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MISC - Mai 2008 l #25

sellfish.de spezial: Prog.Rock.Death.Metal.Core

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Diesmal mit:

Do Or Die | Final Prayer | No Turning Back | Terror | King's X | No-Man | Grave | Hail Of Bullets | Kill Hannah | Onesidezero

Musikalische Definitionen sind bei dieser Scheibe wohl überflüssig: Bandname und Plattentitel sprechen eine klare Sprache. Wer sich also bereits jetzt mit einer Vorahnung an die Stirn greift, kann diese Review (bzw. im Prinzip den ganzen Absatz…) getrost überspringen - es kommt wie erwartet! Dem Rest sei gesagt, dass wir es bei Do Or Die mit einer der besseren Bands des Eurocore-Genres zu tun haben. Schon der Opener „Proved Wrong“ macht deutlich, in welche Richtung die 13 Songs auf „Pray For Them“ (Alveran Records/Soulfood) gehen: Intensiver Moshcore mit klassischen "Family/Unity"-Texten, ohne überflüssige Metalsoli und einer dem Material angemessenen, druckvollen Produktion. Die Stärken von Do Or Die liegen bei den beiden Sängern, die auch noch von prominenten Back Up-Vocals unterstützt werden: So geben sich mit Jamey Jasta (Hatebreed) und Roger Miret (Agnostic Front) hier echte Helden der Szene die Ehre. Sympathisch auch, dass mit dieser Tatsache weder im Info noch auf dem Cover geprahlt wird. Als Schwachpunkte bleiben die nach wie vor sehr gleichförmigen Songs, welche zwar alle gut nach vorne gehen, denen das Wörtchen "Abwechslung" aber offensichtlich fremd ist. Schade, denn gerade von den melodischen Elementen hätte der Silberling ruhig noch etwas mehr vertragen können. Kurz gesagt: Belgian Eurocore as usual - love it or hate it!
Die Klasse der Debüt-Ep von Final Prayer fiel definitiv nicht nur unserer Wenigkeit auf: Dass bei den Berlinern Anhänger metalinfizierter Hardcore-Klänge aufhorchen sollten, war schnell über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Und so erscheint mit "Filling The Void" (GSR Music/Cargo) nun der Debütlongplayer via dem Maastrichter GSR-Label. Wer nun Assoziationen in Richtung Eurocore vermutet, liegt sicher nicht verkehrt. Die Vorbilder der elf neuen, mächtig inszenierten Tracks dürften irgendwo zwischen Born From Pain auf der einen, jedoch eben auch Hatebreed, Ringworm, Terror etc. auf der anderen Seite liegen. Tja, und nachdem letztere gegenwärtig (siehe unten) offenbar einem Formtief unterliegen, entpuppt sich das Timing als perfekt. Final Prayer untermauern den ausgezeichneten ersten Eindruck mit vorliegendem Genre-Meisterstück nachdrücklich. Musikalische Abrissbirnen wie "Wartime" werden gekonnt von uptempo-Parts begleitet, jede Menge fiese Breaks, eingängige Riffs und Gangshouts erledigen den Rest. Zumindest in dieser Rubrik haben die Fünf die starke Konkurrenz schon an die Wand gespielt… Mal sehen, ob die Live-Umsetzung des neuen Materials den Erfolgskurs noch untermauern kann. Zwischen Mosh- und Circle-Pit jedenfalls sollte es dort gehörig rund gehen.
Jüngst haben sie ihr zehnjähriges Jubiläum gefeiert, nun untermauern No Turning Back mit einem weiteren Longplayer ihren langsamen, jedoch stetigen Weg nach oben. „Stronger“ (Reflections Records/Cargo) bündelt einmal mehr die Stärken der Niederländer, bringt ihren mittlerweile zur Perfektion gereiften Mix aus Madball und Killing Time gekonnt auf den Punkt. Dass sich dabei für kritische Naturen ein gewisser Monotonie-Effekt bemerkbar macht, soll nicht abgestritten werden. Gerade einmal zehn Tage dauerte es, bis die 14 Tracks im Kasten waren. Inklusive der Gastbeiträge aus den Reihen von Down To Nothing oder Cold World, wohlgemerkt. Doch die barsche, beinahe punkig-räudige Herangehensweise erweist sich als erfolgsbringend: Jenseits von Innovationsdrang liefern No Turning Back äußerst solide Genrekost, die keinen Anhänger enttäuschen wird.
Was man so leider nicht von Scott Vogels‘ neuestem Output behauten kann. Waren Terror bislang immer eine verlässliche Bank in einer sonst zunehmend von Metalcore infizierten Szene gewesen, machen sich auf “The Damned, The Shamed” (Century Media/SPV) erste Ermüdungserscheinungen bemerkbar. Zwar finden sich unter den guten Dutzend Songs mit „Relentless Through And Through“ durchaus echte Highlights. Auf Albumlänge geht dem Quintett jedoch offenbar etwas die Puste aus. Was man im richtigen Moment durchaus einmal durch ein paar nette Harmoniebögen kompensiert. Aber ist es das, was wir von Terror hören wollen? Zumal in Tracks wie „Betrayer“ die Schnittmenge zu Hatebreed so schwerwiegend wird, dass beide Formationen beinahe in einem Aufwasch abgehandelt werden müssen. Zu gute halten kann man „The Damned, The Shamed“ dagegen, dass es das wohl atmosphärischste Werk derBand aus der Stadt der Engel darstellt. An die spröde Energie der vorausgegangenen „Rhythm Amongst The Chaos“ EP reicht das Material leider dennoch genauso wenig heran, wie an die 2006er Vollbedienung „Always The Hard Way“. Weshalb am Ende eine Enttäuschung – wenngleich auf hohem Niveau – bleibt.

