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MISC - Juli 2008 l #34

sellfish.de spezial: From Metal To Core.

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Diesmal mit:

Arkangel | Cold World | Fuck The Facts | Waterdown | Austrian Death Machine | Bloodbath | Alice Cooper | Medeia | Sieges Even | Todesbonden

Man darf ein wenig überrascht sein: Auf das normalerweise im Moshcore zum Standard-Repertoire gehörende, apokalyptische Intro verzichten die belgischen Arkangel auch auf ihrem dritten Longplayer. Abgesehen davon fahren die Fünf jedoch genau die Geschütze auf, wie sie der "Militant Straight Edge" (sic!) Verfechter seit dem Abschied Earth Crisis‘ von Victory Records in den Neunzigern nicht mehr gehört hat. Soll heißen: Tonnenschweres Riffing, metallische Soli und ein gegen die Missstände in unserer industrialisierten Gesellschaft keifender Sänger. Nicht ganz unwichtig: Die Produktion knallt ordentlich und auch an den Instrumenten sind Arkangel hörbar fit. Die Vocals von Sänger Baldur dagegen packen mich nicht ansatzweise, und selbst die Abwechslung kommt - abgesehen von ein paar netten Breakdowns bzw. Tempiwechsel - deutlich zu kurz. Daran ändert auch nichts, dass sich "Is Your Enemy" (GSR Music/Cargo) neuerdings phasenweise deutlich in Richtung Metalcore a lá Heaven Shall Burn orientiert. Zwar wurde das ganze musikalisch recht professionell in Szene gesetzt, trotz aller Brutalität belanglos bleiben die neun Tracks dennoch.
Klar ist die Fusion aus Hardcore und HipHop schon seit mindestens einer knappen Dekade outdated. Wenn allerdings das Deathwish Records Label sich einer derartigen, ähem, Crossover-Angelegenheit annimmt, darf man getrost von geschmackssicherer Umsetzung ausgehen. Die Cold World aus Wilkes-Barre, Pennsylvania, auch nicht erst seit gestern zelebrieren. Nach einer ganzen Handvoll Demos und 7"es (zusammengefasst übrigens auf der „No Omega“ CD/DVD) erscheint nun das Album-Debüt. Und "Dedicated To Babies Who Came Feet First" (Deathwish Records) wurde allen Ernstes von „Biohazard“ Billy Graziadei produziert; es enthält neben "echten" HipHop-Samples sowie dezenter early-Life Of Agony-Anleihen vor allen Dingen haufenweise realen (Posi-)Hardcore-Bezug: 15 Tracks in einer halben Stunde Spielzeit sowie Gastvocals aus den Reihen von Blacklisted sollten da eine deutliche Sprache sprechen. Ja: Diese Scheibe bringt richtig Spaß, klingt kurzweilig und bietet tatsächlich (etwas) mehr, als nur einen wohltuend authentischen Trip in die Neunziger.
Auf die Fakten scheißen will ich jetzt gerade mal nicht. Zu interessant war es, dass uns Relapse Records nach ausschließlich digitaler Vorab-Bemusterung nun endlich wieder mit physischen Tonträgern versorgen. Was einerseits das Boykott postwendend aufhebt, andererseits jedoch nicht darüber hinweg täuscht, dass die aktuelle Veröffentlichung Fuck The Facts gerade nicht ganz der Weisheit letzter Schluss sind. "Disgorge Mexico" (Relapse/Rough Trade) springt in die Bresche von Job For A Cowboy oder den Labelmates Misery Index; damit also in eine Schublade, welche sich neuerdings "Deathcore" betitelt. Dort gehört es durchaus zum guten Ton, die eigenen Instrumente zu beherrschen. Was die Kanadier gleichermaßen vorweisen können. Die teils progressiven, teils phänomenal rifforientierten Tracks werden durch die pervers derben Vocals von Frontfrau Mel Mongrel intoniert, nur ganz selten gibt es als Kontrast ein paar melodische Gitarrenleads („Driving Through Fallen Cities“). Als Fazit bleibt ein kurzweiliges, intelligentes, jedoch nur bedingt zwingendes Gesamtwerk.
Nachdem Waterdown vor zwei Jahren mit "All Riot" und neuem Sänger den Abschied von Victory Records gefeiert haben, wurde es ziemlich ruhig um das einst erfolgreichste deutsche Hardcore-Aushängeschild. Was mir, ehrlich gesagt, durchaus recht war. Enttäuschte die Form seinerzeit doch etwas - und als einige Zeit später mit Ingo auch noch Sänger Nr. 2 ausstieg, schien das Schicksal besiegelt. Von wegen. Mittlerweile bei Blacktop Records, stilsicherem Szenelabel aus Ibbenbüren gelandet, backt man ganz bewusst kleinere Brötchen. Auf der EP "Powersnake" (Blacktop Records) besinnen sich Waterdown in mehrerlei Hinsicht auf ihre Wurzeln: Da wären einmal die drei Coverversionen; darunter mit "Rather Be Dead" (Refused) und "Caboose" (Snapcase) essentielle New School-Klassiker. In der sehr an die Originale angelehnten Neubearbeitung stehen jene gleichberechtigt neben Inside Out's "No Spiritual Surrender" - und den vier Eigenkompositionen. Die knüpfen nicht zuletzt dank Sänger Zacken an den mäßigen Vorgänger an, sammeln aber dank der weniger zwanghaft auf „fett“ getrimmten Produktion Bonuspunkte. Waterdown haben in den letzten Monaten viel Staub schlucken müssen – doch allein im hyperenergetischen Opener „True Til Deaf“ wird mehr als deutlich: Hier ist wieder alles möglich! Willkommen zurück.

