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Robocop Kraus, The

...fake boys are going to be polyphon?!

Manchmal liegt gute Musik doch so nahe und so hatten wir die Möglichkeit THE ROBOCOP KRAUS in ihrem Proberaum in Nürnberg zu besuchen. Ein Jahr nach ihren Erfolgsalbum „Living with other people“ gab es einiges zu berichten und so nahm sich die Band dann auch sehr viel Zeit und wir konnten über Musiklabels, Japantouren und Kostüme reden. Die fünf Jungs erwiesen sich dabei überaus gut gelaunt, da sie gerade eine anstrengende Phase in Sachen songwriting überstanden hatten; wir bitten deshalb zu beachten, dass den Antworten ein ständiges Lachen, sowie ein ironischer Unterton zu Grunde lag. Der Einfachheit halber, haben wir die jeweiligen Antworten vereint.

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„Living with other people“, ein Jahr später, was hat sich verändert?
Wie, an der Platte oder was?

Nein, an eurem Leben?
Es ging konstant bergab... und das ist kein Witz jetzt!

Warum das?
Wir haben in der Zeit der Veröffentlichung und danach so viel live gespielt, fast jeden Tag und jetzt im Moment ist das eine ziemlich harte Phase für die Band. Wir müssen teilweise unser Studium abschließen, Tobi wohnt in Wien usw. Wir schreiben jetzt zwar wieder neue Songs, aber wir spielen im Sommer halt gerade mal so sechs, sieben kleinere Festivals und das ist uns zu wenig. Das wird definitiv das Jahr mit den wenigsten Konzerten seit 1993.

Das Album ist ja bei L’ADO erschienen, ist das Label auf euch zugekommen?
Ja sie sind auf uns zugekommen, wir haben uns das dann auch lange überlegt, zumal auf L’ADO jetzt gar nicht so die Musik war, die wir gehört haben. Wir haben darauf gewartet, dass noch so ein Label wie Touch & Go anruft, aber die haben leider nie angerufen; die haben nicht mal angerufen, als wir denen Demos geschickt haben. Naja, dann haben wir halt L’ADO genommen.

Seid ihr mit der bisherigen Arbeit von L’ADO zufrieden und habt ihr noch genug Eigenkontrolle über euer Schaffen?
Also über die Dinge, die wir tun, haben wir auf jeden Fall genug Kontrolle... über die Dinge, die DIE tun haben wir natürlich keine Kontrolle. Da gibt’s dann schon mal ab und zu den ein oder anderen Knaller, ich mein gebt euch mal das: Wir wurden jetzt zum Beispiel gefragt, ob aus unseren Songs polyphone Klingeltöne gemacht werden sollen; zur Auswahl standen „fake boys“, „fashion“ und „dany is passing“, da fragt man sich natürlich schon, was hier passiert. Andererseits muss man halt auch überlegen, wieviel Geld so was bringt, aber dann pfeift man sich doch wieder zurück und denkt sich, was soll der Müll. Wir müssen da immer an diese bunten Seiten denken, wo man sich Tausende von Logos und Klingeltönen runterladen kann, das ist natürlich schlimm; wobei unsere jetzt nur auf speziellen Sammlerseiten gelandet wären. Aber wer weiß wie das dann wieder weitervermarktet werden darf und am Ende landen wir dann doch noch in der „fit for fun“ oder in der „FHM“. Das sind also so die Fragen, die man sich stellt, seit wir bei L’ADO sind: „Klingeltöne ja oder nein?“ Früher hat man sich nur gefragt: „Ziehe ich jetzt einen Nietengürtel an, bin ich cool?“

OK, hier sollten wir schon abbrechen, weil besser geht’s ja eigentlich nicht. Aber gut... bezüglich der Labelsituation: Wie seht ihr da eure Zukunft, denkt ihr es wird noch größer oder wollt ihr lieber wieder eine Nummer kleiner irgendwann?
Also die kommende Platte werden wir ja auf jeden Fall bei L’ADO rausbringen, was danach kommt ist nicht so ganz sicher, es geht allerdings darum, dass man vielleicht mal eine Lizenz im Ausland bekommt, da ja L’ADO auf anderen Märkten wie Japan oder Amerika nichts verkauft; das wäre toll, wenn in die Richtung was passieren würde, weil das ja auch wieder bedeuten würde, dass man dort touren könnte.


