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MISC - Juni 2008 l #27

sellfish.de spezial: Pop-Up-Meulinge und alte Bekannte.

Diesmal mit:

Phrasenmäher | Jimi Koke And The High Headz | Wreckyard | Antillectual | M-Sixteen | ZOX

Da sitzt man so bei seinem Guten-Mittag-Bier bei der (Pop Up in Leipzig, denkt an nichts Böses und bekommt wie so oft eine CD in die Hand gedrückt. Diesmal sind es Phrasenmäher aus Hamburg, die auf diesen perfide Weise den Weg in meine Stereoanlage finden. „Ode an die Leude“ (Flowfish Records) heißt das Debütalbum der drei Jungs aus dem hohen Norden und bricht dabei so einige Genres übers Bein. Pop, Rock, A Capella-Sprechgesang, Klamauk, Reggae und eine ordentliche Portion Albernheit. Die Gewichtung hätte ruhig etwas anders ausfallen können, denn Phrasenmäher liefern richtig kaputten Farin-Urlaub Deutsch-Pop ab, der mit schrulligen Texten, zuckersüßen Melodien und extrovertierten Soundinterpretationen richtig Spaß macht. Abgefahren, aber super. Das könnte groß werden, trotz oder gerade weil „Ode an die Leude“ so herrlich skurril, frisch, unkonventionell und dabei derbe amüsant ist.
Ebenfalls über den direkten Weg bei der (PopUp-Messe eingetroffen: Jimi Koke And The High Headz mit seinem ersten Studioalbum „Morning Sun“. Der 25-jährige Berliner präsentiert hier handfesten Indie-Rock mit einer Portion Pop. Melodiös, druckvoll und engagiert. Leider kommen die Vocals nicht ganz an den Rest des Sounds heran und auch so manche Songidee hätte vielleicht ausgespart werden können. Klassischer Radio-Rock mit den Durchschnittsthemen der versammelten Songwriterkunst, aber dafür solide umgesetzt. Man darf also gespannt sein, wohin der Weg von Jimi Koke in Zukunft gehen mag. Ein erstes Ausrufezeichen steht aber schon mal.
Ein Fundstück aus dem Briefkasten ist dagegen Wreckyard, die mit „Dawn“ ebenfalls ihr erstes Album abliefern. Das Dutzend Songs der vier Holländer bietet eine höchst unterhaltsame Mischung an modernem melodischen Punkrock, die hier und da mal in den Poppunk abdriftet aber sich es auch nicht nehmen lässt, auch mal härtere Seiten aufzuziehen. Dieser Abwechslungsreichtum gepaart mit der hervorragenden Produktion und den kraftvollen, treibenden Songs macht Wreckyard zu einem höchst interessanten Newcomer und einen echten Geheimtipp. Welch Potential bei den holländischen Nachbarn liegt, wissen wir ja nicht zuletzt seit Face Tomorrow.
Noch ein Spur mehr krachen lassen es die Landleute von Antillectual mit „Testimony“ (Fond Of Life Records). Der Bandname mit geschickt gewähltem Wortspielchen, Albumtitel und die ersten Sekunden machen schnell klar, wo lang der Hase da läuft: Punkrock meets heart meets politics. Vielleicht vom Sound her nicht ganz so brilliant, aber in der Aussage doch deutlich. Gesellschaftskritik in seiner schönsten, weil direktesten Form aus Punkrock, Melodie und Aggression. Nicht das neuste Konzept, aber im Fall von Antillectual doch ein gutes. Die Schärfe aus den Texten würde der musikalischen Pointierung des Trios vielleicht sogar noch besser zu Gesicht stehen. Manchmal bewegt sich der Sound im allzu bekannten Universum und erst in der zweiten Albumhälfte lassen sich die Hardcore-Wurzeln der Band richtig gut an.
Etwa so wie bei M-Sixteen, die auf dem gleichen Label ebenfalls ihr selbstbetiteltes Debüt geben. Bei den Franzosen knallt es schon um einiges mehr und die Wurzeln aus amerikanischem Punk und Hardcore werden hier recht offenherzig preisgegeben. Ohne Kompromisse und ohne große Vorlaufzeit hauen die Pariser zehn Songs in 28 Minuten raus, die auf des Messers Schneide so herrlich zwischen Melodie und Härte tanzen, als hätten sie seit zehn Jahren nichts anderes gemacht. Gutes Ding.
Bei all den Debütanten hier, sollte man die alten Bekannten aber nicht vergessen: Zu diesen kann man - ohne ihnen zu Nahe treten zu wollen - Zox mit Sicherheit schon zählen, veröffentlichen die vier Herren mit „Line In The Sand“ (Sideonedummy Records) doch bereits ihr drittes Album. Viele Vorschusslorbeeren hat die Band aus Rhode Island seit ihrem letzten, wirklich hervorragenden Album „The Wait“ erhalten. Mit dem Nachfolger haben ZOX ihren Sound aber noch einmal perfektioniert. Fast schon beängstigend perfekt sitzt der viel zitierte „Adult Rock“-Anzug, der dazu wieder mit Stilfacetten aus Pop, Indie-Rock und Prog-Anleihen spielt. Dazu gesellen sich die charakteristische Geige, elektronische Sound-Anspielungen und die unvermeindlichen U2-Stadion-Rock-Atmosphäre. Ein scheinbar unschlagbares Paket, das nur durch seine etwas gleichförmigen Vocals und das Fehlen eines echten Höhepunkts auf der Platte nach unten gezogen wird. Ansonsten ist „Line In The Sand“ wieder ein groß inszeniertes und produziertes Album, das auf den Bühnen da draußen ohne Zweifel wieder richtig gut ankommen wird.

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