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Such A Surge

Entwicklung im Rahmen

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Im Zusammenhang von SUCH A SURGE von einer "kleinen Legende" zu sprechen, scheint angesichts der gut zehnjährigen Geschichte der Braunschweiger Formation durchaus angemessen. Zumal mich das deutsche Crossover-Urgestein kürzlich mit einem ausgezeichneten Album überraschte. "Rotlicht" (Sony) lässt eine deutliche Weiterentwicklung erkennen, die in dieser Form nicht zu erwarten war.
Da war es naheliegend, sich um ein Interview mit der Band zu bemühen. Eine passende Gelegenheit ergab sich anlässlich des Konzertes im Nürnberger Hirschen, auf dessen "Freichlicht-Sofa" wir mit einem gar nicht "legendären", sondern äußerst sympathischen Olli Platz nahmen. Der Gute ist übrigens nicht nur für die eine Hälfte der Vocals bei SUCH A SURGE zuständig, sondern außerdem mit seinem HipHop-Projekt O-TON aktiv.


Olli, ihr habt für "Rotlicht" sehr viel positive Kritik bekommen. Das war früher ja nicht immer der Fall, oder?

Waren die wirklich so positiv? Wahrscheinlich ist es so, dass man sich selbst die schlechten Sachen rauspickt. Ich hätte jetzt nämlich eher das Gegenteil gesagt. Aber eigentlich ist es so, wie es immer war. Zeitungen, die einen früher nicht mochten, mögen dich heute auch nicht - egal, was du machst. Beim "Spex" zum Beispiel habe ich das Gefühl, dass man uns einfach gar nicht mag. Die hören sich ein neues Album dann natürlich auch mit ganz anderen Ohren an. Trotzdem hatten wir diesmal schon das Gefühl, dass einige Leute verstanden haben, was "Rotlicht" für uns bedeutet. Nämlich das es für uns nicht einfach ein Nachfolger zum "Surge Effekt" ist, sondern eine interessante neue Sache.

Die Gitarren sind Euch heute scheinbar wichtiger denn je.

Ich denke, die zeigen sich nur einfach anders als früher. Es geht nicht mehr nur um groovende Riffs, sondern alles ist eher sphärisch, verstimmt, noisig... Das ganze ist wohl ein Einfluss, den Dennis aus seinem Nebenprojekt und der Musik, die er hört, mitgebracht hat. Es gab Zeiten, da sind wir alle sehr auf SICK OF IT ALL und BIOHAZARD abgefahren. Aber man entwickelt sich weiter, hört andere Sachen. Da stehen dann auch mal Scheiben im CD-Schrank, von denen man vor fünf Jahren vielleicht noch gesagt hätte "Hau ab damit"...

Sag mal ein paar Beispiele...

Ich glaube, in der Hinsicht habe ich wohl den größten Sprung gemacht. Ich habe früher nur HipHop gehört. Dann kamen Gitarren dazu, jetzt gefallen mir auch ganz ruhige Sachen. RADIOHEAD sind nach wie vor eine meiner Favoriten. Dennis fährt sehr auf SONIC YOUTH und solche Bands ab. Dabei ist es ja nicht so, dass wir jetzt vergessen hätten, was wir können und wer wir sind. Wir wollen auch nicht krampfhaft etwas anderes machen. Irgendwie ist man ja - im positiven Sinne - in seinem Raum gefangen. Solange man aber in diesem Raum noch tut, auf was man Bock hat und auch mal Sachen ausprobiert, die man noch nie gemacht hat - dann ist es, denke ich, in Ordnung.

Jetzt koppelt ihr mit "Hypochonder" den stärksten Track des Albums aus. Habt ihr einen Clip dazu gedreht?

Nein, wir selbst haben keinen gemacht. Es handelt sich um ein animiertes Video, das quasi der Nachfolger zu "Koma 2002" ist und in dem auch die gleichen Charaktere zu sehen sind. Produziert hat den "Hypochonder"-Clip ein Freund von uns, der auch das Artwork zur Platte gemacht hat.

Euer Vertrag mit "Sony" ist ja mit "Rotlicht" ausgelaufen. Die scheinen aber weiterhin großes Interesse an Euch zu haben, wenn ich mir die limitierte "Rotlicht"-Auflage mit Bonus-DVD oder die ganzen Singles so anschaue.

