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Stereolab

Chemical Chords

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Ach würde doch nur jede Band nach 18 Jahren des Bestehens noch so cool klingen. Während die Rolling Stones dauernd als Negativbeispiel herhalten müssen und sich die unbeteiligte Allgemeinheit immer wieder ungefragt Gedanken darüber macht, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist eine Band in Rente zu schicken, denkt niemand daran eine Band wie Stereolab mal als Gegenbeweis aufzuführen.
OK, ganz so alt wie die Rolling Stones sind Stereolab natürlich noch nicht. Und Tourneen durch riesige ausverkaufte Stadien haben sie wohl auch noch nicht gespielt, aber Veteranen in Sachen Popmusik sind sie definitiv. Und wenn die Lifestylemagazine dieser Welt mal wieder nach zehn Methoden jung zu bleiben suchen, sollte man ihnen vielleicht einfach den Tipp geben, wenigstens zehn der insgesamt 16 Songs von Stereolabs neuem Album zu nennen. Eine vertonte Frischzellenkur ist das nämlich. Für den Hörer, aber vor allem wahrscheinlich für die Band, denn so unbedarft klangen sie wohl selten. Wurden in der Vergangenheit die verschiedensten Extreme in Sachen Elektronik, Krautrock - und mit was man sich als Nerd eben noch so tiefgründig beschäftigen kann - durchexaltiert, kommt jetzt der Befreiungsschlag. Und der kommt gleich mit einem Hüftschwung, der Begriffe wie Altersmüdigkeit oder Einfallslosigkeit von vorne herein mit Leichtigkeit austanzt. Abwechselnd auf französisch und englisch entwerfen Stereolab auf „Chemical Chords“ Popmusik, wie sie 2008 wohl höchstens noch Beck zusammenspinnen könnte. Weil der aber gerade auf Reduktion aus ist, nutzen die Briten das offene Feld und mischen Chanson-Pop, 60ies-Beat, Disco-Groove, Elektro-Farbtupfer, sowie bezaubernde Streicher und Bläser zu einem perfekten Longdrink zusammen. „Chemical Chords“ ist eine Platte für die man dennoch Zeit braucht, obwohl sie so popig ausgefallen ist. Das darf man ruhig als Kompliment nehmen, denn wer es schafft eingängige Stücke zu komponieren und dem Hörer trotzdem einige Nüsse zu knacken vorlegt, schafft einen bemerkenswerten Spagat. Der Titelsong entführt uns in ein Straßencafé in Nizza, das zuckersüße „Valley Hi!“ ist zum Verlieben, „The Nth Degrees“ treibt Blonde Redhead-mäßig vor sich hin und mit „Silver Sands“ tänzelt man sogar Montag morgen in die Arbeit. Wie nun „Chemical Chords“ im Gesamtkontext der Bandgeschichte einzuordnen ist, spielt bei so einer tollen Platte eigentlich keine Rolle. Stereolab waren vielleicht schon mal wichtiger, vielleicht auch besser, aber wahrscheinlich nie schöner.

Bewertung: 8 von 10 Sternen / Spielzeit: 56:22 / (Chanson-)Pop

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