Bedenklich nahe am groben Unfug darf man das Schaffen der Austrian Death Machine, dem Beinahe-Soloprojekt von As I Lay Dying Chef Tim Lambesis ansiedeln: "Total Brutal" (Metal Blade/SPV) liefert eine Art Metal(core)-Adaption der Terminator-Actionszenen. Inklusive stumpf-augenzwinkernder Moderation von Frontman Ahhhnold (sic!), welcher sich durch die jeweils in weniger als einer Stunde (!) entstandenen Kurz-Salven prollt. Selbige entstanden streng nach Schema F: Durchgehend hohe Geschwindigkeit, Raum für genau ein Gitarrensolo, Bang-kompatibles Riffing sowie Breakdowns zum Mitzählen. Am Ende gefällt zwar der Comedy-Faktor bzw. die haarsträubenden Governator Arnold-Huldigungen durchaus, wirklich musikalisch zwingend sind die 17 Tracks trotz prominenter Unterstützung von Jason Suecof bis Adam Dukiewicz leider viel zu selten.
Dass sich Bloodbath, die skandinavische Deathmetal-Supergroup um u.a. Opeth- und Katatonia-Mitglieder, phasenweise recht rar machte, beunruhigte so manchen Fan regelmäßig. Letzten Endes jedoch fand man immer wieder zusammen. Und bevor im Oktober tatsächlich ein neuer Studiolongplayer in den Läden stehen soll, erscheint mit "The Wacken Carnage" (Peaceville Record/SPV) nun die audiovisuelle Dokumentation des Wacken Open Air Auftritts aus dem Jahre 2005. Welcher, laut Eigenaussage auf der Bühne, den ersten gemeinsame Gig überhaupt darstellte. Durchaus beachtlich dabei, Dan Swanö (ex-Edge Of Sanity und Nightingale-Vordenker) wieder einmal live in Aktion zu sehen: Der gefragte Elchtod-Produzent gilt bekanntermaßen alles andere als konzertbegeistert. Doch bei Bloodbath steht eben der Spaß aller Beteiligten im Mittelpunkt: Und jener transportiert sich auch via diesem CD/DVD-Set. Die stimmungsvoll-grobkörnige, bewusst bedeckt gehaltene Bildqualität kann doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Mikael Akerfeldt (Opeth) und Konsorten jenseits progressiver Töne pudelwohl in ihren Kunstblut-besudelten Hemden fühlen. Und so rotzt das prominente Quintett sein gutes Dutzend räudiger Songs herunter und hinterlässt dabei selbst in der Retrospektive nur schwitzende, glückliche Körper.
Um ehrlich zu sein: Ich liebe Alice Cooper. "Hey Stupid" war damals ein famoses Rockalbum, sein Auftritt in "Wayne's World" legendär und Singles wie "Schools Out" nerven selbst Dekaden später noch nicht. Seitdem, so heißt es, hätte Cooper noch ein paar durchaus akzeptable Alben unter’s Volk gebracht, die mir jedoch allesamt nur sehr sporadisch bekannt sind. Nun also ein ganz neuer Longplayer, erstmals in Labelunion mit den Hannoveranern von SPV. Und wer auf Hardrock der achtziger Jahre steht, dem dürfte das Material zweifellos gut gefallen. Als Trip in die Vergangenheit nämlich taugen die elf Tracks allemal. Dennoch haftet "Along Came A Spider" (Steamhammer/SPV) etwas mehr Comedy-Faktor an, als gesund. Was vielleicht damit zusammenhängt, dass der Sound noch eine Spur anachronistischer (und statischer) klingt als bereits in den Neunzigern. Klar: Haarsträubender Pseudo-Horror gehört einfach zum Konzept des Bastard-Barden. Diesmal allerdings wird es an manchen Stellen unfreiwillig komisch. Und, unter uns: Dass die Balladen diesmal nicht so zwingend ausfallen, nehme ich dem auch als Co-Produzent fungierendem Künstler durchaus persönlich. Sei’s drum: Nicht nur aufgrund von Songtiteln wie „(In Touch With) Your Feminine Side“ ein abermals drollig-sympathisches Werk…