Nachdem nun wirklich jedes Mitglied von King's X mehr oder minder mit seinen Soloprojekten überzeugen konnte, besinnt man sich seit „Ogre Tones“ (2005) nun wieder auf die Hauptband. Gut so. Ruft doch das neue Werk "XV" (Inside Out/SPV) die kompositorische Klasse des Trios angesichts eines guten Dutzend knackig-frischer Tracks nachdrücklich in Erinnerung. Auf Basis der charakteristischen Stimme von Bassist Doug Pinnick, der an denVocals wie immer von Schlagzeuger Jerry Gaskill und Ty Tabor (Gitarre) tatkräftig unterstützt wird, ist und bleibt das musikalische Ergebnis der Texaner mitreißender, groovender Rock, dessen mehrstimmige Harmonien bekanntermaßen durchaus Beatles’ke Qualitäten erreichen. Die Texaner wagen mit „XV“, dem 15. (!) gemeinsamen Album, einen stilistischen Querschnitt durch ihre bald zwei Jahrzehnte lange Geschichte. Und bestechen dabei wieder einmal durch diese charakteristische Dynamik: Zwischen simplen Ohrwurmrefrains, schwerem Riffing und versierter Instrumentalarbeit entstehen durchgehend kurzweilige Songs, die ein Stillsitzen kaum möglich machen.
Es gehört nicht viel Mut dazu, Steve Wilson einen notorischen Workaholic zu betiteln: Nach (verdienten) Erfolgen mit seiner Progrock-Band Porcupine Tree oder dem Projekt Blackfield steht mit No-Man eine weitere Kollaboration ins Haus. Gemeinsam mit Tim Bowness wird sich auf "Schoolyard Ghosts" (Snapper/SPV) eher den ruhigeren Tönen gewidmet (von einigen sehr sporadischen, ekstatischen Ausbrüchen einmal abgesehen…). Die beiden Engländer spinnen auf den acht Tracks ein dicht gewobenes Netz aus Keyboard- bzw. Synthie-Klängen sowie Bowness samtigen Vocals. Und wäre etwa die Hälfte der Stücke nicht in Überlänge-Format gepackt, man könnte gar von poppigen Zügen sprechen. Die Band selbst bietet als Bezugspunkte Talk Talk, Kate Bush oder Sigur Ros an. Was zumindest angesichts einiger ausladender Arrangements zutrifft. Dass dabei Unterstützung aus den Reihen von Porcupine Tree oder King Crimson (!) folgt, passt exakt ins Konzept: Das sechste Album von No-Man nutzt schließlich den Progrock als Ausgangsbasis, in elegischen Tracks die Tragweite atmosphärisch-ruhiger Soundscape-Elemente auszutesten. Mit Erfolg.

