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Herrenmagazin

Atzelgift

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August 2006. Irgendwo in der fränkischen Einöde spielen ein paar Bands, vornehmlich aus Hamburg, ein denkwürdiges Konzert. Durch den Club wuseln mehr Bandmitglieder, als Zuschauer, trotzdem herrscht überall gute Laune. Es mag Galgenhumor sein, liegt sicher aber auch am exorbitanten Alkoholkonsum aller Beteiligten. Eine Gruppe sticht dabei besonders heraus, während des Auftritts geht der Drummer aufs Klo und anschließend verschenken sie ihre EP.
Richtig, diese Geschichte handelt von der Hamburger-Chaoten-Truppe Herrenmagazin und davon, wie man es schafft überbordende Begeisterung über zwei Jahre aufrecht zu erhalten. Denn eigentlich waren Herrenmagazin schon damals gar nicht mehr soweit entfernt von „Atzelgift“, doch bis dieses Album nun endlich das Licht der Welt erblickt hat, war Geduld ein vielstrapaziertes Stichwort. Für Fans der Band, aber vor allem natürlich für die vier Herren selbst. Fertig war die Platte schon im Herbst 2007, erscheinen wird sie erst jetzt, weil sich Herrenmagazin in die langsamen Mühlen der Musikindustrie gewagt haben. Vielleicht verkaufen sie dafür ja jetzt ein paar mehr Exemplare von „Atzelgift“. Zu wünschen wäre es ihnen jedenfalls, denn Herrenmagazin machen in Sachen Songwriting so viel richtig. Schnoddriger Schrammelpop mit windschiefem Gesang, dem jugendlichen Charme von Punk und dem Talent zu ganz großen Melodien gesegnet. Am ehesten vielleicht noch vergleichbar mit den Tomte zu Zeiten von „Du weißt, was ich meine“. Daran hat auch die feine Produktion von Tobias Siebert (Gitarrist von Klez.e und delbo) nichts geändert, der hat die Songs nämlich schön rau gelassen. Die Liste der Hits ist lang: „Der längste Tag“, „lnbrg“, „1000 Städte“, „Früher war ich meistens traurig“, „Lichter der Stadt“... ach eigentlich sind alle Nummern großartig. Zwei stechen allerdings besonders heraus: der Übersong „Geht nicht über Nacht“ und der großartige Noise-Ausklang „Kein bisschen aufgeregt“. Die Texte sind selten konkret, holen einen aber zwischen Liebeskummer und Gesellschaftskritik immer wieder zielsicher ab. Das ist das Album, das noch im MP3-Player läuft, wenn man betrunken und wenigstens fünf Haltestellen zu spät im Nachtbus aufwacht. Und diese Ehre wird bekanntlich nur den ganz großen Platten zu Teil.

Bewertung: 8 von 10 Sternen / Spielzeit: 54:57 / Schrammelpop

Autor:

 

Herrenmagazin - Der langsame Tod eines sehr großen Tieres





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