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MISC - Juni 2008 l #33

sellfish.de spezial: Deutsch-HipHop und mehr Elektronik(a).

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Diesmal mit:

Acme MC | Fuhrman & Bendt | K-Rings Brothers | K.I.Z. | Kool Savas | Sido | Black Light Burns | Donna Summer | Kitsuné Mixed By Digitalism | Mystic Man & Eshamanjaro

Das in dieser Rubrik angenehm ausgewogene Verhältnis zwischen alten Hasen und jungen Hüpfern wird durch einen Vertreter letzterer Gattung eröffnet: Acme MC treibt sich zwar schon eine ganze Weile in der heimischen Szene herum, bislang hat es jedoch trotz einiger Veröffentlichungen in verschiedenen Konstellationen nur zu einer Jugendstrafe, nicht aber dem erstrebten Ruhm gereicht. "Zwischen Gut Und Böse" (Maximale Belastung/Office4music) präsentiert den Aachener als offensiven Künstler, der zwischen Battle Raps und treibenden (Eigen-)Produktionen etwas zu selten Platz für ein Augenzwinkern macht. Was letzten Endes fraglich erscheinen lässt, ob er trotz formidablem Flow und einer Handvoll einprägsamer Hooks über regionale Basis hinaus Relevanz erlangen wird...
Wesentlich besser gelaunt dagegen gehen Fuhrman & Bendt zu Werke, die auf "2 Chaoten" (Sektenmuszik/Groove Attack) beweisen, dass Rap und Selbstironie sich nicht zwangsläufig ausschließen. Umso beruhigender, als mit Mok, B-Tight und Fler ein paar Komparsen mit am Start sind, welche bislang ebenfalls eher weniger durch derartige Charaktereigenschaften aufgefallen sind - und hier eine neue Facette erkennen lassen. Weil außerdem auch die teils im Elektro-Stil gehaltenen Instrumentals, für welche sich von Shuko über die Beatgees bis hin zu Haus- und Hofproduzent Kaso ein paar nationale Prominenzen verantwortlich zeichnen, dem Genreanspruch durchaus gerecht werden (ja diesen sporadisch sogar toppen!), darf man das Werk des Märkischen Viertel-Duos als einen Farbtupfer im sonst derzeit eher etwas eintönigen Berlin/Sektenmuzik-Kontext werten.
Die Folgeschäden des immensen Erfolgs von Seed bzw. Gentleman in den letzten Jahren könnten kaum angenehmer sein. Mit den K-Rings Brothers folgt nach Nosliw, Mono & Nikitaman sowie einigen Konsorten ein weiteres positives Beispiel, wie man jamaikanisches Lied- mit deutschem Kulturgut fusionieren kann. Ohne, dass das Ganze – beispielsweise wie bei deutschem Soul - zwanghaft bzw. peinlich wird. Ganz im Gegenteil, die Sache funktioniert vielmehr richtig gesund. Wobei man diese Mixtur, nachzuhören unter anderem im großartigen "Rollin' Stone", desöfteren sogar noch mit gelungenen Raps anreichert. Sogar das Xavier Naidoo-Feature kann "Save Our Souls" (Peripherique Records/Groove Attack) in seiner Überzeugungskraft nicht schmälern. Also: So authentisch kann deutscher Reggae klingen, wenn er eben nicht nur auf der Suche nach (ohnehin nicht vorhandenen) afrikanischen Wurzeln ist... Tja, deshalb gehen auf diese Weise neben den deutschen Texten auch die paar wunderbar eingängigen, englischen Refrains klar. Ein schönes Album, welches übrigens mit einer umfassenden Bonus-DVD in den Handel kommt.