Nachdem wir durch die Reissue des Debütalbums um die Jahrtausendwende an die Brillanz von Grave erinnert wurden, sind diese aus eben jenem wieder entstiegen: Mit "Back From The Grave" erschien sechs Jahre nach dem bestenfalls durchschnittlichen Abschiedswerk "Hating Life" ein komplett neues Studioalbum der Schweden. Und seitdem geht es wieder steil nach oben. Insofern steht „Dominion VIII“ (Regain Records/Soulfood) im besten Kontext: Das achte Werk der Stockholmer glänzt im traditionsreichen Sunlight Studios Sound und Freunde des frühen schwedischen Deathmetals dürfen sich auf weitere neun Songs freuen, die sämtliche liebgewonnenen Trademarks dieses Genres beinhalten. Tiefer gestimmte Gitarren treffen auf einen straight stampfenden Rhythmus, während der sägende Sound dafür sorgt, dass Stücke wie "Stained By Hate" auch schön rocken. Dass die Vocals nach dem Ausstieg von Sandström seit "Hating Life" von Gitarrist Ola Lindgren übernommen werden, dürfte einigen alten Fans nach wie vor ein Dorn im Auge sein. Bei objektiver Betrachtung muss man Lindgren aber zugestehen, dass er hier (gerade im Vergleich zum Vorgängerwerk) eine sehr respektable Sanges- bzw. „Growl“-Leistung abgeliefert hat. Mich erinnern Grave im Jahre 2008 jedenfalls angenehm an eine Zeit, als man beinahe jedes Album mit dem "Sunlight/Elchtod"-Siegel bedenkenlos kaufen konnte. Ein gelungenes Comeback also, dem auch Einsteiger eine Chance geben dürfen.
Das Konzept hinter Hail Of Bullets erscheint geradezu unverschämt simpel: Musiker aus den (ehemaligen) Reihen von Asphyx, Bolt Thrower, Thanatos, Houwitser und Gorefest sitzen an einem Tisch. Und gründen eine gemeinsame Band. Welche schlichtweg all das komprimiert, was die Wesenszüge ihrer bisherigen Tätigkeitsfelder ausmachte. Und so glänzt “… Of Frost And War” (Metal Blade/SPV) mit dem makabren Gorefest-Groove von Ed Warby, den markerschütternden Vocals Martin van Drunen’s sowie der exzellenten Deathmetal-Versiertheit der anderen Mitstreiter. Heraus kommt ein derbes, mit geradezu punkiger Schlagseite ausgestattetes Midtempo-Bollwerk, welches ohne viel Diskussion zu den Genrehighlights des Jahres gezählt werden muss. Nicht zuletzt perfekt inszeniert durch den mächtigen Sound von ex-Edge Of Sanity Dan Swanö strafen Hail Of Bullets all jene Lügen, welche das Werk aufgrund seines Projektstatus vom Tisch wischen wollten. An „… Of Front And War“ gibt es dieses Jahr zumindest für all jene kein Vorbeikommen, welche in ihrer Sammlung noch ein Plätzchen zwischen Dismember, Celtic Frost oder Death frei haben. Seit Bloodbath funktionierte keine All-Star-Band in diesem Metier mehr so gut wie Hail Of Bullets!

So langsam gewöhnt man sich ja daran, dass Newcomer-Bands in den jeweiligen Begleitschreiben anhand ihrer Myspace-Freunde vorgestellt werden. Kill Hannah  aus Chicago jedenfalls haben gegenwärtig 223.456 davon. Und sellfish.de gehört auch schon dazu. Einmal, weil das Debüt "Until There's Nothing Left Of Us" (Roadrunner Records) durchaus nette Momente hat. Zum anderen aber, weil diese Form der Freundschaft wohl eine gegen Null tendierende Aussagekraft hat. Ein paar nähere Worte zum musikalischen Schaffen haben sich die Vier also, trotz Schminke und Gelfrisur im Tokio Hotel-Stil, durchaus verdient. Die 13 Tracks (welche bei uns mit zwei zusätzlichen Bonussongs erscheinen) offerieren eine höchst eingängige Mischung aus Glam-, Gothic und Indierock. Billy Corgan verlieh bereits seinen Segen; und dank der starken Orientierung an 30 Seconds To Mars, My Chemical Romance oder auch Placebo dürfte von deren Seiten ebenfalls mit Unterstützung gerechnet werden. Angesichts der Tatsache, dass Produktion und Songwriting durchaus überzeugen können, bleibt als zentraler Kritikpunkt somit nur die mangelnde individuelle Note. Und daran sollten sich zumindest diejenigen nicht stören, welche angesichts solcher Musik noch kein Sättigungsgefühl verspüren.
Vor sieben Jahren legten Onesidezero mit Rückenwind von Madonnas‘ Maverick Label bzw. Support-Touren für Linkin Park bis hin zu Incubus einen Traumstart hin. Doch als das Genre ein paar Monate später durch die Decke ging, zogen sich die Fünf aus Los Angeles aufgrund von Burn-Out-Erscheinungen zurück. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt. Denn auch wenn sie nun mit ihrem selbstbetitelten Album eine Art „Reunion unter erschwerten Bedingungen“ feiern wollen: "Onesidezero" (Tiefdruck-Musik/Universal) wirkt seltsam antiquiert. Das Songmaterial möchte oft an System Of A Down erinnern, wobei die 13 Tracks deren Feuer schmerzlich vermissen lassen. Gelungener sind da schon eher die Kontaktversuche mit herkömmlichem Rock geraten: Die eine oder andere Hookline überzeugt durchaus. Am Ende steht jedoch ein, zumindest auf mich, ziemlich uninspiriert wirkendes Durchschnittswerk zwischen Nu-Metal bzw. der direkten Verwandtschaft von Onesidezero: Nämlich Soulfly, Stone Sour oder eben System Of A Down. Nur eben, ohne deren Klasse zu erreichen.

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