Fullsteam Records nahm ich bislang eher als Emo-, Indie oder Punklabel wahr. Offenbar geht es in Finnland jedoch einfach nicht ohne Deathmetal! Wer weiß, so kommt man in diesem Teil Skandinaviens vielleicht sogar noch am ehesten in die Charts... Keine Ahnung, ob ausgerechnet dies die Beweggründe für Medeia gewesen sind, ihre selbstbetitelte EP in's Rennen zu schicken. Die vier Tracks jedenfalls markieren nach einem Album in Eigenregie nicht nur den ersten Auftritt auf breiter Ebene, mit Vocal-Neuzugang Keijo Niinimaa von Rotten Sound weiß man zudem einen erfahrenen Veteranen in den eigenen Reihen. Auch sein Beitrag allerdings rettet nicht darüber hinweg, dass "Medeia" (Fullsteam Records/Pias) mit seinen gut zehn Minuten ein nett gemachter, jedoch noch relativ unspektakulärer Abklatsch der US-Vorbilder von den Tourpartnern As I Lay Dying bis hin zu Job For A Cowboy bleibt.
Nachdem man nun über zwanzig Jahre fortwährend exquisite Progressive-Alben produzierte, haben sich Sieges Even längst für ein Livealbum qualifiziert. Und setzen in "Playgrounds" (Inside Out/SPV) ihr Bestreben fort, den Hörern anspruchsvollste Unterhaltung auf höchstem Niveau zu bieten - ohne, dass dabei dem Zeitgeist gehuldigt werden müsste. Die 10 Tracks schöpfen die Spielzeit der Compact Disc selbstverständlich aus, erstrahlen in allerfeinster Soundqualität und haben den Fokus auf die letzten beiden Longplayer gerichtet. Mögen die Münchner auch weiterhin mit dem „Geheimtipp“-Fluch belegt sein: Ihren Fans bereiten sie hiermit davon unabhängig eine weitere, echte Freude.
Einmal mehr mit etwas Verzug fand doch auch dieses Release aus der hoffnungsvollen Prophecy Productions Labelschmiede seinen Weg zu uns. Und hat, wie man in diesem Geschäft so schön sagt, durchaus Cross-Genre-Appeal. Denn während reine Metalheads Todesbonden sicherlich zu ruhig finden dürften, sollten Fans von Folk-, Gothic- und Progressive-Rock aufhorchen. Denn wenn das Info zu "Sleep Now, Quiet Forest" (Prophecy Productions/Soulfood) selbstbewusst von Dead Can Dance oder The 3rd And The Mortal als Anhaltspunkte spricht, greift das zwar eine Spur zu hoch; liegt tendenziell aber dennoch richtig. Schade nur, dass ein etwas zu vehementer Kitschfaktor verhindert, dass sich das neuenglische Quintett völlig sicher aus dem Windschatten von Nightwish und Konsorten retten kann. Einige avantgardistische Passagen sowie die ausladenden Arrangements erinnern zudem zwar an die großartigen Gathering, doch auch deren Brillanz wird nicht ganz erreicht. Ein aufgrund der vielschichtigen Songs mutiges, anspruchsvolles Werk gelang der Band um die begnadete Sängerin (und Blockflötistin) Larie Ann Haus nichtsdestotrotz.

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