Lediglich ein Ableger der zugehörigen DVD ist dagegen die "Hahnenkampf Live" (Royal Bunker/Universal) CD der Berliner Durchstarter K.I.Z.. Zusätzlich beflügelt von der Unterstützung von Chefarzt Bela B. im Track "Hölle" dürfen Unwissende natürlich diskutieren, inwiefern eine derartige Veröffentlichung nach nur einem Studioalbum Sinn macht. Dabei wird jedoch übersehen, dass die Kannibalen In Zivil vor dem Major-Signing eben doch schon ein paar Platten an die (wenngleich deutlich weniger zahlreichen) Zuhörer brachten. Wovon es unter den 16 höchst unterhaltsamen Tracks natürlich einige Exzerpte zu hören gibt. Überhaupt geriet das ganze zu einer enorm kurzweiligen Angelegenheit; ziemlich derber Humor voraus gesetzt. Denn wer über Textfetzen wie "Du willst ein Liebeslied, du kriegst mein Riesenglied" etc. ob ihrer Doofheit nicht zumindest grinsend den Kopf schüttelt, der dürfte den soundtechnisch überzeugend eingefangenen Live-Tracks sicherlich nichts abgewinnen... Sieht man über das äußerst magere Booklet hinweg, bleibt "Hahnenkampf Live" immer noch ein sprichwörtliches Heimspiel für die Hauptstädter.
Und noch einmal live, diesmal vom Optik Records Chef Kool Savas persönlich. "Tot Oder Lebendig" (Optik Records/Groove Attack), gleichermaßen in Berlin aufgezeichnet, erscheint in Doppel-DVD-Variante mit den 19 Tracks der Show plus reichlich Zusatzmaterial. Nun sind derartige Veröffentlichungen gerade bei Kool Savas nichts Ungewöhnliches; weshalb dieses Package schon das dritte seiner Art darstellt. Dass das mittlerweile wieder auf Independent-Niveau rangierende Label dennoch vor allem von Savas‘ zugkräftigen Namen zehrt, ist kein Geheimnis. So wird auch auf Bühne Party gemacht und dabei unaufhörlich betont, wer denn nun die besten Rapper im Lande sind... Technisch bleibt dabei alles im grünen Bereich: Geschwindigkeit und Flow des Protagonisten und seiner Mikrofon-Supporter sind zwar nicht revolutionär, bewegen sich aber am obersten Ende der Skala. Ein tränendes Auge bleibt dennoch nach Genuss (?) dieser 80 Minuten (Konzert) bzw. 100 Minuten (Bonusmaterial): In den zumeist ohnehin recht sinnfreien Lyrics verzichtet man nach wie vor nicht auf sexistische und homophobe Andeutungen (wenngleich beispielsweise im erbärmlichen "Guck My Man" nur punktuell) - und deklassiert damit die an sich mindestens gutklassigen Styles inhaltlich auf unterstes Prolo-Niveau. Wenn Kool Savas auf diese Weise Berlin repräsentiert, macht sich Mitleid breit. Grenzwertige Sache eines grundsätzlich nicht einmal unsympathischen Vertreters dieser Zunft!
Berlin, die vierte. Hach, wie ich mich auf diese Review gefreut habe. Sido, Alter. The Man You Love To Hate. Deutscher Gangsterrapper mit Werdegang zum Streetworker der Berliner Ghettos - bei zeitgleichem Erklimmen sämtlicher einheimischer Single- und Albumcharts. Einst mit einem rein auf Provokation aufgebauten Konzept gestartet, steckt das Booklet diesmal voller lauwarmer Erklärungsversuche: Der Gesellschaft den Spiegel vorhalten - am liebsten mit reichlich Ironie - so sollen die (neuerdings ohnehin recht gemäßigten) Texte verstanden werden. Kein Problem. Schade nur, dass sich bei diesem handwerklich souverän inszenierten Album viel zu wenig entdecken lässt: Abgesehen vom klar erkennbaren Humor und der gesunden Portion Selbstironie kaum versteckter Witz; keinerlei soundtechnische Verspieltheiten hinter der steril-sauberen Fassade. Am Ende bleibt "Ich Und Meine Maske" (Aggro Berlin/Universal) so ein reines, zumindest recht unterhaltsames Pop-Album. Welches nicht zu Unrecht noch so manche Single abwerfen sollte.