Das wir bei denen bleiben... hmm... ob die daran Interesse haben? (grinst) Schwer zu sagen. Nö, ich glaube ehrlich gesagt weniger. Die ganze Artwork- und DVD-Geschichte ist auch auf unserem Mist gewachsen. Wir sind keine Band, die einfach so eine CD veröffentlicht. Deswegen die Special Edition, der Digipack und das selbstgemachte Artwork. Da wurde nämlich nichts in irgendeine Grafik-Agentur gegeben, die heute das RAMMSTEIN-Cover, morgen SUCH A SURGE und danach BRITNEY SPEARS macht. Wir sind aber schon sehr froh, dass die Plattenfirma das ganze mitmacht und uns das Geld vorstreckt.

Interessant finde ich, dass euere aktuelle Platte keinen Kopierschutz hat, während die "10 Jahre"-Compilation noch so ein Ding enthielt. Steckt da eine Überlegung von Euch dahinter?

Also erst mal: wirklich funktionieren tut der ja sowieso nicht. Zumindest nicht der, den die "Sony" damals verwendet hat, hehe. Wir freuen uns natürlich, dass auf der neuen Scheibe keiner drauf ist. Es hat aber nicht damit zu tun, dass wir das nicht wollen, sondern leider liegt so etwas irgendwann nicht mehr in deiner Macht. Wenn es nach uns ginge, hätte auch "10 Jahre" keine Kopierschutz gehabt.

Habt ihr eigentlich Kontakt zu den ganzen jüngeren Bands, die inzwischen euere Schiene fahren? Ich denke da zum Beispiel an EMIL BULLS oder 4LYN... habt ihr für die so eine Art Papa-Rolle?

Das müsstest du die Bands fragen. Mit 4LYN hatten wir eigentlich nie viel zu tun. Mit den BULLS waren wir auf Tour, die kennen wir etwas besser. Papa-Rolle? Hm, glaube ich nicht - die machen ihr eigenes Ding. Ich denke schon, dass die es vielleicht bemerkenswert finden und sich fragen: "Wow, werden wir das auch so lange machen?". Sehr nett fand ich aber, als einmal der Sänger von 4LYN ankam und meinte, er sei gerade voll in einem 'Fan-Star-Dilemma' und wolle mir sagen, dass ihn unsere Musik so beeinflusst hätte und er uns schon auf Konzerten gesehen hatte - da fühlt man sich natürlich geehrt. Das ist schon geil.

Gibt es irgendetwas an den früheren Platten, was Dir im nachhinein peinlich ist?

Nein, eigentlich nicht. Und zu dem jeweiligen Zeitpunkt fand ich es auch cool. Es gibt natürlich Sachen, die ich heute anders machen würde. Aber damals habe ich das halt so gesagt und stand auch voll dahinter. Peinlich ist es mir aber nicht. Außerdem: selbst wenn man es wollte, vor einer Platte kann man nicht davon rennen. Es gibt davon ein paar, die im Umlauf sind, also... Selbst wenn es mir peinlich wäre, was soll ich tun? (lacht) Ich kann den Leuten die Dinger ja nicht mehr weg nehmen.

Zu guter letzt: Was ist denn der größte Unterschied zwischen dem Tourleben heute und zu "Under Pressure"-Zeiten?

Puh, der größte Unterschied... (überlegt lange)... Ich wollte gerade sagen, wir trinken nicht mehr so viel. Aber seit gestern Abend trifft das ja auch nicht mehr zu, hehe. Schön ist, dass das Repertoire größer ist. Dafür sind die Touren nicht mehr so lange. Früher waren wir sechs Wochen am Stück auf unterwegs, was wir heute einfach nicht mehr machen. Zweitens ist man auch irgendwann durch.... wir sind ja schließlich auch nicht mehr die jüngsten... (lacht)

Das Konzert, soviel sei hier noch angemerkt, erfüllte alle Erwartungen. SUCH A SURGE gaben einen Querschnitt durch sämtliche Phasen ihrer Bandkarriere, ließen kaum einen Hit aus und sorgten mit zwei PAIN IN THE ASS-Tracks für totale Ausraster im Pit. Alleine die geschätzten 300 durchgeschwitzten Leute direkt vor der Bühne dürften Beweis genug sein, dass man als Band auch noch im 12. Jahr seiner Karriere einen überzeugenden und energetischen Gig spielen kann.


Inteview: Bastian Streitberger / Michael Streitberger
Foto: suchasurge.de (Pressefreigabe)



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