Stichwort „touren“, im Verhältnis zu anderen Bands in eurer „Liga“ habt ihr ja schon total viel im Ausland gespielt und teilweise auch so weit entfernt, wie z.B. in Japan oder Amerika. Wie kam das jeweils zu Stande und wie kam dort eure Musik an?
Also bei Amerika war das so, dass uns eine befreundete Band - THE WORLD/INFERNO FRIENDSHIP SOCIETY - mit auf Tour genommen hat, die haben uns vorher gesagt, wir können gerne mit, aber stellt euch darauf ein, dass es fast keine Sau interessiert und so war das dann auch fast immer. Es war sehr lustig und auch sehr absurd. Manchmal waren da gerade drei Leute vor der Bühne, wovon dann allerdings einer unsere kompletten Platten auswendig konnte. Wo sich es dann schon wieder gelohnt hat auf Tour zu gehen, natürlich aber nicht finanziell. Japan lief dann schon besser, also auch von den Zuschauerzahlen. Das hat so ein Typ organisiert, der unsere Sachen per Mailorder vertrieben hat. Das Publikum dort unterscheidet sich im Prinzip nicht deutlich von Europa, nur dass in Japan zwischen den Liedern alle ruhig sind, was für uns natürlich total ungewöhnlich war. Da hat man in einem Saal von 200 Leuten gehört, wenn ein Kugelschreiber runtergefallen ist, aber vom Applaus und vom Tanzen war das eigentlich ganz normal.

Ihr habt ja bereits erwähnt, dass ihr gerne im Ausland veröffentlichen würdet, legt ihr dabei vielleicht ein besonderes Augenmerk auf England, da es ja dort zum Teil auch ganz gute Kritiken über eure Shows gab.
Also eigentlich nicht, weil es dort einfach nicht so funktioniert hat, auch nicht, wie wir uns das vorgestellt haben. Da gibt’s alleine schon, so viele Clubs, wenn man da in London spielt und dann spielen am selben Abend auch noch GUIDED BY VOICES in einem anderen Lokal, dann ist das doof. Wenn man dort nicht von der Presse gehyped wird und nicht einen gewissen Status hat, ist das sehr schwer. Wir haben es dort probiert, aber jedes Mal Geld verloren und dann ist gut. Für das Musikbusiness ist England aber natürlich verlockend, weil das so ein extremes Land ist, entweder geht gar nichts oder ganz viel und wenn man es da mal schafft in die Charts zu kommen oder ordentlich Presse zu bekommen, dann strahlt das natürlich auch wieder auf andere Märkte ab.

Wenn man bestimmte Marktmechanismen betrachtet oder Marketingsysteme... wie weit würdet ihr gehen, was würdet ihr mitmachen und was nicht?
Dafür ist die Frage zu schwammig, das kommt halt drauf an, wenn das blöd ist, macht man’s halt nicht mit und umgekehrt; wobei wenn das totaler Scheiß ist, dann macht man vielleicht doch schon wieder mit, also zum Beispiel von Bernbacher Nudeln sponsern lassen. Das ist ja sowieso unser nächstes Ziel, schreibt das Mal: Wir suchen Firmen, die uns sponsern und zwar so richtig arge Firmen, am besten Waffenhersteller oder so was.

Wie definiert ihr für euch Erfolg?
Das ist individuell bei uns; es ist schon Erfolg, dass wir unser Ding machen können, rumfahren und Konzerte spielen.

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Aber kommt mit der Zeit nicht auch eine gewisse Erwartungshaltung eurerseits, ihr habt letztes Jahr unter anderem auf dem immergutrocken-Festival im vollbesetzten Zelt gespielt, wollt ihr dann nicht irgendwie mehr?
Eigentlich nicht, also natürlich erhofft man sich, dass die Leute weiterhin zu den Konzerten kommen und um 14.15 Uhr möchte man dann vielleicht nicht mehr auf einem Festival spielen, aber grundsätzlich beurteilen wir ja ein Konzert, ob es gut war, nach anderen Gesichtspunkten. Da können jetzt ganz viele Zuschauer da sein und trotzdem fanden wir den Auftritt nicht gut und sagen, was anders werden muss und bei einem anderen, kleineren Auftritt passt alles und wir finden es großartig. Man muss allerdings schon sagen, dass es bis jetzt immer bergauf gegangen ist, also finanziell weniger, eigentlich im Gegenteil, aber es waren immer Leute da und klar, wenn dann plötzlich die Zuschauer ausbleiben sollten, das wäre schon brutal und das kann aber immer passieren. Wir hoffen also, dass es nicht unbedingt mehr wird, aber zumindest auf diesem Level bleibt.

