verweist auf „Stand By Me": eine Gruppe Jugendlicher und ihr Tag im Wald, währendem sie einem psychisch labilen Erwachsenen begegnen.

So weit gelingt „Summer Scars" auch gut, die dräuende Gefahr ist allgegenwärtig, doch nie offensichtlich, die Spannungen innerhalb der Gruppe nehmen zu und drohen durch einen äußeren Einfluss in Gewalt zu kippen. Doch gegen Ende verliert Richards etwas den roten Faden und überfrachtet „Summer Scars" mit einer zusätzlichen sexuellen Ebene, die weder schlüssig hergeleitet noch notwendig wirkt. (Christian Ihle)

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Let The Right One In |

Tomas Alfredsons Verfilmung des schwedischen Bestsellers "Let The Right One In" klingt auf dem Papier wahnwitzig, funktioniert am Ende aber auf herausragende Weise: ein in der Schule drangsalierter Außenseiter und ein Vampir-Mädchen treffen aufeinander und werden Freunde.

Schriftsteller John Ajvide Lindqvist hat das Drehbuch zu seinem Bestseller selbst verfasst und zusammen mit den kühlen und traumatischen Bildern Alfredsons ergibt das einen außerhalb jeder Genre-Konvention stehenden Coming-of-Age-Film. Oskar ist ein Scheidungskind, kompensiert die schulische Gewalt gerne mit Mordfantasien und kann es kaum glauben, als in die triste Mietsiedlung das bleiche Mädchen Eli zieht. Auch Eli ist Außenseiterin, kämpft auf ihre Art gegen die feindliche Umwelt an und muss sich darüber hinaus auch noch um ihre tägliche Ration Blut kümmern. Eli nämlich ist ein Vampir. Zusammen loten die beiden Zwölfjährigen aus, wie sie es mit der kaputten Welt um sich herum aufnehmen können. Sie werden die einzigen sein, die am Ende siegen.

Wenn Tomas Alfredson mit seinen ruhigen, aber nie monotonen Bilderwelten die Geschichte um Oskar und Eli erzählt, stockt einem immer wieder der Atem. Nicht nur, weil die Ästhetik, der schwarze Humor und der manchmal erschreckend reale Horror unter die Haut gehen. Sondern auch weil man weiß, dass man nur ganz selten im Leben die Chance bekommt, einen solchen Film auf der Kinoleinwand zu sehen. (Robert Heldner)

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Shuttle |

Zu den wenig bis überhaupt nicht gelungenen Filme zählt in diesem Jahr "Shuttle". Schon die Grundidee ist wenig spannend: Ein irrer Airport-Shuttle Fahrer lässt seine Gäste nicht dort aussteigen, wo sie wollen, sondern fährt sie ins Großstadt-Nirgendwo. Unterwegs raubt er sie aus, ermordet einen nach dem anderen und krümmt einzig und allein den beiden hübschen Mädels kein Haar. Was der perverse Bus-Fahrer mit ihnen vor hat, wird erst am Ende des Filmes klar. Bis dahin vergehen aber gefühlte 30 Stunden. Kaum ein wahnwitziger Storytwist wird ausgelassen, es wird geschlitzt, gemeuchelt, gequält und manchmal ein wenig philosophiert.

Einzig die schöne Peyton List macht eine gute Figur, gibt dabei die Überlebenskämpferin, als alle Opfer sich schon aufgegeben haben. Dabei erinnert einen List immer wieder an Neve Campbell, die den flachen Charakter wahrscheinlich ebenso gut ausgefüllt hätte. Wahnwitzigerweise ist bei Shuttle ausgerechnet das Ende furios und interessant. Bis dahin muss man sich allerdings erstmal durchquälen. Und das macht ungefähr so viel Spaß wie eine Fahrt im Nachtbus von Nürnberg-Hauptbahnhof nach Erlangen-Bruck. (Robert Heldner)

Fotos: Pressefreigaben


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