Das war so nicht unbedingt zu erwarten: Black Light Burns versammeln mit Frontmann Wes Borland (Limp Bizkit), Danny Lohner (Nine Inch Nails), Josh Eustis (Telefon Tel Aviv) sowie Drum-Hure Josh Freese eine ganze Reihe mehr oder minder abgehalfterter Musiker der sogenannten Alternativ-Szene. Entgegen der erwarteten Bauchlandung gefällt das gemeinsame Debüt "Cruel Melody" (I Am: Wolfpack/Edel) dagegen mit einer etwas kruden, jedoch schwer unterhaltsamen Mischung aus Industrial-Riffs, Rock'n'Roll-Attitüde sowie diversen Klangspielereien. Doch gerade weil das Platteninfo von "schockierenden Sounds" und "Supergroup" spricht: Beide Attribute locken auf die falsche Fährte. Hier hat eine Handvoll Musiker offenbar mächtig Spaß gehabt und lebt sich in einer Band mit (unterstelltem) Projektcharakter trefflich aus. Stilistische Grenzen scheint es keine zu geben, stattdessen driften die Rock-Basics des Öfteren in Gothpop-, Elektro- oder gar Surf-Tracks ab. Wer also schon mal Interesse an einer opulenten Radiovariante von Ministry hatte: Bitteschön.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis das französische Label Kitsuné nicht auch endlich auf die ersten deutschen Protagonisten an Bord der eigenen Company zurückgreifen würde, um eine Episode zur selbstbetitelten sowie schwer angesagten DJ-Mix-Serie beizusteuern. Insofern also: Willkommen zur Kitsuné Tabloid Mixed By Digitalism (Kitsune/Rough Trade). Die durch eine erwartet geschmackssichere wie energetische Umsetzung der Hamburger Jens Moelle und Ismail Tuefekci ins Herz von Presse, DJ's und nicht zuletzt dem Tanzflächenmobb rocken wird. Der fein kompilierte Trip durch die persönliche Musikhistorie des Duos reicht von den B52’s über The Human League hin zu kontemporären Acts wie CSS, Hot Chip oder die Philadelphia Elektro-HipHopper Spank Rock. Damit erreicht man zwar selten die Tiefe der übermächtigen DJ Kicks Kollegen, immer aber das erklärte Ziel: Digitalism unterhalten ihr Publikum nicht nur, sie reißen es in einen hypnotischen Sog... bei maximaler Partystimmung.
Leider nur noch mit dem Zusatz "unsäglich" abkanzeln lässt sich der versuchte Wiedereinstand von ex-Disco Queen Donna Summer, im hohen Alter noch einmal in einem Genre Fuß zu fassen, welchem ein etwas weniger puristisch auf Jugend getrimmtes Image grundsätzlich gut zu Gesicht stehen würde. Leider aber liefert die Sechzigjährige mit "Crayons" (Burgundy Records/Sony BMG) ein halbgares Potpourri aus aufbereiteten Standards gegenwärtiger Euro-/Dancefloor-Sounds ab, deren unterirdisches Qualitätslevel (was übrigens auch die Inhalte der Songs angeht) selbst mit Altersmilde nur schwer erträglich bleibt. Für den Titeltrack sicherte sie sich gar den Support von Ziggy Marley, welchem offenbar gar nichts mehr heilig ist... Wer also auf eine gewisse Reife in seinen Dancefloor-/Pop-Singles nicht verzichten möchte, sollte für die Sicherstellung zumindest minimalen Niveaus sicherheitshalber besser zu Madonna greifen.
Wer das Debüt der Streets liebte, wem das Ableben von Kinderzimmer Productions nach wie vor keine Ruhe lässt, wer auch noch dem x-ten Album der Roots entgegenfiebert... der bekommt vom Fat! Records Label unverhofft Nachschub serviert. Mystic Man & Eshamanjaro heißen die beiden, welche mit ihrer Kollaboration "In Heavy Weather" (Fat! Records/Groove Attack) Anhänger anspruchsvoller HipHop-Töne nervös machen dürften. Den unverdrossen britisch klingenden, angenehm intelligenten Raps von MC Esha wird durch treibende Broken Beats, Jazz-Samples sowie diverse Elektronika-Versatzstücke von Partner Mystic Man a.k.a. Merka ein exzellentes Soundgerüst gebastelt. Highlights wie die Auskopplung "Cheshire Cat" oder das von einem famosen Instrumental getragene "Keeper Of The Flame" empfehlen das Duo als das vielleicht Interessanteste, was von der Insel im HipHop-Kontext dieses Jahr zu uns herüber geschwappt kam. Fazit: Großes Genre-Kino mit Niveau.

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