Stimmt es, dass ihr eine Anfrage für das VISIONS-Westend-Festival 2003 bekommen habt und nicht spielen wolltet?
Nein, das stimmt auf jeden Fall nicht, das lag an terminlichen Gründen. Allerdings haben wir natürlich bezüglich Festivals schon überlegt, was wir spielen würden, weil beim Immergut da war das noch überschaubar, aber wenn man woanders plötzlich nicht mehr vor hundert, sondern vor 10 000 Leuten spielt, das wäre dann schon zu krass. Je mehr Publikum, desto näher ist man auch immer dran, irgendwas affiges zu machen. Da kommt man sich am Anfang bestimmt auch total blöd vor.

Also nix mit Rock im Park in nächster Zeit?
Das kommt drauf an, welche Bands dort spielen; dieses Jahr haben wir uns natürlich in Arsch gebissen, denn beim Southside spielen ja die PIXIES und THE CURE, MARS VOLTA und DAVID BOWIE, das ist schade, dass wir da nicht spielen; denn wer ist so blöd und würde das nicht tun, erst spielen und dann schön mit gratis Bier die ganzen Bands ankucken. Also es kommt halt immer darauf an, was da so für Publikum ist, beim Immergut war ja auch fast nur „Club-Publikum“ da, also Leute, die auch zu unseren normalen Tourkonzerten kommen, da ist das was anderes, als wenn du vor so typischem Rock im Park- Publikum spielst.

Wo dann ein Großteil schon am ersten Tag mittags besoffen im Koma liegt?

Genau. „Scheiße, ich hab METALLICA schon wieder verpasst!“

Wie definiert ihr eine gute Live-Band? Und wer sind für euch gute Livebands?
Schwer zu beschreiben, es muss einen einfach packen und es muss echt sein. Oder dann eben gar nicht echt, völlig falsch, wie zum Beispiel BOBBY CONN. Oder wenn man noch nicht genau weiß, wo etwas hinführt, was passieren wird, wie eben bei THE WORLD/INFERNO FRIENDSHIP SOCIETY nach dem Motto: Zünden sie heute die Bühne an? Geht etwas kaputt?

Wie wichtig sind euch Kostüme, Artwork, Videos etc. im Verhältnis zur Musik?

Also prozentual, genau 23%. Eigentlich geht’s gar nicht mehr ohne. Nein, das kommt immer zu seiner Zeit, zunächst ist uns das Schreiben und Aufnehmen der Songs wichtig und wenn das fertig ist, überlegen wir uns, was für ein Artwork wir machen wollen, wie wir uns auf der Bühne kleiden und natürlich wollen wir uns für die nächste Tour auch wieder was überlegen.

Glaubt ihr, dass ihr irgendwann mal in ein kreatives Loch fallen könntet?

Wir sind gerade raus aus diesem Tal...

Wo sucht und findet ihr dann eure Motivation und Inspiration?
Also Motivation ist auf jeden Fall immer da. Es ist nur immer ein bisschen ernüchternd, wenn wir ein Album rausbringen und uns da vorher ewig Gedanken über Sound und alles mögliche gemacht haben und dann steht in den Kritiken drin: „...spielen ihren Sound konsequent weiter.“

Wenn’s dann mal nicht läuft, geht ihr dann eher auseinander, um neue Ideen zu bekommen oder doch besser alle in den Proberaum?
Definitiv eher in den Proberaum, dann entsteht immer was, natürlich man hat mal Ideen zu Hause, aber am besten ist es, wenn wir alle da sind und das hat man jetzt eben auch gemerkt, wenn mal einer nicht da ist, dann wird das automatisch schwieriger. Aber seit kurzem geht’s wieder aufwärts, auch mit neuen Stücken.

