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Melvins

Nude With Boots

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Den Melvins musikalische Stagnation vorzuwerfen würde angesichts der ständigen Neudefinition ihres Sounds geradezu absurd wirken. Wobei die Konsumierbarkeit ihrer Entwicklungen natürlich diskussionswürdig ist.
Nach reichlich obskuren Veröffentlichungen - wie der Fantomas/Melvins Big Band oder der Kollaboration mit Elektronik-Visionär Lustmord - hatten sich King Buzzo und Konsorten mit „(A) Senile Animal“ vor zwei Jahren relativ plötzlich dem konventionellen (Stoner-)Rock gewidmet. Und auch „Nude With Boots“ startet für die eigenen Verhältnisse durchaus zugänglich: Der funkig-vertrackte, treffend betitelte Opener „The Kicking Machine“ markiert jedoch nur die Ruhe vor dem Sturm - welcher im Anschluss mit weiteren breakdurchtränkten Tracks sowie einer stilistischen Achterbahnfahrt folgt. Im Ergebnis kann da schon mal ein Industrial-Synkopen-Arschrock-Gemisch herauskommen, welches an Ministry‘s "Filth Pig" erinnert. Zu hören gibt es (natürlich) verzerrte Vocals, schwere, abgehackte Riffs und verstörende Samples - neben straighten Rock’n’Roll Tönen! Auf kruden Beats werden höchst unterhaltsame Geräuschkulissen aufgebaut, bevor sich die vier Avantgarde-Rocker wieder songtechnisch ins Geschehen einmischen. Über weite Teile kommen die Tracks nicht ohne Bratz-Gitarren aus. Das gerade einmal viereinhalb-minütige "Dies Iraea" allein beginnt beispielsweise beinahe Score-artig unscheinbar, bevor sich langsam die Rockinstrumentierung in den Vordergrund drängt. Das musikalische Ergebnis klingt bei aller Herausforderung durchaus hörbar und bleibt eine spannende Angelegenheit. Über weite Teile funktioniert die variable Genreorientierung nämlich außerordentlich gut, wobei mich gerade die atmosphärischen, flächigen Passagen in Kontrast zu den Noiserock-Referenzen überzeugen. Wer sich die Melvins als Protagonisten eines überdrehten Soundtracks zu einem David Lynch Film vorstellen kann (und auch sonst gerne mal musikalisches Grenzgebiet zur Avantgarde betritt), der sollte diesem einmal mehr außergewöhnlichen Album seine Aufmerksamkeit schenken.

Bewertung: 7 von 10 Sternen / Spielzeit: 42:02 / Post-Rock

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