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Apropos, wie sind die Aussichten auf ein neues Album?
Auf jeden Fall erst nächstes Jahr, möglichst am Anfang. Der Plan ist, dass wir im Dezember ins Studio gehen.

Na das klingt doch gut. OK, zum Abschluss haben wir uns noch ein kleines Spiel überlegt. Wir haben diversen Buchstaben des Alphabets einen Begriff zugeordnet und jeder von euch zieht jetzt mal einen Begriff und sagt was dazu.
Markus: Ich hab „Politik“ gezogen. (der Rest der Band lacht sich ins Fäustchen) Also ich bezieh das jetzt mal auf die Band, wir sind relativ unpolitisch in unserem Auftreten, aber wir haben auf jeden Fall, jeder für sich, ein sehr politisches Bewusstsein.
Matthias: Ja ich hab „Hype“ auf meinem Zettel. Hatten wir bis jetzt keinen, wäre aber dringend notwendig. Also es müsste einen persönlichen Hype geben, einen Familienhype. Mein Vater ist vor Kurzem 60 geworden, es wird also Zeit das Nachwuchs kommt.
Thomas: Ich hab „Tomte“ hier stehen. Haben eine super Platte gemacht, die ich mir sehr oft angehört habe und es gibt ja diese Art Bandfreundschaft. Und wir finden das immer noch total schade, als TOMTE im Hirsch gespielt haben, hat der Thees Uhlmann ja so ein paar Scherze in unsere Richtung gemacht und wir haben dann da in dem Moment leider alle nicht so richtig drauf reagiert. Ich hab dann aber Lebkuchen in Richtung Bühne geworfen, weil ich hatte extra Lebkuchen für sie mitgebracht und dann kam aber sofort so ein Gorilla-Ordner, der mich am Schlawittla (fränkisch für Kragen) gepackt hat. Ich hab dem gesagt „Ey das waren Lebkuchen, Mann!“ Den Gruß haben sie dann leider nicht so richtig mitbekommen, es ist immer wieder nett sie zu treffen. Bei einem Konzert in Erlangen haben sie uns mal unzählige Biere ausgegeben und das verdient auch echt Anerkennung.
Tobias: Ich hab „Audience“. Was ist jetzt genau damit gemeint?
Egal du kannst über Publikum im Allgemeinen reden, über euren Song oder über die Band aus Hersbruck.
Thomas: Also wir kennen auch eine kalifornische Band, die so heißt, über die erzähl ich gleich was.
Tobias: Also über THE AUDIENCE aus Hersbruck kann ich sagen, dass ich die echt gut finde, denen ganz viel Erfolg wünsche, weil die sehr viel richtig machen. Ich finde den Sänger auch total charismatisch und dass er gut singen kann. Außerdem ist das jetzt nicht lokalpatriotisch, aber es ist schön, dass wieder mal eine Band aus Hersbruck richtig gute Musik macht, nachdem es dort inzwischen viele Bands nicht mehr gibt.
Thomas: Ja und jetzt über die kalifornischen AUDIENCE. Da war der Stefan, Gitarrist von YAGE - einer Kölner Hardcoreband, mit der wir schon öfter unterwegs waren - der hat mal bei denen gewohnt und die sind dann in so ein Naturheilbad gegangen und danach hat er einen Zecken am Sack gehabt und wir haben dann die Nachfolgeband in New York auf unserer Tour getroffen und die konnten sich auch noch gut an ihn erinnern.
Johannes: OK, letzter Begriff: Och nee „Drogen“. (dreckige Lache allerorts) Hm.. Finger weg! Pures Gift!

Wenn ihr wollt könnt ihr die letzten beiden Begriffe ja noch machen.

Was steht denn drauf?
Nürnberg und VISIONS.
Beides Wurscht!

Wie bereits zu Beginn erwähnt, ein sehr humorvolles Interview, bei dem wirklich nicht alles zu ernst zu nehmen war - dabei aber nie albern und uninformativ. Danke noch einmal für das ausführliche Gespräch! Wer also THE ROBOCOP KRAUS dieses Jahr live erleben will, sollte sich die raren kleinen Festival-Shows nicht entgehen lassen!

Interview: Sebastian und Benny
Text: Sebastian


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